Langzeitarbeitlosigkeit: Hoffnungsschimmer trotz Corona-Pandemie

21.7.2020, 06:48 Uhr
Für einige bedeutete die Corona-Krise Kurzarbeit oder sogar die Kündigung. Doch manchen brachte es auch die Rückkehr ins Erwerbsleben.

© Thomas Trutschel/photothek via www.imago-images.de Für einige bedeutete die Corona-Krise Kurzarbeit oder sogar die Kündigung. Doch manchen brachte es auch die Rückkehr ins Erwerbsleben.

Die Erfolge sind zwar überschaubar, aber doch wichtige Hoffnungssignale, für die Betroffenen selbst, aber auch für die Mitarbeiter in den Jobcentern. Rollte doch eine hohe Welle neuer Klienten auf sie zu: Vier- bis fünfmal mehr "Neukunden" als in den Vormonaten standen im März und April beim Jobcenter Nürnberg auf der Matte – telefonisch oder via Internet. Denn persönliche Kontakte waren und sind immer noch auf besondere Ausnahmefälle begrenzt.


Nürnberg: Bundesagentur für Arbeit im Ausnahmezustand


Das treibt alle Kennziffern in die Höhe, so gibt es in Nürnberg inzwischen wieder weit mehr als 23.200 sogenannte Bedarfsgemeinschaften, also Haushalte, die auf Grundsicherungsleistungen angewiesen sind – acht Prozent mehr als vor einem Jahr. Dennoch gelang und gelingt selbst Langzeitarbeitslosen sogar in Pandemie-Zeiten die Rückkehr ins Erwerbsleben.

Noch bis April lag die Zahl der Langzeitarbeitslosen noch unter dem Vorjahresniveau; diese Erfolgskurve hatte aber angesichts von Corona dann doch keinen Bestand. Im Bezirk der Arbeitsagentur Nürnberg sind nun rund 4700 Arbeitssuchende als Langzeitarbeitslose registriert – das ist rund jeder fünfte Erwerbslose, in den ersten beiden Monaten des Jahres waren es noch unter 4000. Bis 2015 machte die Langzeitsarbeitslosigkeit einen weit höheren Anteil aus, nämlich deutlich über ein Drittel.

"Immer wieder Steine in den Weg gelegt"

Dass es auch in der Corona-Hochphase zu keinem Stillstand kam, ist vor allem dem Teilhabechancengesetz zu verdanken. Seit gut einem halben Jahr können davon Erwerbslose profitieren, die oft schon älter und gesundheitlich nicht mehr topfit sind und mindestens sechs Jahre auf "Hartz IV" angewiesen waren.


Bundesagentur für Arbeit: Zehn Millionen potenzielle Kurzarbeiter


Ein leuchtendes Beispiel dafür ist Wolfgang Berner. "Ich habe wirklich schon oft versucht, von Hartz IV wegzukommen, und immer wieder wurden mir Steine in den Weg gelegt", erzählt er. Nun ist er bei einem Hausmeisterservice angestellt und zu Einsätzen bei Adressen im ganzen Großraum unterwegs. "Ich bin viel an der frischen Luft, die neue Stelle ist voll in Ordnung", zeigt er sich zufrieden.

Die Kenntnisse dafür hatte sich der 53-Jährige schon vor zehn Jahren in einem Kurs bei der Kolping-Akademie angeeignet – doch die damalige Hoffnung, mit der Qualifikation rasch einen Weg zurück ins Arbeitsleben zu finden, blieb lange trügerisch. Dabei konnte der gebürtige Coburger ohnedies auf durchaus reiche Berufserfahrungen verweisen, als Maler, Lackierer, Maurer und auch Gerüstbauer.

Anschaffungen und Urlaub gestrichen

"Damals habe ich ganz gut verdient", stellt er im Rückblick fest.Gesundheitliche und persönliche Probleme warfen ihn aus der Bahn; nach dem Sturz in die Erwerbslosigkeit blieb ihm nur das Zubrot aus dem Verkauf des Magazins "Straßenkreuzer" oder mal von Minijobs. Größere Anschaffungen waren gestrichen, Urlaubsreisen erst recht. Und im Dauerkontakt mit dem Jobcenter blieben auch weniger erfreuliche Erfahrungen über all die Jahre nicht aus. "Ganz ehrlich: Ich hatte schon nicht mehr daran geglaubt, dass ich nochmal eine Chance bekomme."

Um Arbeitgebern die Einstellung von Langzeitarbeitslosen schmackhaft zu machen, winken hohe Zuschüsse, in den ersten beiden Jahren werden Lohnkosten sogar komplett ersetzt. Zudem ist, ähnlich wie bei Jugendlichen, für eine sozialpädagogische Betreuung gesorgt. Vor allem, wenn im Hintergrund noch Probleme wie Sucht, Schulden oder Hafterfahrung eine Rolle spielen. Dazu kommen Beihilfen für Weiterbildungen – oft eine Voraussetzung für nachhaltige Beschäftigung.

Übernahme nach fünf Jahren

Nach fünf Jahren, so der Ansatz, sollen die Betroffenen vollständig vom Betrieb übernommen werden. "Inzwischen wurden mehr als 360 solcher Stellenbesetzungen bewilligt", berichtet Fallmanager Oliver Thiel, der beim Jobcenter Nürnberg das Programm federführend betreut. Trotz lukrativer Förderung müssen er und seine Kollegen oft mit Engelszungen bei Arbeitgebern für das Modell werben und vor allem Ängste abzubauen.

Aber immerhin lassen sich nicht nur Hausmeister- oder Reinigungsdienste darauf ein, Vermittlungen gelangen auch schon in Bürojobs, als Praxishilfe bei einem Physiotherapeuten, als Tierpfleger, in ein Museum und Archiv und sogar ins besonders gebeutelte Gastgewerbe. Geduld und die Gabe zu motivieren, sind freilich auch bei der Suche nach geeigneten Bewerbern gefragt. "Wir laden Klienten, die die formalen Bedingungen erfüllen, zunächst zu Gruppengesprächen ein", erläutert Thiel, "die Teilnahme ist freiwillig. Dann zeigt sich, ob es zu konkreten Vorschlägen kommt".

Damit Arbeitgeber die geförderten Arbeitsverhältnisse nicht als bloßes und simples Lohnkosten-Sparprogramm missbrauchen, müssen sie ehemals Arbeitslose schon dauerhaft übernehmen, ehe sie bei der Einstellung eines Jobcenter-Klienten aufs Neue von dem Zuschuss-Programm profitieren können.

Verwandte Themen