Klimaanlage

Nürnberg im Hochsommer: Warum die Erfrischung eine eigene Bahn braucht

30.8.2021, 05:55 Uhr
Nürnberg im Hochsommer: Warum die Erfrischung eine eigene Bahn braucht

© Horst Linke

Der aktuelle Schmalspur-Sommer ist wohl eher kein Musterbeispiel. Aber langfristig, so prognostizieren Wissenschaftler, wird es um zwei Grad wärmer. Klingt harmlos, aber damit wird Nürnberg klimatisch auf der selben Stufe wie Genua im Jetzt-Zustand stehen. Ein großer Unterschied jedoch bleibt: Nürnberg hat kein kühlendes Mittelmeer vor der Tür.

"A weng a Wind"

Ruft man sich die heißen Nürnberger Sommer ins Gedächtnis, dann sieht man es schon vor sich: Wie es flirrt, wie die Luft steht, wie die Hitze lähmt. Und wenn dann mal eine kühlere Brise über die fiebernde Stadt fegt, dann sieht man Menschen, die sich mit einer fächernden Bewegung das nassgeschwitzte Hemd vom Leib ziehen und aufatmen sagend: "Ah, etz geht a weng a Wind".

Notbremse für die Hitze

Was für den Laien eher ein zufällig vorbeieilendes Lüftchen ist, lässt sich für Experten genauer klassifizieren. Hier sind die Luftleitbahnen aktiv. Eine Art Autobahn, auf der die Abkühlung den Weg nach Nürnberg findet. Insgesamt sieben solcher Bahnen wurden in Nürnberg festgestellt. Über alle Himmelsrichtungen verteilt.

"Diese Durchlüftung begrenzt die sommerliche Überhitzung", sagt Britta Walthelm. Nach Ansicht der Referentin für Umwelt und Gesundheit werden diese Bahnen künftig mehr Aufmerksamkeit bekommen: "Das wird ein Zeiten der Erderhitzung und des Klimawandels immer wichtiger."

Monitor vor dem Ventilator

Daher wird künftig auch bei größeren Bauprojekten verstärkt darauf geachtet, dass die Frischluftachsen nicht blockiert werden. Das wäre so, als würde man im unklimatisierten Büro vor den Ventilator den Computermonitor stellen. Der Effekt verpufft.

Jüngstes Beispiel, bei dem ein möglicher Bau in Reichweite eines sensiblen Windachsen-Gebietes kommt, ist der 17-stöckige Büroturm im Westen der Stadt zwischen Rothenburger Straße, Virnsberger Straße und der Bahnlinie Nürnberg Rangierbahnhof. Eine Windachse verläuft östlich des Plangebietes, so dass es noch einer genauen Analyse bedarf, wie und ob hier gebaut werden könnte ohne die Bahnen zu blockieren. Denn der Zustrom sie keineswegs ein Sturm, der sich seinen Weg schon sucht. Viel mehr kommt er bodennah, mit geringen Strömungsgeschwindigkeiten daher. Braucht wie ein startendes Flugzeug eine gewisse Startbahn.

Freiräume sind wichtig

Wo aber entsteht die frische Brise? Geburtsstätten sind Grün- und Freiräume, also auf Wiesen, Feldern, im Wald und über Wasserflächen. Für Nürnberg bedeutet das konkret, dass vor allem im Knoblauchsland, auf den landwirtschaftlichen Flächen im Süden und im Reichswald die Produktionsstätten der lauen Luft sind. Größere Grünflächen stehen als Kühlräume überwiegend außerhalb des Mittleren Ringes zur Verfügung, wurde im Stadtklimagutachten vermerkt.

Im starken Kontrast zu diesen Flächen stehen die hoch verdichteten Innenstadtbereiche, die zum Teil noch in der Wachstumsphase sind. Sie sind geprägt von einer hohen Versiegelung, was zu der hohen Wärmebelastung - Stichwort "Tropennächte" - führen werde. Viele kleine Grünflächen und Plätze seien zwar partiell von Bedeutung, würden aber auf die Gesamtsicht kaum über Entlastungspotenziale verfügen.

Auch im Winter relevant

Übrigens: Nicht nur im Sommer hat der Austausch von Wetterlagen in den Städten seinen Sinn. Im Winter könne eine Blockade zu einer überdurchschnittlich hohe Schadstoffkonzentration führen. Dafür muss es nicht unbedingt brennen: Auch eine höhere Verkehrsbelastung lässt den Wert dann drastisch ansteigen.

Nürnberg muss also gut belüftbar sein. Ob die Zufuhr dann letztlich über eine "Frischluftzone" erfolgt oder ob das Ganze "Windbahn" heißt, wird den schwitzenden Nürnberger wenig interessieren. Wichtig ist doch, "dass a weng a Wind geht."

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