Den Nürnberger Kitas gehen die Mitarbeiter aus

21.5.2020, 11:02 Uhr
Der Ausbau der Kinderbetreuung geht weiter. Doch schon jetzt fehlt in etlichen Einrichtungen das Personal.

© Bernd Thissen, dpa Der Ausbau der Kinderbetreuung geht weiter. Doch schon jetzt fehlt in etlichen Einrichtungen das Personal.

Neue Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) lassen einen Erziehernotstand befürchten. Demnach macht sich der Fachkräftemangel schon jetzt deutlich bemerkbar. Offene Stellen sind rund 100 Tage vakant, im Schnitt bewerben sich gerade mal fünf Personen um eine ausgeschriebene Position. Eine Entwicklung, die auch in Nürnberger Kindertagesstätten deutlich zu spüren ist, daran hat auch die Coronakrise nichts geändert. "Noch finden wir zwar für die meisten Stellen jemanden", sagt Peter Mack von der Fachberatung für Kindertagestätten beim "Paritätischen" in Mittelfranken, unter dessen Dach sich allein in Nürnberg 40 Kitas zusammengeschlossen haben. "Aber wir sind froh, dass wir jemanden finden."


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Soll heißen: Es wird immer schwieriger, offene Stellen mit geeigneten Bewerbern zu besetzen. Mack: "Oft müssen wir neue Mitarbeiter nachschulen, es dauert länger, sie ins Team einzugliedern." Auch die Fluktuation sei größer geworden, die Bereitschaft zu wechseln sei hoch. Mit der Folge, dass das restliche Personal umso stärker gefordert sei und die Engpässe überbrücken müsse.

"Das Problem ist massiv"

Bei Personalmangel könnten Kitas ja schließlich nicht kurzfristig die Zahl der zu betreuenden Kinder reduzieren, sagt Christiane Münderlein, zuständig für Bildung und Soziales im Vorstand des Evangelischen Kita- Verbandes Bayern. Derzeit müssten freie Stellen zwar nicht unbedingt gleich wieder vergeben werden, weil noch nur eine Notbetreuung läuft, so Stefan Dürr, stellvertretender Geschäftsführer des Kinderhauses Nürnberg mit 15 Einrichtungen. "Aber wir führen trotzdem Bewerbungsgespräche. Das Problem ist massiv."

In jedem zweiten Fall gab es bei der Besetzung offener Stellen Probleme, so die bundesweite repräsentative Befragung des IAB. Als Hauptgründe nannten die Arbeitgeber dabei die zu geringe Bewerberzahl und die mangelnde Qualifikation der Kandidaten. Während sich über alle Berufe hinweg in den Jahren 2017/18 im Schnitt elf Interessenten auf eine Ausschreibung hin meldeten, waren es in den Erzieherberufen nur fünf. Und in jedem zweiten Fall, so das IAB, bewarben sich gerade mal drei Kandidaten um den ausgeschriebenen Job.

Wenn überhaupt: Bei Ulrike Sing vom Bayerischen Roten Kreuz in Nürnberg trudeln manchmal überhaupt keine Bewerbungen ein. "Man muss viel aktiver sein bei der Suche als früher", sagt die Leiterin der Abteilung soziale Arbeit und Pflege beim BRK, die derzeit mehrere offene Stellen hat.

Für die Stadt Nürnberg kann Christian Rester das nur bestätigen. Im ersten Halbjahr habe er die Stellen in den städtischen Kitas noch relativ gut besetzen können, so der zuständige Bereichsleiter im Jugendamt. "Wir sind zufrieden in das neue Kita-Jahr gestartet." Doch derzeit fehlen ihm schon 30 Mitarbeiter. Noch lasse sich das aufgrund der Notbetreuung verkraften, "doch relativ bald haben wir ja wieder Normalbetrieb".

Schon im vergangenen Jahr blieben wegen der angespannten Lage laut Rester einige offene Stellen über Wochen hinweg unbesetzt – mit der Folge, dass manch ein frei werdender Betreuungsplatz in Horten oder Kindergärten zunächst nicht nachbesetzt wurde. "Bislang sind das aber nur einige wenige Fälle gewesen", so Rester. Als großer Träger mit 140 eigenen Kitas kann die Stadt mit anderen Mitteln gegensteuern – mit Hilfe ihres Springerpools oder indem Mitarbeiter aus anderen Einrichtungen vorübergehend einspringen.

Verkürzung der Ausbildung durch Modellversuch

Doch auch Rester sieht Handlungsbedarf. Schon jetzt investiert das Jugendamt viel Mühe in die Personalsuche und wirbt zum Beispiel auf Messen "weit über Nürnberg hinaus" um Nachwuchs. Das sei ein ganzjähriger Prozess, der dringend erforderlich sei, so Rester. "Wir müssen uns darstellen, damit die Bewerber auch wirklich zu uns kommen." Punkten könne die Stadt dabei mit unbefristeten Verträgen, Teilzeitmodellen, Fortbildung und Supervision – und mit den Wahlmöglichkeiten und Aufstiegschancen, die ein großer Träger biete.


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Doch damit allein ist es aus Sicht der Träger auf Dauer nicht getan. Sie fordern unter anderem eine kürzere und besser bezahlte Ausbildung, um mehr Personal zu gewinnen. "Das ist sinnvoll und notwendig", sagt Peter Mack. "Allerdings darf die Qualität dabei nicht leiden." Bislang dauert die Erzieherausbildung fünf Jahre, in der Regel ist sie überwiegend unbezahlt. Modelle wie Optiprax sollen den Weg in den Beruf attraktiver machen. Die Abkürzung steht für "Erzieherausbildung mit optimierten Praxisphasen", Teilnehmer mit gutem mittleren Schulabschluss absolvieren die Ausbildung dabei in vier Jahren, Quereinsteiger mit abgeschlossener Berufsausbildung brauchen nur drei Jahre. Zudem verdienen die Teilnehmer des bayernweiten Modellversuchs, der in diesem Jahr ausläuft, von Anfang an Geld.

Ein gutes Modell aus der Sicht von Christian Rester, der zudem fordert, insgesamt mehr Ausbildungsplätze anzubieten. Denn der Bedarf steigt weiter, der Ausbau der Kinderbetreuung ist noch nicht abgeschlossen. In fünf Jahren kommt noch der Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung an Grundschulen hinzu. Berechnungen der Prognos AG gehen davon aus, dass bis 2030 fast 200.000 pädagogische Fachkräfte fehlen werden.


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