Schafft Nürnberg es auf "Shortlist" für Kulturhauptstadt-Titel?

3.12.2019, 11:40 Uhr
Ein Mädchen läuft über einen Wünsche-Stadtplan bei "Boulevard Babel". Der kreative Aktionstag auf der Wölckernstraße im September 2018 machte auf die Kulturhauptstadtbewerbung aufmerksam und blieb vielen Nürnbergern in guter Erinnerung.

© Foto: Berny Meyer Ein Mädchen läuft über einen Wünsche-Stadtplan bei "Boulevard Babel". Der kreative Aktionstag auf der Wölckernstraße im September 2018 machte auf die Kulturhauptstadtbewerbung aufmerksam und blieb vielen Nürnbergern in guter Erinnerung.

 

Was passiert vom 10. bis zum 12. Dezember in Berlin?

Die acht deutschen Bewerberstädte treten in alphabetischer Reihenfolge bei der Kulturstiftung der Länder in Berlin auf. Sie haben Termine bekommen für eine halbstündige Präsentation und eine 45-minütige Befragungsrunde im Anschluss. Dabei wird Deutsch und Englisch gesprochen und simultan übersetzt.


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Nürnberg ist an vorletzter Stelle dran, am 11. Dezember um 13.45 Uhr, "nach der Mittagspause", wie Hans-Joachim Wagner präzisiert. Danach hält der Nervenkitzel fast noch einmal 24 Stunden an, eine Aussicht, die den Leiter des Nürnberger Bewerbungsbüros ordentlich stresst. Erst am 12. Dezember mittags verkündet die Jury in einer Pressekonferenz, welche Städte eine Runde weiter sind.

Wer vertritt Nürnberg?

Bewerbungsbüro-Chef Hans J. Wagner wird unter anderem zusammen mit OB Maly nach Berlin reise, um Nürnberg für den Titel "Kulturhauptstadt 2025" zu bewerben.

Bewerbungsbüro-Chef Hans J. Wagner wird unter anderem zusammen mit OB Maly nach Berlin reise, um Nürnberg für den Titel "Kulturhauptstadt 2025" zu bewerben. © Foto: Stadt Nürnberg

Nürnberg kommt mit der größtmöglich erlaubten Delegation: mit zehn Leuten. Neben Bewerbungsbüro-Chef Wagner und zwei seiner Kollegen reisen Oberbürgermeister Ulrich Maly und Kulturreferentin Julia Lehner nach Berlin. An der übrigen Besetzung haben sie lange gefeilt.

Vertreter für Bürgerbelange oder für die Metropolregion sind jetzt nicht dabei. Dafür aber das neue Nürnberger Christkind Benigna Munsi. Allerdings nicht in dieser Rolle, sondern weil die Schülerin im vergangenen Sommer als Darstellerin im Jugend-Theaterprojekt "Do’s and Don’ts" der Berliner Gruppe "Rimini Protokoll" in Nürnberg Eindruck hinterließ. "Es war mein Wunsch, sie mitzunehmen", sagt Wagner. "Sie wird als junge Frau auftreten, die mit kritischem Blick darüber sprechen wird, wie sie sich die Zukunft der Stadt vorstellt."


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Die anderen vier Plätze verteilen sich auf eine Expertin für die Kreativwirtschaft in der Region, einen Nürnberger Ausstellungsmacher, einen deutsch-türkischen Filmemacher sowie eine Designerin aus Österreich, mit der das Bewerbungsbüro bei der Programmplanung für das Kulturhauptstadtjahr zusammenarbeitet.

Was führt Nürnberg vor?

Nochmals die Inhalte des 60-seitigen Bewerbungsbuchs "Bid Book", das jede Stadt vorlegen musste. Es soll aber keine Vorlesung mit Power-Point-Folien werden, sagt Hans-Joachim Wagner. Die Nürnberger Delegation lasse sich vielmehr vom historischen Männleinlaufen auf dem Hauptmarkt inspirieren. "Das soll etwas Witz haben und ein theatrales Element, ja", verrät er.

Wer ist die Konkurrenz?

Neben Nürnberg haben sich Chemnitz, Dresden, Gera, Hannover, Hildesheim, Magdeburg und Zittau beworben. Die Bandbreite reicht von der Kleinstadt Zittau, die mit ihrer Lage im Dreiländereck wirbt, bis zu den Groß- und Landeshauptstädten Dresden und Hannover.

Was zählt?

Bekanntheitsgrad und Finanzkraft einer Stadt sind kein Kriterium. Betrachtet man zum Beispiel die Kurzvorstellungen der Bewerberstädte vom 1. Oktober bei der Kulturstiftung der Länder, so hob sich etwa der Hildesheimer Auftritt erfrischend ab. Der Bewerbungsleiter sprach mit Selbstironie über Provinz und Rübenanbau. Entscheidend wird eine Kombination aus Live-Auftritt und Bewerbungsbuch sein. Wie glaubhaft klingen die Konzepte für eine langfristige Stadtentwicklung im Sinne aller Bevölkerungsgruppen, wie europäisch und kulturpolitisch wird gedacht? Der langjährige Kulturhauptstadt-Juror Ulrich Fuchs wies in einem Interview auch einmal auf die nicht zu unterschätzende Rolle des Humors hin.

Nürnbergs Bewerbungsbüro-Chef Wagner schweigt über die Chancen der Konkurrenz. "Ich glaube, es ist ein sehr guter Bewerberjahrgang", sagt er nur. Und: "Ich bin guter Dinge".

Wer entscheidet?

Eine zwölfköpfige Jury. Sie ist für jeden Kulturhauptstadt-Jahrgang neu zusammengesetzt, umfasst aber auch langjährige Juroren, die das Verfahren bestens kennen. Die Institutionen der Europäischen Union – der Rat, die Kommission und das Parlament – ernennen jeweils drei, der Europäische Ausschuss der Regionen ein weiteres Mitglied. Deutschland durfte zwei berufen.

In alphabetischer Reihenfolge sind es: Sylvia Amann (Österreich), Cristina Farinha (Portugal), Paulina Florjanowicz (Polen), Beatriz Garcia (Spanien), Desislava Gavrilova (Bulgarien), Barbara Mundel (Deutschland), Alin Nica (Rumänien), Ulrich Raulff (Deutschland), Pierre Sauvageot (Frankreich), Jiri Suchanek (Tschechien), Agnieszka Wlazel (Polen) und Suzana Žilic Fišer (Slowenien).

Kennt die jemand?

Bei den meisten muss man dazu schon ausgewiesener Kulturexperte sein. Ulrich Raulff ist Kulturjournalist, Buchautor und leitete lange Jahre das Literaturarchiv Marbach. Das zweite vom Bund ernannte Jurymitglied, Barbara Mundel, ist eine Theaterintendantin, die in der kommenden Spielzeit die Münchner Kammerspiele übernehmen soll – gebürtig aus der Bewerberstadt Hildesheim.

Die Übrigen: überwiegend Kulturberater und -managerinnen mit internationalen Hochschulkarrieren, eine Expertin des polnischen Kultusministeriums, zwei Musiker und eine ehemalige Direktorin des Kulturhauptstadtprogramms 2012 in der slowenischen Stadt Maribor. Bewerbungsbüro-Chef Wagner sagt, er sei "sehr froh über diese Besetzung, das ist eine Supermischung".

Auf der "Shortlist" – und dann?

Die Städte, die es jetzt in die nächste Runde schaffen – vermutlich sind das drei oder vier – haben bis Juli 2020 Zeit, ihr Bewerbungsbuch im Detail auszuarbeiten. Im September kommen die Juroren zu Besuch. Ende 2020 treten die Finalisten vor der Jury zur Endauswahl an. Eine deutsche Stadt erhält den Titel, den sie dann 2025 parallel mit einer Stadt in Slowenien führt.

Und wenn nicht?

"Wie auch immer, wir werden ein Fest feiern", kündigt Hans-Joachim Wagner an. Eine Party ist für den Abend des 12. Dezember auf AEG schon terminiert. Das städtische Kulturreferat verliert in seinem Jahresvorausblick für die Stadträte ein paar Zeilen über den "Plan B". Verpasst Nürnberg die "Shortlist", sollen demnach trotzdem die Planungen für neue Künstlerräume weitergehen, etwa in der Kongresshalle oder der Alten Feuerwache Reutersbrunnenstraße. Auch ein neuer Kreativwettbewerb "Open Call" sowie einige geplante Literatur- und Musikfeste sollen 2020 stattfinden. Der Ausbau des Pellerhauses zum Haus des Spiels und die Erneuerung der Kulturläden bleiben ebenso auf der Agenda.

Bewerbungschef Wagner findet: Verloren wäre nichts. "Die Kulturhauptstadt-Bewerbung hat in den vergangenen zwei Jahren Dinge möglich gemacht, die bisher nicht möglich waren. In der Region, in der Verwaltung, bis hin zu einem neuen Selbstbewusstsein bei den Kreativen."

 

NN-Talk „Kulturhauptstadt — was soll’s“ am Montag, 16. Dezember um 19 Uhr im Orpheum, Johannisstraße 32a. Tickets gibt es in den Zeitungs-Geschäftsstellen, telefonisch unter 0911/2162777 oder unter nn-ticketcorner.de

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