Handel mit angeblichem Krebsmittel: Mildes Urteil für Ehefrau

19.12.2019, 09:01 Uhr
Das Ehepaar führte das Unternehmen, das "Rerum" und ähnliche Produkte vertrieb, gemeinsam. Der Mann wurde bereits verurteilt. (Symbolbild)

© DPA Das Ehepaar führte das Unternehmen, das "Rerum" und ähnliche Produkte vertrieb, gemeinsam. Der Mann wurde bereits verurteilt. (Symbolbild)

Auf mehreren Rollwägen stapeln sich Dutzende Ordner mit Akten zu dem Fall, der bereits im Frühjahr für überregionales Aufsehen gesorgt hat. Damals stand Walter P. (Name geändert) wegen Inverkehrbringens von bedenklichen und nicht zugelassenen Arzneimitteln vor der 7. Strafkammer des Landgerichts. Es ging um ein relativ wirkungsloses Vitamin-Präparat, das P. und seine Ehefrau als Wundermittel gegen Krebs verkauft hatten.

In einem Prozess, der sich über mehrere Monate zog, wurde der promovierte Volkswirt und Heilpraktiker am Ende zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Die Richter befanden damals, dass P. mit den Hoffnungen todkranker Patienten gespielt hat. Die Präparate seien wegen der Heilsversprechen und der Art und Weise, wie sie präsentiert wurden, sowie wegen des enthaltenen Alkohols als Arzneimittel einzustufen. Und damit hätte der 63-Jährige nicht handeln dürfen, so die Richter. Seit Mittwoch steht nun auch Walter P.s Ehefrau (49) vor Gericht.

"Rerum" sei ein echtes "Produktwunder", es gebe Behandlungserfolge bei Krebs, Autismus, aber auch bei Knieschmerzen, pries Walter P. seine kleinen Glasfläschchen, die vor allem Oliven- und Sojaöl sowie einen Auszug aus Fischknorpeln enthielten, an.

Geschäfte von Zypern aus

Laut Zeugen, die in dem Verfahren gegen den Heilpraktiker aussagten, glaubte der Mann tatsächlich an die Wirksamkeit. Wissenschaftliche Studien dazu gab es aber nicht.

Das Ehepaar führte das Unternehmen, das "Rerum" und ähnliche Produkte vertrieb, gemeinsam. Ein Firmensitz befand sich zuletzt in Altdorf bei Nürnberg. 2013 verlegte das Ehepaar seinen Wohnsitz nach Zypern und wickelte von dort aus die Geschäfte in Franken ab.

Laut Staatsanwalt Philip Engl war die Arbeitsteilung der beiden geschäftsführenden Gesellschafter klar verteilt: Während Astrid P. (Name geändert) vorwiegend für die Buchhaltung und kaufmännische Fragen zuständig war, sorgte ihr Ehemann für die Vermarktung, unter anderem über Vorträge, Messen und Kongresse. Sie boten die Glasfläschchen, die sie für sieben Euro bei einem Hersteller im Harz einkauften, über Handelsplattformen im Internet für über 300 Euro an.

Relativ mildes Urteil

Die Differenz sei keineswegs der Gewinn, sagte die angeklagte 49-Jährige gestern vor Gericht. 75 Euro pro Fläschchen seien an einen italienischen Mikrobiologie-Professor gegangen, der das Produkt erfunden habe. Hinzu kämen weitere Kosten, etwa für Entwicklung, mitgeschicktes Zubehör, Lagerung, Marketing und Vertrieb. Die Produktkosten hätten bei über 100 Euro gelegen, so die gelernte Industriekauffrau.

Über ihre beiden Verteidigerinnen Annette von Stetten und Martina Schultzky legte die gebürtige Nürnbergerin vor der 7. Strafkammer ein umfassendes Geständnis ab. Zuvor hatten sich Gericht, Staatsanwalt und die Verteidigerinnen hinter verschlossenen Türen geeinigt: Sollte die Geschäftsfrau gestehen und rasch 200.000 Euro Schadenswiedergutmachung an die Staatskasse zahlen, kann sie mit einem relativ milden Urteil von zwei Jahren bis zu zweieinhalb Jahren Gefängnis rechnen.

Da die Frau schon seit Mitte 2018 in Auslieferungshaft in Zypern und seit Mai 2019 in Untersuchungshaft in der JVA Aichach sitzt, würde sie bei einer Verurteilung, die für Anfang 2020 erwartet wird, bald auf freien Fuß kommen. Der Prozess wird im Januar fortgesetzt. Unter anderem werden dann Ermittler und Sachverständige befragt.