Nürnberger Rektoren: So hat sich die Schule verändert

15.1.2020, 05:19 Uhr
Die Gesellschaft hat sich verändert - und die Schule mit ihr. In den Klassenzimmern der Republik ist das spürbar.

© dpa Die Gesellschaft hat sich verändert - und die Schule mit ihr. In den Klassenzimmern der Republik ist das spürbar.

Das Thema findet Anklang. Aus Bayern, Hessen und Baden-Württemberg sind Tagungsteilnehmer angereist. 180 sind es insgesamt, die der Einladung des Nürnberger Regionalbüros der Deutschen Schulakademie gefolgt sind. "Schule kollegial leiten und profilieren" lautet das Motto des Tages. Michaela Gläser-Zikuda, die den Lehrstuhl für Schulpädagogik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) innehat, berichtet, was die Forschung über gute Schulen herausgefunden hat. Da kommt der Schulleitung erwartungsgemäß eine zentrale Rolle zu.

Führen, managen, steuern. Das klingt abstrakt. Schließlich geht es um den Umgang mit Menschen, mit jungen und erwachsenen, mit Schülern und Kollegen. Gläser-Zikuda sieht in einem kooperativen Führungsstil im Vergleich zum "autokratischen" deutliche Vorteile. "Er ist besser und effektiver, er entlastet und motiviert." So würden beispielsweise Entscheidungen gemeinsam getroffen und gleichberechtigt umgesetzt. Und so könne auch das Risiko, falsche Entscheidungen zu treffen, reduziert werden.

Die Anforderungen an die Schulleitung sind hoch: Eltern, Schüler, Lehrer, Gesellschaft – sie alle haben Erwartungen und Bedürfnisse. Und jetzt sollen die Schulen auch noch Alltagskompetenzen vermitteln (die NZ berichtete). "Man hat als Schulleiter aber auch ein enormes Gestaltungspotenzial, das man ausschöpfen sollte", sagt Michaela Gläser-Zikuda. Wichtig sei der richtige Umgang mit Autonomie. "Viele empfinden das als belastend. Deshalb muss das Delegieren gelernt sein." Kooperation statt Einzelkämpfertum sei gefordert. "Der kollegiale Austausch ist wichtig, Arbeitsteilung und ein gemeinsames Ziel erarbeiten."

Alle werden in die Pflicht genommen

Schulen sind in ihrer Größe mit mittelständischen Unternehmen vergleichbar. "Der Schulleiter muss im Kollegium präsent sein. Er muss eine Kultur der Anerkennung pflegen, Offen für Innovationen sein und ein gerechtes Belastungsmanagement verfolgen." Das heißt: Alle werden in die Pflicht genommen, bekommen aber auch die Möglichkeit auf "time out", auf eine Auszeit.

Mit dem Thema Schulleitung beschäftigt sich eine Doktorarbeit, die an der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam entstanden ist: "Was machen Schulleiter tatsächlich und welche Faktoren beeinflussen diese ausgeführten Tätigkeiten?" lautet der Titel der Dissertation von Felix Emanuel Bärstecher. 15 Schulleiterinnen und Schulleiter hat er interviewt. Eine seiner Erkenntnisse lautet: "Der Schulleiter ist ein Kommunikationsmanager (. . .), dessen Aufgaben und Tätigkeiten zwischen Routineaufgaben und dem spontanen Reagieren auf akute Vorkommnisse (als Feuerlöscher) wechseln."

"Bürokratie ohne Ende"

Einer der Befragten sagte beispielsweise: "Also, die Haupttätigkeit eines Schulleiters besteht aus reden. Das ist sehr merkwürdig, aber es ist tatsächlich so. Also, Krisenintervention an oberster Stelle, und zwar in jeder Hinsicht. Sowohl bei Konflikten mit Schülern, als auch bei Konflikten mit Eltern oder auch Kollegen, je nachdem. Das ist ein Hauptgeschäft. Und dann Formalkram, ganz klar, Bürokratie ohne Ende."

In einer Studie des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) aus dem Jahr 2018 sind 1200 Leiter allgemeinbildender Schulen nach ihrer Arbeitszufriedenheit befragt worden. Immerhin 58 Prozent von ihnen gaben an, sie gingen "sehr gern" zur Arbeit. In allen Schulformen wird allerdings der Lehrermangel als größtes aktuelles Problem genannt.

Schwierigkeiten gibt es vielerorts auch, wenn Schulleiterstellen wieder besetzt werden sollen – in Nordrhein-Westfalen, Berlin oder Sachsen. Vor allem Grund- und Mittelschulen sind betroffen. In Bayern, teilt das Kultusministerium auf Anfrage der NZ mit, sei das so gut wie kein Problem. "Frei werdende Schulleiterstellen an staatlichen Schulen werden rechtzeitig ausgeschrieben, so dass eine kontinuierliche Besetzung der Schulleitung gewährleistet ist", teilt ein Ministeriumssprecher mit.

"An Grund- und Mittelschulen waren zum Stichtag 1. Januar 2019 weniger als ein Prozent der Schulleiterstellen unbesetzt." An den staatlichen Gymnasien gebe es derzeit keine unbesetzten Schulleiterstellen. An den Realschulen seien es drei von 238, weil die Stelleninhaber andere, höhere Aufgaben übertragen bekommen hätten. Derzeit würden die Aufgaben von den Stellvertretern übernommen.

Zentrale Rolle für Bildungsqualität

Der Bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverband (BLLV) sieht die Situation kritischer. "Die Staatsregierung muss jetzt in Zeiten des Lehrermangels Anreize schaffen", fordert Simone Fleischmann, die Vorsitzende, in einem Gespräch mit der dpa. "Die Gefahr, dass sich das Thema vakante Schulleitungen in den nächsten Jahren verschärft, ist groß." Fleischmann spricht von einem Trend: Anders als früher würden oft nur ein bis zwei Bewerbungen pro Schulleiterposten vorliegen. "Und dieser eine wurde oft überredet."

Weil Schulleitungen für die Bildungsqualität eine zentrale Rolle spielten, müsse der Beruf attraktiver werden, so der BLLV. Ein Problem sei die Bezahlung vor allem an den Grundschulen. Ein weiterer Kritikpunkt sei, dass Schulleiter in den vergangenen Jahren immer mehr Aufgaben bekommen hätten. Neben der Leitung einer eigenen Klasse sollen sie Medienkonzepte schreiben und umsetzen, Schulungen organisieren, Experten zur Demokratiebildung einladen, die Ganztagsgarantie bis 2025 auf die Beine stellen und Unterrichtsbesuche etwa für Referendarinnen und Referendare planen. "Das ist zu viel für eine Person."

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