Briefzentrums-Chef im Interview: Können Pakete Corona übertragen?

15.4.2020, 05:54 Uhr
Auch für das Briefzentrum Nürnberg bedeutet die Corona-Krise zahlreiche Veränderungen im gewohnten Arbeitsablauf. Während die Mengen an Briefen weitgehend normal geblieben sind, werden derzeit so viele Pakete verschickt, wie man es sonst nur in der Vorweihnachtszeit gewohnt ist.

© Jan Woitas/dpa Auch für das Briefzentrum Nürnberg bedeutet die Corona-Krise zahlreiche Veränderungen im gewohnten Arbeitsablauf. Während die Mengen an Briefen weitgehend normal geblieben sind, werden derzeit so viele Pakete verschickt, wie man es sonst nur in der Vorweihnachtszeit gewohnt ist.

Herr Bachmann, haben Sie zurzeit Bauchschmerzen, Ihre Zusteller loszuschicken?

Albert Bachmann: Nein, überhaupt nicht. Als global operierendes Unternehmen sind Epidemie- und Pandemie-Risikoszenarien ein wesentlicher Bestandteil unserer Risikoplanung. Wir verfolgen einen Ansatz, der es unseren einzelnen Betriebsteilen ermöglicht, auch im Notfall den bestmöglichen Betrieb für unsere Mitarbeiter und Kunden sicherzustellen. Bei einer Betriebsgröße von circa 6000 Mitarbeitern in der Region Mittel- und Oberfranken sowie der Oberpfalz und der hohen Anzahl an täglichen Kundenkontakten ist zu erwarten, dass es Covid-19-Fälle auch bei uns geben wird. Darüber sind wir uns im Klaren.

Briefzentrums-Chef im Interview: Können Pakete Corona übertragen?

© Thorsten Scherz

Wie bereiten Sie sich auf solche Fälle vor?

Bachmann: Wenn uns Fälle bekannt werden, ergreifen wir unverzüglich Maßnahmen. Wir arbeiten dabei eng mit den örtlichen Gesundheitsbehörden und dem Robert-Koch-Institut zusammen. Als Unternehmen halten wir Notfallpläne bereit, um die Sicherheit unserer Mitarbeiter, der Öffentlichkeit und unserer Kunden zu schützen und gleichzeitig den Betrieb aufrechterhalten zu können.

Wie können sich Zusteller vor einer Coronavirus-Infektion schützen?

Bachmann: Unsere Kräfte sind grundsätzlich mit handelsüblichen Handschuhen ausgestattet, um die Sendungen schonend zu behandeln. Generell empfehlen wir wie das Robert-Koch-Institut eine gute Handhygiene, eine korrekte Hustenetikette und das Einhalten eines Mindestabstandes von 1,5 bis zwei Metern zu Kollegen und eventuell kranken Personen. In unseren Betriebsstätten stehen Handwasch- und Desinfektionsmittel zur Verfügung. In den Zustellfahrzeugen gibt es zudem Wasserkanister und Seife.

Können Sie personell noch aus dem Vollen schöpfen?

Bachmann: Wir haben genügend Zusteller, um mögliche Quarantänefälle abzudecken. Der Krankenstand in meiner Niederlassung hat sich im März gegenüber März 2019 um 1,67 Prozent erhöht. Das ist noch beherrschbar, kann sich aber jederzeit ändern.

Wie wirken sich die jüngsten Entwicklungen auf das Brief- und Paketaufkommen aus?

Bachmann: Wir sehen bisher weitgehend normale Sendungsmengen im Brief- und deutlich steigende Mengen im Paketbereich – in etwa wie in der Vorweihnachtszeit. Das gilt übrigens auch für großformatige Briefe, also Waren tragende Sendungen. Bei einzelnen Geschäftskunden und Segmenten ist es in den letzten Wochen zu sehr deutlichen Veränderungen nach oben oder auch nach unten gekommen. Mode ist kurzfristig stark rückläufig, während Versender im Lebensmittel- und Tiernahrungsbereich teils stark gewachsen sind.

Wie hat sich die Arbeit im Briefzentrum selbst verändert?

Bachmann: Die Prozesse laufen so wie vor der Corona-Krise. Wir haben aber dafür gesorgt, dass nicht mehr so viele Kollegen nahe beieinander arbeiten müssen und die Mindestabstände einhalten können. Schichten wurden auch dort, wo möglich, ausgedünnt. Insgesamt geht die Belegschaft seit dem Ausbruch der Corona-Krise viel bewusster miteinander um. Das ist eine sehr positive Erfahrung.

Was hat sich noch getan?

Bachmann: In der besonders personalintensiven Zustellung haben wir ein Zwei-Schichtsystem eingeführt, um den Kontakt untereinander auf ein Minimum zu reduzieren. Die taggleiche Zustellung beim Kunden wird dabei nicht beeinträchtigt. Der Zusteller kann nur etwas später als gewohnt bei unseren Kunden ankommen. Empfängerkunden unter häuslicher Quarantäne bitten wir, Ablageverträgen zu nutzen, um Pakete zu empfangen. Diese sogenannte kontaktlose Zustellung dient ebenfalls dem Schutz unserer Mitarbeiter.

Befürchten Sie, dass das Virus über Briefe und Pakete übertragen werden könnte?

Bachmann: Das Risiko, dass sich Covid-19 durch Kontakt mit Scannern, Paketen oder Sendungen ausbreiten kann, ist gering. Eine Infektion mit dem Coronavirus durch Kontakt mit Objekten wurde bisher nicht nachgewiesen. Zudem verzichten wir bei der Paketübergabe momentan auf die eigenhändige Empfangsbestätigung, so dass der Zusteller diese kontaktfrei für den Kunden übernimmt.

Gibt es Zusteller, die von sich aus gesagt haben, dass sie unter den derzeitigen Umständen nicht auf Tour gehen?

Bachmann: Nein, bisher ist mir kein einziger Fall bekannt. Soweit ein Covid-Fall aufgetreten ist, wurde er ausschließlich aus dem privaten Umfeld – zum Beispiel Rückkehrer aus Risikogebieten – infolge der nachgelagerten Kontaktketten ins Unternehmen getragen. Das zeigt mir auch, dass unsere betrieblichen Maßnahmen zum Schutz unserer Mitarbeiter greifen und sich niemand Sorgen um eine Infektion durch oder während ihrer Arbeit machen muss.

Droht der Post – wie so vielen anderen Unternehmen derzeit – Kurzarbeit?

Bachmann: Die Aufrechterhaltung von Lieferketten und die Zustellung von Briefen und Paketen sind in der gegenwärtigen Situation essenziell, um die Versorgung in Deutschland zu sichern. Dazu leisten meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihrem unermüdlichen Einsatz jeden Tag einen enormen Beitrag. Aktuell gibt es noch keine Kurzarbeit.

Wie gehen Sie vor, wenn Corona-Infektionen bei Mitarbeitern auftreten?

Bachmann: Wenn ein Covid-19-Fall vorliegt, ist es existenziell, dass wir sehr zeitnah die Unsicherheit bei den übrigen Postbeschäftigten, die Kontakt mit einem infizierten Mitarbeiter hatten, beseitigen. Wir untersuchen unverzüglich, ob sie infiziert sind. Zeitnahe Tests mit schnellen Ergebnissen helfen hier viel mehr als die Anordnung von Quarantäne. Wir arbeiten hier sehr eng und konstruktiv mit den örtlichen Gesundheitsbehörden zusammen. Wir haben als systemkritischer Betrieb Anspruch darauf, zeitnah unsere Mitarbeiter untersuchen zu lassen. Diese Zeitnähe wird aber in den einzelnen regionalen Bereichen der Gesundheitsämter unterschiedlich ausgelegt.

Welche Folgen hat das?

Bachmann: Teilweise ist das Antwortverhalten sehr kurz, sodass am nächsten Tag das Ergebnis des Tests vorliegt, teilweise dauert es aber auch bis zu zwei Wochen. Das führt zu einer erheblichen Unsicherheit bei dem getesteten Kollegen selbst sowie den unmittelbar beteiligten Mitarbeitern und ist damit für uns für die Sicherstellung eines stabilen Betriebes nur schwer kalkulierbar.

Was müsste sich ändern?

Bachmann: Es wäre unser Wunsch, dass das Antwortverhalten bei Tests und die Bekanntgabe der Testergebnisse beschleunigt wird. Hilfreich wäre, wenn freie Testkapazitäten bayern- oder bundesweit so genutzt werden könnten, dass Ergebnisse am besten ein- oder zwei Tage später vorliegen.


Vor der Corona-Krise haben wir dem Briefzentrum bereits einen Besuch abgestattet. Hier die Bilder:

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