"Sicherheit wird groß geschrieben"

Einzigartiger Boom in Nürnberg: Stimmt jeder Zweite per Briefwahl ab?

19.9.2021, 15:21 Uhr
Längst stapeln sich die in den Wahlämtern eingegangenen Wahlbriefe höher als je zuvor.

© Rolf Vennenbernd, dpa Längst stapeln sich die in den Wahlämtern eingegangenen Wahlbriefe höher als je zuvor.

Die Zeichen stehen bundesweit auf Rekord: Bei der bevorstehenden Bundestagswahl werden mehr Wähler als je zuvor ihre zwei Kreuzchen schon vorab und nicht erst im Wahllokal machen. Das Verfahren ist viel einfacher als etwa bei Kommunalwahlen. In Nürnberg haben bereits mehr als 40 Prozent aller Wahlberechtigten entsprechende Anträge gestellt; am Ende wird womöglich sogar jeder zweite per Brief abgestimmt haben.

Insgesamt sind gut 335.000 Nürnbergerinnen und Nürnberger wahlberichtigt, darunter nahezu 16.000 erstmals bei einer Bundestagswahl, aber insgesamt knapp 8500 weniger als vor vier Jahren. Seit dem Versand der Wahlbenachrichtigungen haben bereits mehr als 100.000 Bürger über das Online-Portal des Wahlamts Briefwahlanträge bestellt, weitere gut 40.000 auf dem herkömmlichen Postweg, per Fax oder persönlich. Ein bloßer Telefonanruf genügt nicht.

Auch für die verbleibenden Tage rechnet Wahlamtsleiter Wolf Schäfer mit unvermindertem Interesse. Grundsätzlich können Wählerinnen und Wähler noch bis einschließlich Freitag, 24. September, 18 Uhr, einen Wahlschein mit Briefwahlunterlagen beantragen. Allerdings ist einschließlich Versand mit etwa zwei Tage zu rechnen. Die Rücksendung per Post ist zwar portofrei, aber wer den Umschlag erst am Freitag oder gar Samstag in den Briefkasten wirft, kann nicht sicher sein, dass seine Stimme noch rechtzeitig im Wahlamt eintrifft.

"Das Risiko beim Postversand tragen die Wählerinnen und Wähler selbst", stellt Schäfer unmissverständlich fest – und rät dazu, Briefwahlunterlagen in den letzten Tagen im Zweifel lieber selbst abzuholen und auch wieder einzuwerfen. Und das bis spätestens Sonntag, 18 Uhr. Danach eingehende Sendungen werden nicht berücksichtigt. Allerdings ist es mit (nicht abgeschickten) Briefwahlunterlagen auch möglich, sich am kommenden Sonntag direkt an der Wahl zu beteiligen, sowohl im eigenen wie auch in einem anderen Wahllokal des jeweiligen Stimmkreises (dann aber nur mit Personalausweis).

Nicht mehr als zwei Kreuzchen

Wichtig bei der Stimmabgabe: Die Kreuze müssen eindeutig zuzuordnen, der Wählerwille also eindeutig erkennbar sein – wer den Stimmzettel womöglich mit Kommentaren versieht oder beispielsweise einen Teil abtrennt, macht ihn damit ungültig.

Dabei dürften sich nicht wenige Wähler diesmal vor allem zur Vermeidung von Kontakten für die Briefwahl entschieden haben. So rechnet die Stadt mit entsprechend deutlich weniger Frequenz in den Wahllokalen. Trotzdem wurde deren Zahl nicht verringert. Die Stadt wäre dann zwar mit weniger Wahlhelfern ausgekommen, doch gerade angesichts der Pandemie-Umstände sollten alle Wählerinnen und Wähler die ihnen oft gut vertrauten Örtlichkeiten aufsuchen können – und bei weniger Betrieb sind auch die Abstände deutlich verlässlicher einzuhalten. Von den 375 Wahlbezirken sind 159 Wahllokale barrierefrei zugänglich, die Liste ist auf der Internetseite des Wahlamts veröffentlicht.

Maskenpflicht in den Wahllokalen

Dabei hat das Wahlamt alle erdenklichen Vorkehrungen zum Schutz sowohl der Wahlhelfer wie der Wähler getroffen. Das war und ist umso nötiger, als die Ausübung des Wahlrechts natürlich nicht nur Geimpften, Genesenen oder Getesteten vorbehalten bleibt. Jede und jeder hat Zutritt zum Wahllokal, allerdings gilt unbedingt eine Regel: Es herrscht Maskenpflicht – Ausnahmen kann der jeweilige Wahlvorstand nur zulassen, wenn Berechtigte eine Befreiung verlegen, und zwar im Original.

Im Übrigen stehen in jedem Wahllokal nicht nur Trennscheiben (Spuckschutz) und Desinfektionsmittel zur Verfügung, sondern auch ausreichend Ersatzmasken und andere Utensilien. "Sicherheit wird groß geschrieben", betont Abteilungsleiter Thomas Nirschl, der Pandemiebeauftragte im Wahlamt, "bei Verstößen gegen die Regeln und erst recht bei absichtlicher Nichtbefolgung üben die Wahlvorstände das Hausrecht aus und verständigen notfalls die Polizei".

100 zusätzlich Briefwahl-Teams

Zur zügigen Auszählung der Briefwahl-Stimmen wurden diesmal 250 Briefwahl-Teams gebildet, 100 mehr als bei der letzten Bundestagswahl. Damit sind am Wahlsonntag rund 4500 Helferinnen und Helfer im Einsatz; jeweils sechs bis sieben Mitglieder bilden einen Wahlvorstand, mindestens anwesend sein müssen tagsüber jeweils drei, bei der Auszählung fünf Mitglieder. Zwei der Drittel der Wahlhelferinnen und -helfer haben sich aus der Bürgerschaft gemeldet, ein Drittel sind städtische Mitarbeiter. "Aber alle sind freiwillig im Einsatz, keiner musste verpflichtet werden", versichert Schäfer.

Dabei bleibt das Wahlamt laufend gefordert, etwa bei Krankmeldungen von Wahlvorständen auch kurzfristig Ersatzleute zu finden. So kann es passieren, dass Interessenten, die sich schon vor Monaten für den Dienst gemeldet hatten, erst jetzt noch angefragt werden und zum Zuge kommen.

Für statistische Auswertungen – natürlich erst nach der Ermittlung der Gesamtergebnisse – werden in 23 Wahlbezirken (darunter neun Briefwahlbezirken) wieder Stimmzettel genutzt, die oben links mit einem Buchstaben von A bis M gekennzeichnet sind. Das ermöglicht Auswertungen der Wahlbeteiligung nach Geschlecht und sechs Altersgruppen – unter strikter Wahrung des Wahlgeheimnisses. Das Verfahren ist im Wahlstatistikgesetz genau geregelt und bundesweit vorgeschrieben. Die Auswahl der Wahlräume ist repräsentativ.

Das vorläufige Wahlergebnis soll am Wahlabend bis 22 Uhr vorliegen; das offizielle Endergebnis wird anschließend auf der Basis der Niederschriften der Wahlvorstände ermittelt und im Kreis-, Landes- und Bundeswahlausschuss festgestellt. Die Auszählungen sind öffentlich, Bürger können als Wahlbeobachter teilnehmen, dürfen aber die Auszählung in keiner Weise stören oder zu beeinflussen versuchen. Nicht zulässig sind auch Foto- und Filmaufnahmen (außer nach vorheriger Genehmigung durch den Wahlvorstand), selbst das Selfie in der Wahlkabine macht die Stimmabgabe ungültig.

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