Biden als Präsident: Von einem Neuanfang kann nicht die Rede sein

8.11.2020, 19:14 Uhr
Am Samstagabend (Ortszeit) wandte sich Joe Biden in seiner Heimat Wilmington im US-Bundesstaat Delaware an seine Anhänger.

© Andrew Harnik, dpa Am Samstagabend (Ortszeit) wandte sich Joe Biden in seiner Heimat Wilmington im US-Bundesstaat Delaware an seine Anhänger.

Die eine Hälfte Amerikas feiert, die andere spricht von Wahlbetrug oder ist geschockt und still. 74 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner stimmten für den Kandidaten der Demokraten, 70 Millionen für den republikanischen Amtsinhaber. Die Wahl von Joe Biden und Kamala Harris ist nicht der große Wendepunkt, wie es viele gehofft haben. Die Vereinigten Staaten sind tief gespalten, auch das wurde mit diesem Wahlergebnis ganz deutlich gemacht.

Trump-Unterstützer werden treu bleiben

Biden und Harris betonten am Samstagabend, dass sie das Land wieder einen wollen. Doch die Chancen dafür sind mehr als gering. Auch mit dem Ende von Donald Trump als Präsident ist der Trumpismus in der republikanischen Partei nicht überwunden.


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Ganz im Gegenteil. Viele Kongressabgeordnete und Senatoren, die als treue Unterstützer und Wegbegleiter gelten, wurden wiedergewählt. Sie hatten mit ihrer Nähe zu Trump Wahlkampf geführt. Man kann also nicht davon ausgehen, dass sie nun auf einmal auf einen Biden Kurs einschwenken werden. Für sie ist da noch eine Rechnung offen.

Auch in den sozialen Medien werden die wohlwollenden Worte von Joe Biden als “falsch” und “verlogen” abgetan. Von einem Neuanfang, von einem aufeinander Zugehen ist man noch weit entfernt. Das liegt sicherlich auch daran, dass Donald Trump nach wie vor die Niederlage an der Wahlurne nicht eingestehen will.

Er tönt davon, dass er die meisten Stimmen eines Präsidenten im Amt erhalten habe, mehr als jeder Präsident zuvor. Und er betont, dass es “legale” Stimmen seien, damit macht er klar, dass er an der Legitimität des Wahlerfolges von Joe Biden zweifelt. Es muss Trump wurmen, dass sein Herausforderer, den er nur als “Sleepy Joe” bezeichnete, vier Millionen mehr Wählerinnen und Wähler für sich gewinnen konnte. Trump gibt nicht auf, doch mit jedem Tag wächst der Flurschaden an der amerikanischen Demokratie.

Gute Kontakte zu alten Kollegen

Wie soll es weitergehen? Im “House” scheinen die Demokraten ihre Mehrheit halten zu können. Im Senat werden wohl die Republikaner vorne liegen, denn es ist unwahrscheinlich, dass die Demokraten die Stichwahlen in Georgia gewinnen und damit zwei weitere Senatsposten bekommen können.

Man kann nur hoffen, dass der frühere Senator Joe Biden noch seine guten Kontakte zu alten Kollegen hat. Allen voran Mitch McConnell, der Fraktionsvorsitzende der GOP im Senat. Beide bezeichnen sich als Freunde. McConnell war auch der einzige republikanische Senator, der 2015 zur Beerdigung von Joe Bidens Sohn, Beau Biden, kam. Es ist ein kleiner Hoffnungsschimmer im tief gespaltenen Washingtoner Politgeschäft, ein Hoffnungsschimmer für die kommenden amerikanischen Jahre.

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