Kirche unterstützt in Nürnberg Sexualpädagogik an Schulen

16.11.2019, 13:34 Uhr
350 freiberufliche MFM-Trainer schulen heute Viert- bis Zehntklässler meist nach Geschlechtern getrennt.

© dpa 350 freiberufliche MFM-Trainer schulen heute Viert- bis Zehntklässler meist nach Geschlechtern getrennt.

Rund eine Million Jungen und Mädchen haben mittlerweile einen MFM-Kurs durchlaufen, überschlägt Elisabeth Raith-Paula stolz. Was die Frauenärztin aus München 1999 erfand, ist zur Marke geworden, am bekanntesten in Süddeutschland und bereits exportiert nach China, in den Senegal und die USA. Der Verein "My Fertility Matters" (MFM), auf Deutsch "Meine Fruchtbarkeit zählt", vermittelt Kindern an der Schwelle zur Pubertät, was sich im männlichen und weiblichen Körper tut – und warum "das da unten" nicht peinlich, sondern ein wahrer Schatz ist.


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Den Anstoß dazu habe sie einst durch ihre Doktorarbeit über die Selbstbeobachtung des weiblichen Zyklus bekommen, berichtet die Medizinerin anlässlich des Festakts zum 20. Geburtstag an diesem Samstag im Caritas-Pirckheimer-Haus. Dieses "Geheimwissen", stellte sie fest, "muss öffentlich viel bekannter werden". Aus einem Volkshochschul-Vortrag für Mütter entwickelte sie halbtägige Workshops für Schulklassen, erst für Mädchen, später für Jungs. 350 freiberufliche MFM-Trainer schulen heute Viert- bis Zehntklässler meist nach Geschlechtern getrennt. Die Kurse heißen "Körperwunderwerkstatt", "Zyklusshow" oder "Agenten auf dem Weg" und funktionieren wie Theaterspiele mit fantasievollen Requisiten. Die katholische Kirche ist der wichtigste Partner der Initiative, fördert sie in 13 der 27 deutschen Diözesen mit Personal und teilweise mit Zuschüssen.

Auseinandersetzung mit Verhütung

Jene Kirche, die Verdikte über Pille, Kondom, Homosexualität und Abtreibung ausspricht? "Die katholische Kirche hat keinen Zugriff auf unsere Inhalte", versichert MFM-Vorstandsmitglied Max Wolf. Beispielsweise befasse sich der Jugendlichen-Kurs "Waagemut" intensiv mit Verhütung, berichtet Vorstandsvorsitzende Elisabeth Wiedenhofer. Die kirchlich befürwortete "Natürliche Familienplanung" komme vor, aber niemand empfehle hier eine bestimmte Methode, sondern allein die eigenverantwortliche Entscheidung.


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Von nichtkonfessioneller Seite erntet MFM milde Kritik. Das Programm wähle gerade für jüngere Kinder sehr ansprechende Formen der Wissensvermittlung, lobt etwa Simone Hartmann, Sexualberaterin bei Pro Familia Nürnberg. Allerdings greife es aus fachlicher Sicht etwas zu kurz und verlange nach Ergänzung. Durch die Zuspitzung auf die Fruchtbarkeit blieben Aspekte von Sexualität außen vor: Selbstbefriedigung, Schönheitsideale, sexuelle Vielfalt, Pornografie – damit seien heute durchaus schon Grundschüler beschäftigt.

Skepsis nach Skandalen

"Anschauen, dann urteilen", wünscht sich Angelika Schmitt, die beim Erzbistum Bamberg das MFM-Angebot für Nürnberg betreut. Sie ist Vorbehalte von Eltern in religionsferneren Zeiten gewohnt – erst recht nach jedem neuen Kirchenskandal. Die Skepsis zerstreue sich aber bei den vorbereitenden Elternveranstaltungen. Elisabeth Raith-Paula erklärt es so: "Mit der urchristlichen Botschaft, dass jeder Mensch wertvoll ist so wie er ist, können sich doch 99 Prozent aller Menschen wohlfühlen."

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