Handlungsbedarf groß

Rohstoffknappheit "besorgniserregend": 34 Brücken in Nürnberg marode

20.9.2021, 06:33 Uhr
Rund zwei Jahre lang dauerte die Sanierung der Adenauerbücke. 2020 wurde sie endlich freigegeben.

© Roland Fengler Rund zwei Jahre lang dauerte die Sanierung der Adenauerbücke. 2020 wurde sie endlich freigegeben.

Die aktuelle Nachrichtenlage schlägt sich auch im neuen Brückenbericht nieder. Dieser dokumentiert seit 2011 jedes Jahr den Bauwerksbestand und dessen Zustandsentwicklung. So sei die auch pandemiebedingte Rohstoffknappheit bei Baustoffen wie Stahl und Epoxidharzen derartig "besorgniserregend", dass sogar ein Baustillstand drohen könne, sagte Sör-Werkleiter Marco Daume im Werkausschuss.

Der Servicebetrieb öffentlicher Raum (Sör) betreut die Brücken im Stadtgebiet.

Zu den volksverhetzenden Graffitis, die Sör immer wieder aufs Neue an den Brücken entfernt, kamen nun auch noch die Parolen von Corona-Leugnern dazu. "Und durch die Flutkatastrophe ist der Markt für Behelfsbrücken leer", sagte Daume.
Dabei ist laut Brückenbericht der Handlungsbedarf zurzeit besonders groß. 34 Brücken müssen umgehend instand gesetzt oder erneuert werden, weil ihr Zustand bezüglich Standsicherheit, Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit mit "ungenügend" bewertet wurde. Zugrunde liegt ein deutschlandweit verwendetes Prüfprogramm. Zu den "Ungenügenden" gehören bekanntlich auch die drei viel befahrenen Großbrücken im Hafenbereich.


Keine akute Gefahr

Doch die schlechte Bewertung bedeute keine akute Gefahr, betonte Bürgermeister Christian Vogel (SPD). Als Erster Werkleiter des städtischen Eigenbetriebs Sör ist er für die Brücken zuständig. "Es gibt in Nürnberg keine Brücke, die unter einem Autofahrer zusammenbrechen würde!", erklärte Vogel. "Wenn diese Gefahr bestünde, würden wir die sofort sperren!"

Insgesamt 291 Brücken spannen sich über die Straßen, Flüsse und Wasserwege der Frankenmetropole. Nicht erst seit der Katastrophe im italienischen Genua, bei der 2018 eine Autobahnbrücke einstürzte, werden sie penibel kontrolliert. Dabei erfolgen die Kontrollen nach DIN-Vorschrift, ausgeführt werden sie von der Bundesanstalt für das Straßenwesen (BASt). So gibt es alle sechs Jahre eine Hauptprüfung, außerdem wird im Drei-Jahres-Abstand eine einfache Prüfung durchgeführt.

Bei den laufenden Sichtprüfungen unter dem Jahr werden Rissigkeit, Korrosion und eventuelle Verschiebungen dokumentiert, ihre Reparatur nachgeprüft.
Dabei bedeutet nach Angaben der Bundesanstalt selbst die schlechteste Note "ungenügend" nicht, dass ein Bauwerk akut einsturzgefährdet ist. Es müssen aber konkrete Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden, zum Beispiel ein Tempolimit oder das Verbot, mit schweren Lkw darüberzufahren.

Für den Neubau der drei Hafenbrücken laufen die Planungen schon seit Jahren. Der aktuelle Zeitplan sieht vor, dass sie 2023 abgerissen werden, die Bauzeit soll vier Jahre betragen.

Der Großteil der Brücken in Nürnberg ist in die Jahre gekommen, ihr Alter liegt zwischen 30 und 60. Daher ist es nicht verwunderlich, dass seit 2011 immer mehr Brücken in die schlechte Bewertung fielen – insofern ist die Stagnation, die sich in den letzten drei Berichten zeigt, ein kleiner Erfolg im Kampf um den Erhalt wertvoller Bausubstanz. Nimmt man den Brückenbericht ganz genau unter die Lupe, zeigt sich, dass im Vergleich zum Vorjahr 0,04 Prozent mehr Brückenfläche dank einer Sanierung ihre schlechte Bewertung gegen eine gute eintauschen konnten. "Das ist ein Wert im homöopathischen Bereich, der aber wichtig ist", so Vogel.

Zwei Jahre Bauzeit

Die beiden großen, beendeten Baustellen des vergangenen Jahres waren die Charles-de-Gaulle-Brücke in Großreuth bei Schweinau und die Adenauerbrücke in Wöhrd. Zwei Jahre hat es gedauert, bis sie wieder für den Verkehr frei befahrbar waren.

Die Charles-de-Gaulle-Brücke über den Kanal und die Südwesttangente wurde generalsaniert.

Die Charles-de-Gaulle-Brücke über den Kanal und die Südwesttangente wurde generalsaniert. © Günter Distler, NNZ

Zu diesen Generalsanierungen kamen zum Beispiel auch eine Notinstandsetzung der Übergangskonstruktionen der Brücke Frankenschnellweg über den Kanal und die Südwesttangente sowie Arbeiten am historischen Tragwerk der Brücke Neutor. Zu den Aufgaben von Sör gehört aber auch die Betreuung von Bauwerken wie der äußeren Stadtgrabenstützmauer, diese wird seit Jahren abschnittsweise saniert.

Nürnbergs Brücken verschlingen viel Geld. Trotz Beteiligungen von Bund und Freistaat sind im Mittelfristigen Investitionsplan (MIP) 2021 rund 1,2 Millionen Euro allein für die Ertüchtigung von Brücken eingestellt. Der MIP gilt für das Planjahr sowie die drei darauffolgenden Haushaltsjahre. So wurde bereits mit der Sanierung der Dr.-Gustav-Heinemann-Brücke über den Wöhrder See begonnen. Mit rund 5000 Quadratmetern ist sie eine der größten in Nürnberg.

Es wird teuer

Es bringt der Stadt nicht einmal etwas, wenn sie Brücken zurückbaut, weil die unter ihr liegenden Bahngleise stillgelegt sind. Im Gegenteil. Seit Jahren streitet sich die Stadt mit der Deutschen Bahn (DB) AG darum, dass diese sich an den Kosten beteiligen soll. Doch durch eine Gesetzesänderung ist nun klar, dass "der oben liegende Verkehrsweg" alles bezahlen muss: Das ist hier die Kommune. "Das wird zu beachtlichen Mehrausgaben für die Stadt Nürnberg führen", sagte Marco Daume hörbar frustriert.

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