Antisemitismus:

Nahost-Konflikt: Hassbotschaften auch an Nürnbergs Juden

16.5.2021, 17:04 Uhr
In Sorge um das Klima in der Stadt: Jo-Achim Hamburger.

© Stefan Hippel, NNZ In Sorge um das Klima in der Stadt: Jo-Achim Hamburger.

Wer die Israelitische Kultusgemeinde in Nürnberg besucht, begegnet herzlichen Menschen, mit dem großen Arno Hamburger konnte man hier, beim zu recht berühmten Apfelkuchen, wunderbar plaudern – über Gott und die Welt, das Leben, über Fußball, Arno Hamburgers Herz schlug laut für den 1.FC Nürnberg.


Der Antisemitismus ist unsäglich und untragbar


An diesem Vormittag fröstelt es einen, blickt man auf all die Nachrichten, die hier hundertfach eingehen, Botschaften von Islamisten, Neonazis, Antisemiten. Es sind ganz und gar abscheuliche Zeilen voller Hass. Jo-Achim Hamburger ist ein aufrechter, herzlicher und mutiger Mann, aber selbst der IKG-Vorsitzende muss ein paarmal fester schlucken, wenn er das liest. "Ich bin damit aufgewachsen, aber, ja, es ist dieser Tage schlimmer geworden", sagt der Sohn des 2013 verstorbenen Arno Hamburger.

Offener Brief an den OB

Die Terror-Organisation Hamas schießt aus dem Gaza-Streifen Raketen auf Israel, Israel wehrt sich – und hier, in Nürnberg, müssen sie die Sicherheitsmaßnahmen für die Gemeinde massiv verstärken, sie fühlen sich nicht nur bedroht, sie werden es, und tatsächlich sei es "eine Bedrohung in die Stadtgesellschaft hinein", schreiben Hamburger und der IKG-Geschäftsführer André Freund in einem Offenen Brief an den Oberbürgermeister.

Der hat schon angerufen, nach Marcus König meldet sich auch Thorsten Brehm, Vorsitzender der SPD-Stadtratsfraktion, bei Jo-Achim Hamburger, die Polizei sowieso, wiederholt. Es geht um Solidarität, um Zuspruch – aber auch um jene Veranstaltungen in Nürnberg, die "unter verharmlosenden Kundgebungstiteln", wie es in dem Offenen Brief heißt, zu "Pro-Hamas-Kundgebungen" werden. Man habe das, sagt Hamburger, leider wiederholt erleben müssen, er erinnert an 2014, als ein aufgehetzter Mob von über 3000 Menschen "antisemitische Parolen grölte, die in Nürnberg seit 1945 ungehört waren". Auch dieser Tage brannten wieder israelische Flaggen.

"Ein großer Schock"

Jo-Achim Hamburger hat eine Frau am Telefon, eine Deutsche aus Tel Aviv, wo auch seine 89 Jahre alte Mutter – derzeit in einem Bunker – und seine Schwester leben. Er reicht das Handy weiter. "Wie sich diese Tage auf das Leben und die Gesellschaft auswirken", sagt die Frau, "wird entscheidend sein für die Zukunft", sie mache sich große Sorgen, "im Alltag hat das hat das israelisch-arabische Miteinander so gut funktioniert, deswegen ist das jetzt so ein großer Schock". Ob sie Angst hat? Ja, sagt sie, große Angst, "weil man ständig die Einschläge der Raketen hört" – und weil diese Raketen nicht nur Menschen und Wohnungen, sondern auch den Versöhnungsprozess treffen. Es könne "eine große Kluft" wachsen. "Es ist schrecklicher denn je", sagt sie und bittet darum, ihren Namen nicht zu nennen.

Das beklemmende Gefühl, der Nahe Osten habe die Israelitische Kultusgemeinde in der Arno-Hamburger-Straße erreicht, täuscht leider nicht. "Wenn es einen auf Israel begründeten Antisemitismus gibt, dann erlebt man das jetzt", sagt Jo-Achim Hamburger, der eigentlich nicht dezidiert über Nahost-Politik reden will. In Israel erlebe man "Angriffe einer verbotenen Terrororganisation auf einen mit Deutschland befreundeten Staat", man möge bitte verstehen, "was Israel emotional für uns bedeutet", sagt er, aber vor allem wünscht er sich – Frieden, hier und in Israel, "wir wollen doch nur als deutsche Juden friedlich, ohne Angst hier leben können". "Meine Flagge", sagt Hamburger auch, "ist die deutsche."

IKG will friedlich aufklären

Es gehe jetzt, findet die IKG, "um das innerstädtische Klima", unter dem Arbeitstitel "Steh Israel bei" will sie zu einer betont positiven Veranstaltung einladen, aufklären, erklären. "An allem Unglück der Welt sind die Fahrradfahrer und die Juden schuld", erinnert IKG-Geschäftsführer André Freund an ein Kurt Tucholsky zugeschriebenes Zitat und an die damit verbundene Frage: "Warum denn die Fahrradfahrer?"