"Kony": Wo Eltern nach dem Tod ihres Kindes Hilfe finden

25.11.2020, 16:13 Uhr
Jürgen und Anna Laibold haben ihren Sohn Konrad verloren. Er starb 2006 mit 18 Jahren an Krebs. Ihr ehrenamtlicher Einsatz für Gleichgesinnte tröstet sie langfristig.

© Isabel Lauer Jürgen und Anna Laibold haben ihren Sohn Konrad verloren. Er starb 2006 mit 18 Jahren an Krebs. Ihr ehrenamtlicher Einsatz für Gleichgesinnte tröstet sie langfristig.

Manchmal, wenn Jürgen Laibold mit seiner Frau unterwegs ist, stupst er sie an. "Schau mal, das könnte er sein." Da läuft dann auf der Straße ein junger Mann, der von Weitem so aussieht wie Konrad. Kurze dunkle Haare, kräftiger Teint, hoch aufgeschossen. Konrad, genannt Kony, wäre heute Anfang 30. Wo würde er wohl wohnen, was hätte er nach dem Abi gemacht? Hätte er eine Frau, Kinder? Konrad Laibold starb mit 18 an Krebs.

"Unser Sohn ist uns ein Vorbild. Er war sehr sozial. Er hatte einen großen Freundeskreis, spielte in einer Band, war in der Kirche aktiv, ist mit jedem zurechtgekommen." So begründen Jürgen und Anna Laibold, warum sie in ihrem Wohnzimmer in Kalchreuth nicht nur immer wieder Journalisten empfangen, sondern auch Fremde, mit denen sie allein das Schicksal teilen.

Sie gehen auch sonntags ans Telefon

Ein Jahr nach dem Tod ihres jüngeren von zwei Söhnen gründeten sie 2007 den Verein "Kony e.V." für verwaiste Eltern und Geschwister. Bis heute organisieren sie Gruppentreffen, bei der bis zu 40 Betroffene ihre Trauer teilen. Sie reisen weit aus dem Umland an für Gespräche, Kaffee und Kreativarbeit im Gemeindehaus. Die Laibolds nehmen auch sonntags das Telefon ab, wenn jemand in seiner Verzweiflung nicht weiß, wohin. "Das ist unsere Art der Bewältigung."


Hilfsangebote für trauernde Eltern und Geschwister gibt es auch in der Offenen Kirche St. Klara in Nürnberg sowie beim Trauerprojekt Lacrima der Johanniter Mittelfranken für Kinder und Jugendliche


Wenn Eltern ihr Kind verlieren, gibt es keinen Trost. Durch keinen Verein der Welt. Das rastlose Arbeiten für das Ehrenamt lässt einen höchstens spüren, dass das Leben nicht auf ewig stillsteht. Anna Laibold sagt, sie habe es gern symbolisch betrachtet, dass das Gruppentreffen, das sie "Café Zukunft" nennen, lange Jahre im alten Kalchreuther Bahnhof stattfand, bis der Platz dort nicht mehr reichte. Mit Blick auf die Züge. Die vor einem anhalten wie das Schicksal, aber weiterrollen, das Ziel noch unsichtbar. "Wir wissen, dass man sich nach so einem Ereignis im ganzen Leben neu aufstellen muss. Ich sage immer: Irgendeine neue Ordnung kommt. Ihr werdet es spüren, es können Kleinigkeiten sein, aber ihr müsst sie auch ergreifen, wenn ihr nicht verharren wollt."

Anna Laibold konnte zum Beispiel nicht mehr in ihren Beruf zurückkehren. Sie war Kinderkrankenschwester und sah sich außerstande, noch Glaube an Medizin und Heilung auszustrahlen. Auch mit Religion kann sie seit Konrads Tod nichts mehr anfangen. Aber: "Das Leben hat uns dahin geführt. Man geht stärker daraus hervor."

"Gelernt, damit zu leben"

Jürgen Laibold war bis zum Ruhestand als Ingenieur tätig. Er sagt, sein Horizont habe sich mehr ins Soziale erweitert, ins Reflektieren und Reden über Gefühle und Gedanken. Nach fünf Jahren habe sich der Schmerz langsam verändert, erzählt der 68-Jährige. "Man hat gelernt, damit zu leben. Man kann die Trauer bewusster steuern."

Es gebe viele Menschen, die nicht verstehen könnten, warum sie sich mit der Selbsthilfegruppe freiwillig wieder und wieder dem Verlusterlebnis aussetzten, erzählt das Ehepaar. Oder warum sie gleichzeitig auch viel lachen könnten. Der Tod des Kindes sei halt wie ein Gen, das anderen Eltern fehle.

Eltern kommen wieder auf die Beine

Die Laibolds müssen sich mitunter schützen, wenn Ratsuchende zu viel bei ihnen abladen. Aber es mache sie zufrieden zu sehen, wenn sich jemand weiterentwickle. Sie denken an Eltern, die doch wieder einen Weihnachtsbaum aufstellen, obwohl sie das für unmöglich erklärt hatten. Oder an eine Mutter, an deren Garderobe man ablesen konnte, dass sie wieder Freude an ihrem Äußeren bekam.

"Durch unseren Kony haben wir so viele Leute kennengelernt", sagt sein Vater. "Um nichts in der Welt hätte ich ihn dafür eingetauscht. Aber er hat uns so viele Türen geöffnet, das macht uns Mut."

Kontakt: kony-ev.de, Spendenkonto: Kony e.V., Sparda-Bank Nürnberg, IBAN DE39 7609 0500 0003 4505 20, Betreff "NZ-Leser helfen"

Verwandte Themen


Keine Kommentare