Endlich nicht mehr arbeitslos: Verkäuferin bekam zweite Chance

14.12.2020, 10:24 Uhr
Der Gang ins Jobcenter kann belasten. Doch das Teilhabechancengesetz brachte 2019 neue Perspektiven für Langzeitarbeitslose: als Türöffner für den Wiedereinstieg in den ersten Arbeitsmarkt. 

© Jens Büttner, dpa Der Gang ins Jobcenter kann belasten. Doch das Teilhabechancengesetz brachte 2019 neue Perspektiven für Langzeitarbeitslose: als Türöffner für den Wiedereinstieg in den ersten Arbeitsmarkt. 

Und was machst du so? Wenn Claudia Berger bei dieser Frage jemanden herumdrucksen hört - zurzeit hier und da, eigentlich auf der Suche, um ehrlich zu sein, gerade arbeitslos -, dann sagt sie ihrem Gegenüber zum Trost: "Niemand sucht sich das aus. Ist doch nicht schlimm." Dabei war es schlimm.

Wer Claudia Berger, die in Wirklichkeit anders heißt, beim Beruferaten träfe, könnte ihr viele Jobs zuschreiben. Etwas im Büro vielleicht. Oder Verkauf, Mode, Fitness, etwas Medizinisches. Auf die Idee, dass die Blondine mit den dunkelroten Fingernägeln rund zehn Jahre arbeitslos war, käme man nicht.

Vom Supermarkt fristlos gekündigt

"Ich stand fast mal auf der Straße", erzählt sie, "und ich kann verstehen, wie das passiert." Sie schildert ihren Werdegang als Mischung aus Pechsträhne und Befreiung aus schwierigen Familienverhältnissen. Die Nürnbergerin, die aus der Altmühl-Region stammt, war lange zufrieden mit ihrem Berufsleben als ausgebildete Verkäuferin. Doch als sie wegen einer neuen Beziehung nach Nürnberg zog, misslang plötzlich so vieles. Sie erzählt von der fristlosen Kündigung bei einem großen Lebensmitteldiscounter, der für seine gnadenlosen Mitarbeiterkontrollen berüchtigt ist. Sie habe eine Portion Tomaten nachträglich verbuchen wollen und das Bargeld an der Kasse hinterlegt. Es sei nur noch nicht erfasst gewesen, als die Bezirksleitung am nächsten Morgen zu einer Buchprüfung in der Filiale erschien. Claudia Berger wurde geschasst. Zur gleichen Zeit machte ihr Freund Schluss.

Die damals 32-Jährige kam zur Untermiete bei einer Freundin unter. Es folgten weitere Tiefschläge. Mobbing und der nächste Jobverlust. Ungute Beziehungen zu Männern. Der Tod des Vaters, der Oma, die auch ihre Ziehmutter war, und einer ihrer geliebten Katzen. Der Versuch, sich mit einem Werbeunternehmen selbständig zu machen, scheiterte. Seelisch war sie längst in einem Loch. "Mit der Arbeitswelt war ich durch. Ich musste mich erst mal selbst auf die Reihe kriegen."


Langzeitarbeitlosigkeit: Hoffnungsschimmer trotz Corona-Pandemie


Heute ist Claudia Berger 44 und hat wieder Tritt gefasst. Seit Sommer ist sie bei einer kleinen Veranstaltungsagentur angestellt, bei der sie als Minijobberin angeheuert hatte. Die Firma richtet vor allem Hochzeiten aus, dazu Trauerfeiern und Messen. Die Abwechslung gefällt Berger gut, sie berät Kunden, erledigt Büroaufgaben, und wenn nicht gerade die Corona-Pandemie den Betrieb dämpfen würde, könnte sie Säle dekorieren, servieren, Konfetti und Luftballons verkaufen. "Ich hatte mich nie aufgegeben", sagt sie im Rückblick. "Ich bin eigentlich ein fröhlicher Mensch mit Tatendrang. Ich habe mir immer gesagt: Niemand soll es schaffen, mich niederzumachen."

Für diese Entwicklung brauchte Claudia Berger psychologische Hilfe – und einen Anschub durch das Jobcenter. Ihre Stelle entstand durch das neue Teilhabechancengesetz für die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen. Das Jobcenter übernimmt im ersten Jahr 75 Prozent, im zweiten Jahr 50 Prozent von Bergers Lohnkosten. Fast genauso wichtig: Ein persönlicher Coach steht den Einsteigern und den Arbeitgebern zur Seite, vermittelt bei Schwierigkeiten und hilft bei der Bürokratie. Im besten Fall wird die Maßnahme zum Türöffner für die Festanstellung auf dem ersten Arbeitsmarkt.

Neulinge ein Gewinn für Unternehmen

200 solcher Beschäftigungsverhältnisse hat das Jobcenter Nürnberg seit 2019 bewilligt. Die Erfolgsquote sei bisher hoch, sagt Corinna Gottschall, die Claudia Berger in dem Programm betreut. "Zum Glück gibt es auch durch Corona keine Kündigungen und Abbrüche." Die Förderung beruht auf beidseitiger Freiwilligkeit. Durch diese Motivation und durch die Einzelbegleitung würden viele Unternehmen die so hinzugewonnenen Mitarbeiter als Gewinn erleben, sagt Gottschall.

Claudia Berger hat im Detail erfahren, was lange Arbeitslosigkeit für den Menschen bedeutet. Sie traf sowohl Arbeitsvermittler, von denen sie sich gegängelt fühlte, als auch verständnisvolle, die ein Ohr für ihre privaten Probleme hatten. Sie kennt den Druck von Bekannten, die mit den Augen rollten: Langsam solltest du aber mal! Und sie weiß, was das heißt, wenn sie sagt: "Nur weil du nichts arbeitest, heißt das nicht, dass du nichts wert bist."

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