Skulptur weicht Zaun: Germanisches Nationalmuseum kämpft gegen Dreck

16.6.2020, 06:00 Uhr
Junge Skater finden den Kornmarkt cool. Die Mitarbeiter haben mit dem bunten Treiben kein Problem, wohl aber mit unschönen Hinterlassenschaften.

© Foto: Hagen Gerullis Junge Skater finden den Kornmarkt cool. Die Mitarbeiter haben mit dem bunten Treiben kein Problem, wohl aber mit unschönen Hinterlassenschaften.

Montagmorgens ist es häufig besonders schlimm. Doch auch an allen übrigen Tagen steigen den Mitarbeitern am Personaleingang des Museum üble Gerüche in die Nase. "Es stinkt mitunter extrem!" beschreibt Sonja Mißfeldt, Pressesprecherin des Hauses, den Zustand vor dem historischen Eingang. Mensch und Tier hinterlassen seit Jahren kleine wie große Geschäfte auf dem etwas zurückversetzten Bereich mit Blick auf den Kornmarkt.


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Selbst die Zweibeiner lassen sich bei ihrer Verrichtung offenbar weder vom Licht irritieren, das die Bewegungsmelder auslösen, noch von der Überwachungskamera, auf die sogar ein Schild hinweist, oder von den Blicken des nächtlichen Diensthabenden, der auch den Personaleingang stets im Fokus hat.

Damit der Schutzzaun auf der Nordseite entstehen konnte, musste die vor 60 Jahren entstandene Bronzeskulptur von Marino Marini weichen. Generaldirektor Daniel Hess (re.) sieht die Verlagerung als Gewinn.

Damit der Schutzzaun auf der Nordseite entstehen konnte, musste die vor 60 Jahren entstandene Bronzeskulptur von Marino Marini weichen. Generaldirektor Daniel Hess (re.) sieht die Verlagerung als Gewinn. © Foto: Hagen Gerullis

Haben auf dem Kornmarkt Festivitäten stattgefunden, wird das Ganze zudem mit Essensverpackungen aller Art, geplatzten Luftballons und Essensresten garniert. Etliche Meter weiter östlich vom Personaleingang, vor der Tür der Hausmeisterwohnung des GNM, zeigt sich ein ähnliches Bild.

"Ist das Wetter wärmer, sitzen abends Gruppen auf dem Kornmarkt, auch bei einem verkaufsoffenen Sonntag zieht der Platz viele Menschen an", beschreibt Mißfeldt die Verhältnisse. "Und wir freuen uns auch über dieses Leben innerhalb und außerhalb des Museums", betont sie. Was also gegen die Missstände tun?

Generaldirektor Daniel Hess möchte seine Mitarbeiter schützen. Die Stadt stellte eine Litfaßsäulen-Toilette vor dem gegenüberliegenden CVJM (Christlicher Verein Junger Menschen) auf. "Doch die kostet etwas und hat das Problem leider nicht entschärft", konstatiert die Pressesprecherin. Ein Zaun soll nun Abhilfe schaffen. Dafür jedoch musste ein Kunstwerk weichen: Schweres Baugerät rückte an, um Marino Marinis enorme Bronzeskulptur vor dem Personaleingang anzuheben und vor dem Haupteingang in der Kartäusergasse wieder abzusetzen.

Zierde am Haupteingang

Genau für den war das Werk ursprünglich schon bestimmt: Vor dem heutigen Personal- und damaligen Haupteingang war es 1966 aufgestellt worden – und dort geblieben, als der Besucherzugang 1993 verlegt und wenig später die Installation "Straße der Menschenrechte" eingeweiht wurde.


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Doch weshalb stand und steht gerade vor dem Germanischen Nationalmuseum das Werk eines Italieners? Marino Marini genoss seit den 1950er Jahren Weltruhm, wurde 1962 auch Ehrenmitglied der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg. In der Nachkriegszeit stand sein Werk "Il Guerriero" (der Krieger) nicht nur für das Neue, Moderne und das bewusste Absetzen von der Kunstvorstellung der Nationalsozialisten.

Es stand auch stellvertretend für den europäischen Gedanken: Gerade vor einem Museum wie dem GNM, das sich schwerpunktmäßig der Kunst des deutschen Sprachraums widmet, sollte es an die engen, länderübergreifenden Verflechtungen der Kunst erinnern.

Ein Hingucker ist Marinis Werk auch heute noch. Generaldirektor Daniel Hess lächelt zufrieden. "Ich freue mich, dass die Skulptur umgestellt wurde, sie kommt vor dem Haupteingang jetzt wieder viel besser zur Geltung."

Was aber zeigt das 1959/60 entstandene Werk? Marini kreierte einen Reiter mit Pferd – in der Kunstgeschichte eigentlich etwas sehr Heroisches. "Er nimmt dieses Motiv nach dem Zweiten Weltkrieg auf, bricht aber mit der Tradition: Das Pferd ist mit den Vorderbeinen eingeknickt, der Reiter nach vorne gekippt, die Skulptur sinkt in sich zusammen", so Mißfeldt. "Darin liegt allerdings die Hoffnung, dass sich der Reiter wieder erholen, aufrichten und etwas Neues erschaffen wird."

Wo vor Kurzem noch "Il Guerriero" stand, ist nun Platz für den knapp zwei Meter hohen Zaun und das Sicherheitssystem. Knicke und kurze Querstreben an den Stäben sollen eine zu starre und abweisende Optik verhindern. Vor dem Personaleingang verläuft der Zaun einige Meter von der GNM-Bibliothek auf der einen bis zum Bürogebäude des Museums auf der anderen Seite und trennt damit den kleinen Vorplatz des Personaleingangs vom Kornmarkt ab. Ein weiteres Zaunstück verläuft parallel zur Straßenkurve der Klara- und Grasersgasse und soll den Eingang zur Hausmeisterwohnung schützen.

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