Inzidenz-Roulette: Familien und Schulen brauchen Verlässlichkeit

22.2.2021, 17:02 Uhr
Gerade mal einen Tag Präsenzunterricht gab es diese Woche in Nürnberg, dann stieg der Inzidenzwert erneut über die kritische Marke von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner.

© Gregor Fischer, dpa Gerade mal einen Tag Präsenzunterricht gab es diese Woche in Nürnberg, dann stieg der Inzidenzwert erneut über die kritische Marke von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner.

Haben Sie Kinder im Grundschulalter? Dann wissen Sie, wie groß die Freude auf einigermaßen normalen Unterricht sein kann. Gleiches gilt für die Jüngsten, die nach Monaten in den heimischen vier Wänden erstmals wieder ihre Kita-Freunde sehen konnten. So war das gestern. Heute heißt es mancherorts schon wieder: zu Hause bleiben. Genau einen Tag währte die Freude beispielsweise in Nürnberg – weil der Inzidenzwert in der Noris am Montag die 100er-Marke überschritten hat.

Am Ende bleiben Arbeit, Haushalt und Betreuung weiter an den ohnehin überlasteten Eltern hängen. Die haben – auch dort, wo die Zahl der Corona-Infektionen noch niedrig ist – den Glauben an lebensnahe Vorgaben seitens der Politik ohnehin reihenweise verloren.

Aus gutem Grund: War vor kurzem noch die Rede von einem verlässlichen Testszenario insbesondere an den Schulen, kann davon vielerorts noch nicht die Rede sein. Markus Söders Ruf nach einer nationalen Teststrategie kommt der Suche nach einer Ausrede gleich. Kein Mensch würde die Landesregierung hindern, selbst ein System einzuführen.

Verzweifelte Eltern, überforderte Schulleitungen, verunsicherte Lehrkräfte und natürlich zahllose Kinder, und Jugendliche, denen es an Struktur mangelt – die angekündigte Rückkehr in den Alltag sieht anders aus. Wer in Bayern zum Beispiel die elfte Klasse eines Gymnasiums besucht, blickt von Tag zu Tag besorgter auf das in gut einem Jahr bevorstehende Abitur: Wie und vor allem wann sollen die vorgesehenen Leistungskontrollen erbracht werden?

Auf Antworten warten Betroffene vergeblich. Stattdessen öffnen in Bayern die Gartenmärkte am 1. März, parallel zu den Frisören. Wenn die von Ministerpräsident Söder angekündigte "intelligente Öffnungsmatrix" so aussieht, dann stehen uns düstere Wochen bevor. Der Eindruck, dass die Politik überfordert ist, drängt sich immer auf.

Gefahr der Willkür

Zweifelsohne ist der Grat zwischen berechtigten Sorgen vor den Mutationen des Coronavirus und den ebenso nachvollziehbaren Wünschen vieler Bürger nach einer Öffnung schmal. Und doch darf mehr von den Regierungen in München und Berlin erwartet werden als derzeit geliefert wird. Wenn schon Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) vor staatlicher Willkür warnt, so kann dies als Aufforderung zu einer Rückkehr der parlamentarischen Debattenkultur verstanden werden.

Den Landtag weiterhin nur zum nachträglichen Abwinken der vom Kabinett beschlossenen Maßnahmen einzusetzen, widerspricht zunehmend der Würde dieses Parlaments. Zumal aus den Reihen der Opposition durchaus konstruktive Vorschläge für eine schlüssigere Krisenpolitik kommen. Einer davon lautet: Bei den Inzidenzwerten mit einem gewissen Puffer zu arbeiten, um den Schülern das Hü und Hott künftig zu ersparen.

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