Film-Crew setzt Nürnberg fürs Kulturhauptstadt-Finale in Szene

23.10.2020, 09:50 Uhr
Aus dem Rohbau des Deutschen Museums beim Augustinerhof – im Bild die Aufbauarbeiten der Constantin Film – sendet die zehnköpfige Delegation für die Kulturhauptstadt-Bewerbung heute alles, was die Jury für Nürnberg einnehmen soll.  

© Olivia Barth-Jurca, Bewerbungsbüro N2025 Stadt Nürnberg Aus dem Rohbau des Deutschen Museums beim Augustinerhof – im Bild die Aufbauarbeiten der Constantin Film – sendet die zehnköpfige Delegation für die Kulturhauptstadt-Bewerbung heute alles, was die Jury für Nürnberg einnehmen soll.  

Die Hauptmarkthändler werden ihr Gemüse verkaufen, die Männlein an der Frauenkirche laufen wie immer. Niemand wird bemerken, dass sich an diesem Freitagvormittag um die Ecke, beim Augustinerhof, eine Riesenzukunftsentscheidung ein Stück weiter klärt. Als letzte der fünf Bewerberstädte bekommt Nürnberg Besuch von den Abgesandten der Europäischen Union, die den Titel "Kulturhauptstadt Europas 2025" nach Deutschland vergeben.

Es gibt ein Problem: Diese Jury, fünf der insgesamt zwölf Preisrichter, ist im Zukunftsmuseum an der Augustinerstraße zu Besuch – und gleichzeitig nicht da. Denn die Juroren sitzen zu Hause in Polen, Bulgarien, Portugal und Deutschland vor dem Internet und verfolgen eine Übertragung, anstatt die Finalistenstädte zu bereisen. Wegen der Corona-Pandemie geht der 1985 gegründete Wettbewerb erstmals in eine rein digitale Endrunde.

210 Minuten Live-Stream

Dreieinhalb Jahre nach seiner Eröffnung erlebt das Kulturhauptstadt-Bewerbungsbüro damit seinen Tag mit dem größten Leistungsdruck. Dreimal 70 Minuten Live-Sendung sind vorgeschrieben, vorproduzierte Beiträge und Videobotschaften inbegriffen, dazwischen Fragerunden. So sollen die Städte den Gutachtern ihre Programme und Ziele erläutern, die sie im Bewerbungsbuch schriftlich dargelegt haben.


So kommt die Jury-Entscheidung für die "Kulturhauptstadt Europas" zustande


"210 Minuten, bitte, das ist der erste Teil von ,Herr der Ringe‘!" Hans-Joachim Wagner, der Leiter des Bewerbungsbüros, klingt halb euphorisch, halb entsetzt. Tatsächlich übernimmt eine Kinoproduktionsfirma die Technik. Die Constantin Film aus München ("Fack ju Göhte", "Der Schuh des Manitu") erhielt den Auftrag aus Nürnberg.

Rund 50 Akteure und fast noch einmal so viele Mitarbeiter hinter den Kameras muss die Regie unter einen Hut bringen. Im Spielzeugmuseum und Rathaus können sie sich vorbereiten, an einem Foodtruck essen. Übersetzer sind dabei (gesendet wird auf Englisch), Künstler, Oberbürgermeister und Kulturbürgermeisterin, Projektpartner – und als bekannteste Lokalprominente die Generalmusikdirektorin des Staatstheaters, Joana Mallwitz.

Abgeschottet wegen Corona

Die Finalisten erleben die Digitalisierung als ziemlichen Stimmungskiller. Am schwierigsten sei es, "die spezifische Atmosphäre Nürnbergs emotional und authentisch rüberzubringen", findet Wagner. "Nürnberg lebt von Widersprüchen und Kontrastreichtum. Jetzt können wir mit der Jury nicht einfach mal zum Hauptmarkt, zum Germanischen Nationalmuseum und zum Plärrer laufen. Niemand kann unterwegs die Rostbratwürste riechen und sehen, was diese Stadt ausmacht."

Trotzdem findet der Bewerbungschef: "Wir haben spannende Menschen dabei, es wird für die Jury nicht langweilig." Der Neubau des Zukunftsmuseums beim Augustinerhof, noch eine Baustelle, sei der passende Ort. "Mit der Kulturhauptstadt-Bewerbung bauen wir ja an der Zukunft." Vorgesehen sind Gesprächsrunden, kurze Aufführungen, dazu Filmclips, etwa über das Reichsparteitagsgelände, das Pellerhaus oder die Metropolregion. "Wir sind keine Fernsehprofis, es dürfen auch Fehler passieren", sagt Wagner.

Traditionell finden die Städtebesuche der Jury größtenteils hinter verschlossenen Türen statt. Auch die Live-Übertragungen sind nun nicht öffentlich. Die Konkurrenten Hannover, Hildesheim, Chemnitz und Magdeburg riegelten ihre Dreharbeiten in dieser Woche aber weit weniger geheimnisvoll ab, verbanden sie mit Rundgängen und Kunstaktionen. In Nürnberg waren am Donnerstag bei der Probe selbst Medienvertreter nicht zugelassen.

Spannung bis zum 28. Oktober

Hans-Joachim Wagner macht deutlich, dass man wegen der aktuell kritischen Corona-Infektionszahlen auf Nummer extrasicher gehen wollte. "Wir haben eine Vorbildfunktion."

Teil zwei der digitalen mündlichen Prüfung folgt am kommenden Dienstag. Dann interviewen die Juroren die Nürnberger Delegierten per Videoschalte. Die erfahren am Tag darauf, am 28. Oktober um 13 Uhr, endlich, ob sich alles gelohnt hat.

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