Selbsttests im Klassenzimmer? Nürnberg hat eine eigene Strategie

19.3.2021, 08:55 Uhr
Selbsttests im Klassenzimmer? Nürnberg hat eine eigene Strategie

© Foto: imago images/Michael Weber

Schülerinnen und Schüler jeder Altersstufe und Schulart, also auch aus Grund- und Förderschulen, sollen sich demnach selbstständig, nur unter verbaler Anleitung der Lehrkraft und nach Sichtung eines Erklärvideos, ein Teststäbchen in die Nase einführen, um damit einen Abstrich zu nehmen und diesen zu testen. Die Testkits seien laut Kultusministerium so konzipiert, dass es keiner weiteren Hilfestellung seitens der Lehrkräfte bedürfe. Die Selbsttestungen seien freiwillig, die Eltern müssten ihre Einwilligung dazu abgeben.

Schutzkleidung oder FFP2-Masken sind für die Lehrkräfte bei dieser Tätigkeit nicht notwendig, schreibt das Kultusministerium in seiner Direktive. Positiv getestete Kinder sollen "sich so schnell wie möglich von der Klasse absondern" und von den Eltern abgeholt werden, die dann wiederum ihrerseits das Gesundheitsministerium verständigen müssen. Nach dem positiven Selbsttest wird ein PCR-Test notwendig, um das Ergebnis zu bestätigen.

Weigert sich ein Kind oder Jugendlicher den Selbsttest vorzunehmen, hat das keine Konsequenzen. Auch Schülerinnen und Schüler, die sich nicht testen lassen, dürfen den Unterricht weiterhin besuchen.


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Die bayerischen Lehrerverbände zeigen wenig Verständnis für die neue Teststrategie: Es sei "realitätsfern" was der Kultusminister den Lehrkräften zumute, sagt Sandra Schäfer, Vorsitzende des Lehrerinnen- und Lehrervereins Nürnberg (NLLV). "Man setzt uns, aber auch die Kinder und Jugendlichen, einem erhöhten Gesundheitsrisiko aus, wenn man in anstatt vor dem Besuch der Schule testet."

Stigmatisierung der Kinder und Jugendlichen droht

Neben dem zu geringem Gesundheitsschutz kritisiert die NLLV-Vorsitzende eine Stigmatisierung der Kinder und Jugendlichen, falls diese positiv getestet werden. Außerdem seien in Nürnberg gerade einmal etwa fünf Prozent der Lehrkräfte geimpft, viel zu wenige, um sich so einem Risiko auszusetzen, findet die NLLV-Vorsitzende. Doch Schäfer und ihre Kollegen und Kolleginnen sowie die Nürnberger Eltern mit Schulkindern können aufatmen.

In den vergangenen zwei Wochen sind in Nürnberg 60 innerstädtische Teststraßen für Lehrerinnen und Lehrer entstanden. In Kooperation mit Ärzten und Hilfsorganisationen haben die Nürnberger Lehrerinnen und Lehrer das Angebot gemeinsam mit der Stadt Nürnberg aufgezogen.


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Oberbürgermeister Marcus König (CSU) will diese Impfstraßen beibehalten. Er möchte nicht, dass Schülerinnen und Schüler im Klassenzimmer getestet werden: "Das macht doch mehr Sinn, wenn wir das Vorgehen mit Ärzten und medizinischen Personal einüben, so dass wir in fünf oder sechs Wochen vielleicht so viel Routine haben, dass wir es ohne die medizinische Anleitung selbst schaffen" sagt der OB und fügt hinzu: "Wir werden das aus unseren Mitteln irgendwie stemmen."

Eltern gegen Quarantäne

Bernd Zirkel, Vorsitzender des Nürnberger Elternverbands, freut sich über Nürnbergs Sonderweg beim Testen der Schülerinnen und Schüler. Sein Verband fordert, dass sich durch Schnelltests positiv getestete Kinder und Jugendliche auch weiterhin durch negative PCR-Tests "frei testen" lassen können. Dass sie also nicht zwingend eine zweiwöchige Quarantäne einhalten müssen.

Jürgen Böhm, Vorsitzender des bayerischen und des bundesdeutschen Realschullehrerverbands (VDR) übt harsche Kritik an der neuen Teststrategie des Kultusministeriums: "Testungen sind sehr wichtig, aber müssen von externen Organisationen außerhalb der Klassenräume durchgeführt werden, auf keinen Fall kann das in Verantwortung der Lehrkräfte geschehen." Klassenzimmer seien keine Testzentren – damit seien Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler verstärkt der Gefahr ausgesetzt, sich in der Schule mit dem Virus zu infizieren.


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Außerdem sei die Haftungsfrage nicht geklärt. Wer hafte, wenn beim Beaufsichtigen der Testungen Verletzungen der Schüler passieren, fragt Böhm. Diese Frage beantwortet ein Sprecher des Kultusministeriums: Die gesetzlichen Unfallversicherungen seien dann in der Pflicht.

Schülerinnen und Schüler sollten sich zuhause testen

Auch Michael Schwägerl, Vorsitzender des Bayerischen Philologenverbands (bpv), findet deutliche Worte: "Wir sind nicht die Bremser bei der Pandemiebekämpfung und wir wollen alle wieder in einen Präsenzunterricht zurück, doch dieses Testkonzept ist am grünen Tisch entstanden und wirft für die praktische Umsetzung viele Fragen auf." Wenn es Lehrkräften ansonsten nicht einmal erlaubt sei, Schülerinnen und Schüler mit einem Pflaster oder einer Kopfschmerztablette zu versorgen, sei es nicht nachvollziehbar, dass nun die Aufgabe von Organisation, Auswertung und Entsorgung der Tests in den Händen der Schulen und Lehrkräfte liegen solle. Die Schülerinnen und Schüler sollten sich zuhause testen, findet der bpv-Vorsitzende.

Das findet auch der Bayerische Elternverband. Viele der Eltern, sagt Vorsitzender Martin Löwe, wollen ihr Einverständnis für einen Selbsttest unter den angeordneten Umständen nicht geben. Alle der zitierten Kritiker zweifeln insgesamt daran, dass nach Ostern ausreichend Selbsttests für alle Schulen vorliegen.

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