Knoblauchsland: So schützen Erntebetriebe ihre Saisonkräfte vor Corona

31.8.2020, 05:53 Uhr
Ein Anblick, den man inzwischen kennt: Desinfektionsspender gehören zum Alltag. Auch auf den Feldern im Knoblauchsland.

© Julia Vogl Ein Anblick, den man inzwischen kennt: Desinfektionsspender gehören zum Alltag. Auch auf den Feldern im Knoblauchsland.

Zugegeben: So richtig idyllisch ist es im Knoblauchsland nicht mehr. Die meisten Betriebe sind längst hoch spezialisiert und technisiert – die Ernte soll schließlich sicher sein. Und doch mutet der Desinfektionsmittel-Spender direkt vor dem Feld in Schnepfenreuth ungewohnt an. Er ist aber nötig. Direkt neben dem Spender geht es schließlich ins Büro von Peter Höfler. "Corona" steht auf einem dicken Ordner, den der Kreisobmann des Bayerischen des Bauernverbandes dort vor sich auf dem Tisch liegen hat.

"Bürokratie", sagt er. Er weiß, dass sie ihn nicht so sehr trifft, wie manch anderen Gemüsebauern im Norden der Stadt. "Als großer Betrieb kann man mit bürokratischen Auflagen leichter umgehen", sagt er. Er konnte einen Mitarbeiter für die Einhaltung der Vorschriften abstellen. 90 Mitarbeiter arbeiten bei ihm, 60 bis 70 davon sind – je nach Saison – Erntehelfer aus dem Ausland. Auf dem Hof stehen Autos mit ausländischen Kennzeichen. Polen, Rumänien – da kommen die meisten der Saisonkräfte her. Mittlerweile dürfen sie wieder mit dem Auto einreisen – auch dann, wenn sie ihren Heimaturlaub im Risikogebiet verbracht haben. Nur: Wie verhindert man, dass sie bei der Arbeit ihre Kollegen anstecken?

Zahlreiche Kräfte aus dem Ausland

Höfler hat Glück – er hatte die perfekte Infrastruktur schon vor der Corona-Krise auf dem Hof stehen. Vor vier Jahren erst hat er eine neue Unterkunft für seine Mitarbeiter gebaut. Damals noch vor dem Hintergrund, dass man guten Mitarbeitern eben etwas bieten muss, wenn man sie an den Betrieb binden will – bei Höfler werden eigentlich fast das ganze Jahr über Kräfte aus dem Ausland gebraucht. Geräumige Doppelzimmer gibt es hier, jedes mit einem eigenen Bad und einer Küchenzeile. Abstand halten kann man hier ohne Probleme. Wer aber frisch aus Rumänien kommt und keinen negativen Abstrich-Test vorweisen kann, der muss erst einmal in einen Container ziehen und auf ein Test-Ergebnis warten, bis er mit seinen Kollegen auf dem Feld und im Gewächshaus arbeiten kann.

"Wir tun alles, was möglich ist", sagt Höfler. Eine beratende Kontrolle mit dem Gesundheitsamt und dem Bauernverband, eine ständig aktuelle Liste, wer gerade an- oder abgereist ist, Fiebermessen jeden Montag, mehrsprachige Hinweisschilder an allen Türen, Abstands- und Maskengebot, ein Reinigungsdienst, der sechs Tage in der Woche desinfiziert... "Wir sind so aufgestellt, dass die Infektionskette – sollte es doch einen Fall geben – nachvollziehbar ist und es keinen kompletten Ausfall gibt", sagt er. Die Ernte wartet schließlich nicht.

Großer Abstand und Desinfektionsmittel

Auch ein paar Höfe weiter in Höfles hat man sich längst auf die Pandemie-Vorschriften eingestellt. Erntehelferin Anna kümmert sich gerade um die Gurken im Gewächshaus bei Gemüsebau Sippel. Ihr Desinfektionsmittel hat sie immer dabei. "Wir haben allen Mitarbeitern kleine Fläschchen damit gegeben", sagt Chefin Sabrina Sippel. "So können sie sich jederzeit und überall die Hände desinfizieren." Auch hier herrscht Maskenpflicht. Immer dann, wenn sich die Mitarbeiter sonst zu nahe kommen.

Zwischen den Gurken-Reihen kann aber natürlich auch ohne Mundschutz gearbeitet werden. Der Abstand zu den Kollegen ist dort groß genug. Sorgen vor einer Ansteckung über das Gemüse braucht man sich als Verbraucher deshalb nicht zu machen. "Es gibt derzeit keine Fälle, bei denen nachgewiesen ist, dass sich Menschen über den Verzehr kontaminierter Lebensmittel mit dem neuartigen Coronavirus infiziert haben", heißt es vom Bundesinstitut für Risikobewertung. Außerdem: "Das Gemüse wird ja sowieso gewaschen", sagt Willi Sippel.

Geschäftsmodell weggebrochen

Wie die Höflers hatten auch die Sippels Glück im Unglück: Viel ist eigentlich nicht kaputt geworden. Klar: Die Gastronomie ist als Abnehmer zwischenzeitlich ausgefallen. Ein Feld mit Salat, der eigentlich für Restaurants gedacht war, wurde am Ende eben von Hühnern abgeerntet. Ebenfalls nicht verkauft: die krummen Gurken, die normalerweise ebenfalls in der Gastronomie landen. Dafür aber wurde privat mehr gekocht und entsprechend auf den Wochenmärkten eingekauft. Es gibt aber auch Betriebe im Knoblauchsland, denen durch Corona das ganze Geschäftsmodell weggebrochen ist: Es sind die, die ihr Gemüse küchenfertig liefern.

Höhere Kosten haben die Betriebe nun auch alle zu tragen. So haben etwa nicht nur die Höflers und Sippels einige Saisonkräfte heuer schon früher zu sich bestellt. Schon im Februar wurden so Gehälter bezahlt für Mitarbeiter, die eigentlich erst im April hätten kommen sollen. "Aber sie waren vor dem Lockdown da", sagt Höfler. Warum gerade die Kräfte aus dem Ausland so wichtig sind? Willi Sippel erklärt es an einem Beispiel: "Wir hatten bestimmt 50 bis 100 Anfragen von fachfremden Menschen", erzählt er. "Ich wäre bereit gewesen, das zu versuchen und sie anzulernen", sagt er. Die drei jungen Frauen aus der Gastronomie, die er eingeladen hat, sind aber gar nicht erst am Gewächshaus aufgetaucht.

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