"Feuerkrieg Division": Rechtsterror-Prozess gegen Oberpfälzer gestartet

19.11.2020, 10:26 Uhr
In Nürnberg hat am Donnerstag der Prozess gegen einen 23-Jährigen begonnen, der als mutmaßliches Mitglied der rechtsterroristischen "Feuerkrieg Division" einen Anschlag geplant haben soll. 

© Roland Fengler, NNZ In Nürnberg hat am Donnerstag der Prozess gegen einen 23-Jährigen begonnen, der als mutmaßliches Mitglied der rechtsterroristischen "Feuerkrieg Division" einen Anschlag geplant haben soll. 

Er präsentierte sich im Kampfanzug, posierte mit einem selbst gebautem Gewehr, predigte Hass und wollte ausgerechnet durch einen Anschlag auf ein Gotteshaus „ein Heiliger“ werden: Im größten Saal des neuen Strafjustizzentrums an der Fürther Straße in Nürnberg hat die Hauptverhandlung gegen Fabian D. begonnen.

Der Prozess lockt Kamera-Teams, Fotografen und Reporter aus dem ganzen Land herbei. Denn es ist das erste Mal, dass ein mutmaßliches Mitglied der international vernetzten, rechtsterroristischen Gruppe „Feuerkrieg Division“ vor einem deutschen Gericht angeklagt wird. Im Chat gab er sich den Kampfnamen „Heydrich“ und nun sitzt hier Fabian D., ein 23-Jähriger. Er trägt einen dunklen Anzug, die Haare ordentlich frisiert, sein Gesicht verbirgt er vor den Kameras hinter einem blauen Schnellhefter.

Fabian D. will Stellung nehmen

Er stammt aus einem 2000-Seelen-Dorf aus dem Landkreis Cham, lässt sich von den Verteidigern Christian Schulz und Benedikt Kuchenreuter flankieren und lässt erklären, dass „objektiv alles stimmt, was ihm die Anklage vorwirft“, aber natürlich habe er nie einem Menschen „Leid zufügen wollen“. Zunächst sagt er selbst kein Wort, doch die Anwälte erklären, Fabian D. wolle zu den Vorwürfen noch Stellung nehmen.


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Wollte er im Chat mit Rechtsradikalen nur angeben? Es ist leicht, sich in der virtuellen Welt wichtig zu machen. Propaganda und Videos, Bilder und Schriften sind über soziale Netzwerke und den russischen Messengerdienst Telegram schnell verschickt. Und wenn man sein eigenes Gesicht hinter einer Totenkopf-Maske verbirgt, wie Fabian D. auf seinem Profilbild im Chat, geht es auch ganz leicht, im Internet-Chat mit einer Fotografie von Adolf Hitler zu posen, und sich mit einem selbst gebauten Gewehr zu zeigen.

Andere Anschläge als Inspiration

Aber so einfach ist es eben doch nicht. Denn bekannt ist auch, dass Rechtsradikale extrem gut vernetzt sind. Ein einzelner junger Mann in der Oberpfalz kann sehr weit von einem Extremisten in Litauen entfernt chatten, doch in der Gesinnung ganz nah sein.


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So wird es auch ganz leicht, sich via Internet weiter zu radikalisieren, sich durch den Applaus, den die Angeberei einbringt, aufzuplustern – längst ist in der Kriminalpsychologie bekannt, dass sich etwa Amokläufer von Berichten anderer Amokläufer inspirieren ließen, während sie planten, selbst als Massenmörder groß rauszukommen. Deshalb standen im realen Leben die Ermittler der Kripo Regensburg am 5. Februar 2020 vor der Tür des Elternhauses des Fabian D. und zogen ihn aus dem Verkehr.

Dass er nicht nur hinter der Tastatur seines Rechners wilde Reden geschwungen hatte, war schon zu diesem Zeitpunkt offensichtlich: Sein Pseudonym „Heydrich“ wurde im Chat von 30 bis 40 Mitgliedern durchaus verstanden.

"Werkzeuge nutzen"

Wohl in Anspielung auf den SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich, der mit der „Endlösung der Judenfrage“ betraut war, wies ein Feuerkrieg-Division-Kamerad im Chat auf die tödlichen Folgen hin, die Chloringas in geschlossenen Räumen haben kann. Doch „Heydrich“ wollte lieber „Werkzeuge nutzen“ und „es nah und persönlich machen“, gab er zurück.

Tatsächlich fanden die Ermittler bei der Hausdurchsuchung Waffen und Waffenteile, die Ermittlungen liefen bei der Generalstaatsanwaltschaft München, als Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus ist sie in ganz Bayern für Verfahren mit terroristischen und extremen Bezügen zuständig. Und so ist Oberstaatsanwalt Maximilian Laubmeier aus München nach Nürnberg angereist, um im Sitzungssaal die Anklage zu vertreten.

Waffen an die Großeltern schicken lassen

Fabian D. hatte sich ein Sturmgewehr der Marke Kalaschnikow, Modell AK 47, als Deko-Nachbau aus dem Internet bestellt; es sollte ihm, dem gelernten Elektriker, als Vorlage für den Umbau dienen.

Er investierte 600 Euro und verschaffte sich das Originalgehäuse eines Sturmgewehrs der Marke Zastava, er erwarb Zubehör für das AK 47, darunter einen Verschlussdeckel, einen Ladestreifen und einen Putzstock. Er besorgte ein Leuchtpunktzielgerät und ließ all dies per Post an seine Großeltern schicken. In Cham suchte er das Waffengeschäft „Kuchenreuter“ auf, kaufte zwei Luftdruckgewehre, zwei Schreckschusspistolen und einen Schreckschussrevolver.

Terrormanifeste gegoogelt

Den Ermittlungen zufolge hatte Fabian D. im Keller seines Elternhauses und im Garten der Großeltern geübt, zu schießen. Und im August 2019 soll er einen Schießstand im tschechischen Hostouň besucht haben – um den Umgang mit dem Sturmgewehr AK 47 und einer Maschinenpistole MP („Uzi“) zu lernen.

Fabian D. war ein Waffennarr, und er lud Anleitungen zum Sprengstoff-und Bombenbau aus dem Internet herunter. Bis zu seiner Festnahme als Elektriker im Schichtdienst gearbeitet.

Wollte Fabian D. wirklich niemandem Leid zufügen, wie er zu Prozessbeginn erklären lässt? Laut Anklage suchte er im Internet nach Manifesten unterschiedlicher Attentäter und Terroristen und recherchierte angeblich auch, wie diese Männer bei den Anschlägen vorgingen.

Fabian D. suchte Attentäter aus USA und Neuseeland

Am 4. August 2009 erschoss George Sodini in einem Fitnessstudio in Bridgeville (USA) drei Frauen und verwundete weitere neun Frauen, bevor er sich das Leben nahm. Am 15. März 2019 erschoss Brenton Tarrant in Christchurch in Neuseeland in der Al-Noor-Moschee 42 Menschen. Er filmte die Tat für einen Livestream, dann tötete er in der Linwood-Moschee sieben Menschen.

Auch Stephan Balliet filmte, wie er am 9. Oktober 2019 schwer bewaffnet versuchte, in der Synagoge von Halle ein Massaker anzurichten. Dort feierten zu diesem Zeitpunkt 52 Menschen Jom Kippur, den höchsten jüdischen Feiertag. Als er nicht in die Synagoge gelangte, erschoss er eine vorbeikommende Passantin und einen Mann in einem Döner-Imbiss.

Urteil voraussichtlich noch im Dezember

Für diese Attentäter hatte sich Fabian D. interessiert. Warum? Die Richter der Staatsschutzkammer am Landgericht Nürnberg-Fürth wollen einen Waffensachverständigen hören und eine Psychiaterin. Polizisten und Zeugen aus Fabian D.s Umfeld werden befragt.

Ob auch er als Massenmörder traurige Berühmtheit erlangen wollte - die Strafkammer kalkuliert derzeit für die Beweisaufnahme mit vier Verhandlungstagen, das Urteil soll voraussichtlich am 4. Dezember gesprochen werden.