Optimismus bei den Nürnbergern

Nach Christkindlesmarkt-Absage: Ist der Weihnachtszauber zu retten?

26.11.2021, 05:55 Uhr
Statt der festlichen Budenstadt sind am Abend auf dem Hauptmarkt verlassene Holzhütten zu sehen.

© Stefan Hippel, NNZ Statt der festlichen Budenstadt sind am Abend auf dem Hauptmarkt verlassene Holzhütten zu sehen.

Wehmut und Rührseligkeit sind die verlachten Verwandten eines Gefühls, das jeden Nürnberger trifft, sobald der Freitag vor dem ersten Advent naht. Wenn die Christkindlesmarktbuden aufgebaut werden, riecht die Luft nach Weihnachten. Von fern sind klirrende Glühweintassen zu hören und das Lachen von Menschen, die sich umarmen. Ist der Abend der Eröffnung dann gekommen, erlöschen die Lichter auf dem Hauptmarkt, tritt das Mädchen in Gold auf die Empore der Frauenkirche – dann greifen sie nach einem: Wehmut, Rührseligkeit, Freude. Dann wird aus Kitsch reines Gefühl und aus den Holzbuden eine schimmernde Zauberstadt. Der Christkindlesmarkt ist in dieser Pandemie zum zweiten Mal abgesagt worden. Dennoch beginnt die Adventszeit – und wir haben nachgefragt: Was passiert an dem Tag, an dem die Eröffnung gewesen wäre? Wie lässt es sich locken, das Gefühl, dass bald Weihnachten ist?

Nelly (9 Jahre): "Zuerst wollten wir mit meiner Klasse am Samstag auf dem Weihnachtsmarkt am Zeltnerschloss Lieder singen. Dann wurde das abgesagt. Dann hat meine Lehrerin gesagt, wir singen unsere Weihnachtslieder im Innenhof vor einem Seniorenheim. Aber das geht auch nicht, wegen der Abstände und so. Da war ich zuerst traurig. Aber jetzt fahren wir zu meiner Oma und zu meinem Opa und ich darf meine Freundin mitnehmen. Darauf freue ich mich. Dann singen wir ihnen die Lieder vor. Und wir backen am Vormittag die ersten Plätzchen. Ich bin also auf jeden Fall in Weihnachtsstimmung. Auch weil ja dann das Haus geschmückt ist und der Adventskranz angezündet wird. Und auf meinen Adventskalender freu’ ich mich auch. Weil dann sind es nur noch 24 Türchen..." (Protokoll: kawa)

Verena Beck vom Marktamt: "Das ganze Jahr über beschäftige ich mich mit der Organisation des Christkindlesmarkts, und nun dieser Rückschlag. Seit der Absage mache ich die Rückabwicklung, die Händler kriegen ja zum Beispiel ihre Standgebühren zurück. Daheim mache ich es dafür umso festlicher, mehr als jemals zuvor, mit ganz viel Deko, Plätzchenbacken, und wenn die Weihnachtslieder im Radio kommen, ist man sowieso in Stimmung. Bei uns im Hof stellen wir jedes Jahr einen Riesentannenbaum auf, fünf, sechs Meter hoch. Die Schwiegereltern bestellen den schon immer im Sommer. Und wenn der mit Lichterketten und Kugeln geschmückt ist – dann fängt die Vorweihnachtszeit an." (Protokoll: ng)

"Ein bissel was geht immer"


Redakteurin Anette Röckl: Alle Jahre wieder: Freitag, 17.30 Uhr, es wird feierlich in meinem Redaktionsbüro. Denn gleich wird das Christkind zu mir aus dem Computer-Bildschirm sprechen. "Ihr Männer und Frau’n, die ihr einst Kinder wart" – wenn ich diesen Satz höre, werde auch ich immer wieder zum Kind. Die Gänsehaut stellt sich auch via Bildschirm zuverlässig ein. Dieses Jahr wird es mir wieder fehlen. Live bei der Eröffnung war ich zuletzt vor ein paar Jahren mit einer Besucherin aus Köln, die von Karnevalsumzügen Gedränge gewohnt ist. Menschen vor uns, hinter uns, Kinder – auf den Schultern der Eltern – über uns, Senf von allen Seiten, die Sicht aufs Christkind versperrt. Und trotzdem Gänsehaut und Stolz auf diesen einzigartigen Moment auf diesem einzigartigen Markt, den es nur in Nürnberg gibt. Nächstes Jahr hoffentlich wieder. Ich wünsche es mir vom Christkind. Heute um 17.30 Uhr mache ich mir vielleicht einen Glühwein heiß und lausche online dem Prolog von Christkind Benigna Munsi aus dem Jahr vor Corona. Um es mit Monaco Franze zu sagen: Ein bissel was geht immer. (arö)

Den heutigen Tag hatte sie sich ganz anders vorgestellt. Mehrere Tage pro Woche war Christkind Teresa Windschall zu Gast bei dem Nürnberger Sprechtrainer Thomas Dietz. Sie übten den Prolog wieder und wieder und wieder. Danach ging es zum Staatstheater – Kostüm probieren, Perücke richten, Krone anpassen. Denn auch wenn der Prolog als offizielle Eröffnung des Christkindlesmarkts heuer nur per Live-Stream im Fernsehen übertragen worden wäre, muss die Betonung sitzen, genauso wie Ornat, Haare und der goldene Kopfschmuck. "Ich habe mich wirklich sehr darauf gefreut", sagt Teresa Windschall. "Ehrlich gesagt, musste ich, als ich von der Absage gehört habe, ein paar Tränen unterdrücken." Auch für ihre Eltern sei die Absage ein kleiner Schock gewesen: "Sie waren auch sehr traurig für mich." Aber Teresa drängt sich in dieser Sache nicht in den Vordergrund, auch wenn das Hauptaugenmerk bei einer Eröffnung auf dem Christkind liegt: "Mir tut es vor allem leid für die Händler, die ihre Buden schon eingeräumt hatten", sagt die 17-Jährige. "Natürlich ist der Prolog eine wichtige Aufgabe des Christkinds, aber meine Tätigkeit endet damit ja noch nicht." Auch ohne Markt wird Teresa Windschall in der Adventszeit als Christkind Termine wahrnehmen – so viele, wie Corona eben zulässt. Den heutigen Tag verbringt die Gymnasiastin aber ganz anders als gedacht. Nachdem die Eröffnung ausfällt, geht sie in die Schule und schreibt eine Klausur. (tau)

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