Corona: Kita-Mitarbeiter fürchten um ihre Gesundheit

29.3.2020, 06:00 Uhr
Da die Auflagen für eine Notfallbetreuung gelockert wurden, sorgen sich Kita-Mitarbeiter um ihre Gesundheit.

© Daniel Naupold, NN Da die Auflagen für eine Notfallbetreuung gelockert wurden, sorgen sich Kita-Mitarbeiter um ihre Gesundheit.

Es ist ein verzweifelter Appell, den eine Nürnberger Kita-Leiterin an die Redaktion richtet: "Wir arbeiten an vorderster Front, mit Kindern von Eltern, die im Risikobereich arbeiten. (...) Ärzte erhalten Schutzkleidung, die Verkäufer Plexiglas, der Friseur wird geschlossen, weil er keinen Abstand einhalten kann und Spielplätze werden gesperrt, damit sich dort die Kinder nicht treffen." In Kindertagesstätten jedoch zählten all diese Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus’ nicht, schreibt die Einrichtungsleiterin, die anonym bleiben möchte.

Das große Problem, das sie benennt: Seit dieser Woche gelten weniger strenge Auflagen dafür, wer einen Anspruch auf Notfallbetreuung hat. Das bedeutet: In den Kitas wird es wieder voller – und das ohne jeglichen Schutz für die Mitarbeiter.

Anspruch nur im Notfall

Zu den zahllosen Maßnahmen, um die Ausbreitung des Coronavirus’ zu verlangsamen, gehört auch, dass Kindertagesstätten seit dem 16. März geschlossen sind. Kinder müssen also aktuell zuhause betreut werden, Anspruch auf Betreuung in der Kita besteht nur im Notfall. Doch wie ein solcher Notfall aussieht, hat sich laut Vorgabe des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales nun geändert.

Zuvor war es notwendig, dass beide Elternteile im Bereich der sogenannten kritischen Infrastruktur tätig sind. Für Gruppen wie beispielsweise Polizei und Feuerwehr, Kinder- und Jugendhilfe, Strom- und Wasserversorgung, den öffentlichen Nahverkehr, die Müllabfuhr oder die Lebensmittelversorgung hat sich das auch nicht geändert.

Für Eltern, die im Gesundheitswesen und der Pflege tätig sind, gilt jedoch seit Montag, 23. März: Um einen Anspruch auf Notfallbetreuung zu haben, reicht es aus, wenn nur ein Erziehungsberechtigter in diesen Bereichen arbeitet. Die Begründung: Aufgrund der aktuellen Krisensituation könnte es in den Bereichen Gesundheitsversorgung und Pflege "zu einem steigenden Personalbedarf" kommen.


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Dass sie dafür grundsätzlich Verständnis hat, erklärt die Nürnberger Kita-Leiterin an einem Beispiel: In vielen Familie sei derjenige Elternteil, der beispielsweise in der Pflege arbeite, nicht der Hauptverdiener. Um eine finanzielle Notlage zu verhindern, blieb also bisher dieser Erziehungsberechtigte zuhause, um die Kinder zu versorgen, und der andere ging weiter zur Arbeit. Eine solche Familie hätte nun Anspruch auf Betreuung, damit auch der Pflegende als Arbeitskraft wieder zur Verfügung steht.

Schwer nachvollziehbar

Das sei nachvollziehbar – jedoch nur, wenn der andere Elternteil auch tatsächlich an der Kinderbetreuung gehindert sei. "Wir haben aber auch Fälle, in denen ist ein Elternteil gerade freigestellt, in Kurzarbeit oder sogar im Erziehungsurlaub. Aber weil der andere Teil in der Pflege arbeitet, dürfen die Kinder zu uns kommen." Für Erzieher schwer nachvollziehbar. Aber genau so geht es aus der "Änderung der Allgemeinverfügung für die Notbetreuung" hervor: "Ob eine anderen Betreuungsmöglichkeit – etwa durch den zweiten Elternteil – gegeben wäre, ist in diesen Fällen nicht relevant." Warum ist das so? Auf Anfrage verweist das Bayerische Sozialministerium auf den gesteigerten Personalbedarf und lässt verlauten, man habe sich nach aufgrund von "entsprechenden Problemanzeigen aus der Praxis" für eine "maßvolle Ausweitung" entschieden.

Währenddessen schlägt auch die Gewerkschaft Bildung und Erziehung (GEW) im Hinblick auf die Zustände in den Einrichtungen Alarm. Viele Einrichtungsleiter seien mit der Situation schlicht überfordert. Man mache dem Ministerium keinen Vorwurf, aber es brauche dringend klare Anweisungen. "Das kann man nicht den Trägern überlassen", so Salzbrunn. "Die GEW fordert daher den Freistaat, Bezirke und Kommunen auf, klare Worte an alle Träger zu richten und dafür zu sorgen, dass in den Betrieben nur das notwendige Personal eingesetzt wird und der Rest zuhause arbeiten kann. Das gilt insbesondere für ältere KollegInnen und für KollegInnen mit kleinen Kindern", so Anton Salzbrunn.


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Auch der Schutz vor Ort ist ein Thema. "Wer bei uns mit Waschmittel arbeitet, der muss eine Schutzbrille haben, aber in dieser Situation wird ohne jegliche Schutzmaßnahmen gearbeitet", sagt die Nürnberger Kita-Leiterin. Über den Hinweis, möglichst Abstand zu halten, kann sie nur lachen. "Wie soll das gehen, bei Kindern, die Hilfe beim Naseputzen und beim Toilettengang brauchen?" Außerdem seien viele Kinder in der aktuellen Situation verständlicherweise verstört und hätten Angst. "Soll ich dann von einem weinenden Dreijährigen Abstand halten? Natürlich tröste ich ihn – und setze damit meine eigene Gesundheit aufs Spiel."

Auch die Gewerkschaft fordert deshalb: "Wer Notbetreuung leistet, muss Schutzmittel zur Verfügung haben". Hygienische Mindeststandards und Desinfektionsmittel müssen gewährleistet sein, so Salzbrunn. Vom Sozialministerium heißt es dazu: "Wir werden gemeinsam mit der Kommunalen Unfallversicherung Bayern (KUVB) die Kindertageseinrichtungen zeitnah mit einem Schreiben über Schutzmaßnahmen (z.B. Hygieneplan, Gruppengröße etc.) informieren."


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