Das passiert mit Gräbern, für die nicht mehr bezahlt wird

25.6.2020, 06:00 Uhr
Das passiert mit Gräbern, für die nicht mehr bezahlt wird

© Foto: Erwin Wodicka/imago images

Für die Museumsleitung ist klar, dass man mit den mehrere Jahrhunderte alten Knochen respektvoll umgeht und sie nach Abschluss der Bauarbeiten würdevoll in dem gesonderten Raum beisetzt. Poneleit meint, dass die Toten der Gegenwart, deren Gräber aufgelassen werden, den gleichen pietätvollen Umgang verdient haben.

"Was auf dem Friedhof ist, bleibt auch dort. Wir geben nichts heraus, wir werfen nichts weg", erklärt Gerhard Kratzer, Leiter der städtischen Friedhofsverwaltung. Er betreut zehn städtische Ruhestätten mit insgesamt über 70 500 Gräbern. Die Belegung liegt bei 82 Prozent, Tendenz fallend. Es werden mehr Gräber aufgegeben als neu belegt. Pro Jahr sind es durchschnittlich 2500 Rückgaben bei etwa 1800 Grabkäufen.

Nur der Schädel ist übrig

In Nürnberg darf bereits nach zehn Jahren ein Grab neu belegt werden. In anderen Städten ist dies erst nach 20 oder sogar 30 Jahren erlaubt, berichtet Kratzer: "Das liegt an den hiesigen sandhaltigen Böden, da ist der Prozess des Vergehens rascher abgeschlossen." Nach einem Jahrzehnt seien am West- oder Südfriedhof oft nur mehr Schädel, Kieferknochen oder harte Lendenwirbel übrig.


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Die Relikte verbleiben dort auch nach der Einstellung der Zahlungen. Erst wenn der Platz neu vergeben wird, kommt es zur Graböffnung: Falls dabei Knochen zutage kommen, gibt es laut Friedhofsverwaltung zwei Möglichkeiten: Sind es die Überreste eines Familienmitglieds, heben die Friedhofsarbeiter die Grube etwas tiefer aus und betten die Relikte auf den Grund. Darüber kommt dann der Sarg des soeben Verstorbenen.

Falls jedoch die letzte Ruhestätte neu erworben wurde und der jetzige Besitzer keinerlei Verbindung zu dem dort Bestatteten hat, werden die Knochenreste geborgen und in einem "Ewigkeitsgrab" auf dem Friedhof beigesetzt. Das ist entweder eine Grünfläche in einem abgelegenen Winkel oder auch eine Gruft mit verschließbarem Deckel.

Auf dem Friedhof von Nürnbergs Israelitischer Kultusgemeinde ist es dagegen anders: Jeder Verstorbene behält nämlich sein eigenes Grab
bis in die Ewigkeit: "Es gibt keine Auflösung der Gräber", sagt IKG-Vorsitzender Jo-Achim Hamburger.

Bei den neun evangelisch-lutherischen Friedhöfen im Stadtgebiet geht man dagegen ähnlich vor wie auf den städtischen: Auf dem Johannisfriedhof dient eine verschließbare Gruft als Sammelstelle für die Überreste der Verstorbenen, deren Gräber nach Ablauf der Liegezeit (zehn Jahre für Urnen, 15 Jahre für Erdbestattungen) neu vergeben werden. In dem für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen "Ewigkeitsgrab" werden sie sorgfältig und diskret abgelegt, berichtet Ute D. aus der Friedhofsverwaltung.

"Ein Bagger ist kein Skalpell"

Doch nicht überall geht es so würdevoll zu, weiß Bestatter Alexander Meyer aus Ansbach, der in der Region tätig ist: "Wenn der Friedhofsbagger die Grube aushebt, tauchen manchmal in dem Erdhügel Schädel oder Oberarmknochen auf. Der Gärtner legt dann eine grüne Grabmatte während der Beerdigung auf den Erdhaufen und danach kommt alles gut durchgemischt auf den neuen Sarg. Ich finde es schrecklich, in den Gräbern herumzuwühlen. Andere Kulturen und Religionen verbieten das grässliche Wiederbelegen von Gräbern. Warum machen wir es nicht wie die jüdischen Mitbürger?"


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Nürnbergs Friedhofsverwalter Kratzer schließt nicht aus, dass es derartige Vorkommnisse auch auf den städtischen Ruhestätten gibt: "Ein Bagger ist schließlich kein Skalpell. Aber wenn man auf Knochen stößt, arbeiten unsere Beschäftigten vorsichtig mit der Schaufel per Hand weiter. Wir achten peinlich darauf, dass keine Knochen herumliegen."

Für den 62-Jährigen sagt es viel über die Kultur eines Volkes aus, wie es mit den Verstorbenen umgeht. Er legt großen Wert auf ein würdiges Verhalten auf dem Friedhof. Doch das sei offenbar nicht mehr gesellschaftlicher Konsens, bedauert er mit Blick auf die Zahl der Grabaufgaben: "Viele Leute scheuen Aufwand und Kosten, ein Familiengrab ist für sie kein Wert mehr. Wir leben leider in einer Wegwerfgesellschaft mit ,Geiz ist geil‘-Mentalität."

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