Nürnberger Zoo

Tiere, Anlage, Preise: Das ändert sich im Tiergarten Nürnberg

17.6.2021, 06:00 Uhr
Ein aus Tschechien stammender Luchs-Kater steht im Tiergarten Nürnberg in seinem Gehege. Das vier Jahre alte Tier brach am 2. Juni aus, riss drei Antilopen und starb schließlich nach einer Betäubung durch Tiergarten-Personal.

© Jörg Beckmann/dpa Ein aus Tschechien stammender Luchs-Kater steht im Tiergarten Nürnberg in seinem Gehege. Das vier Jahre alte Tier brach am 2. Juni aus, riss drei Antilopen und starb schließlich nach einer Betäubung durch Tiergarten-Personal.

Es seien doch faszinierende Tiere, sagt Dag Encke. Die größte Katze Europas, in Bayern nur noch heimisch im bayerischen Wald. Zwei dieser Luchse hatte der Tiergarten, sie stammten aus Tschechien und waren Teil des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms: Sie und ihre Nachkommen sollten dabei helfen, dass der Luchs in Europa nicht ausstirbt. Doch dann fiel die Stromversorgung des Zauns aus, der männliche Luchs entkam, tötete drei erwachsene Hirschziegenantilopen und verletzte ein Jungtier so schwer, dass es starb.

Dem Luchs erging es nicht viel besser: Er erlag kurz darauf einem Herzkreislaufversagen. Es sei Stress für das Tier gewesen, sagt Encke: Die ungewohnte Freiheit, dann stand er einer Herde von 20 Beutetieren gegenüber, das Töten von Dreien - danach sei der Luchs fertig gewesen. Die Mitarbeiter seien auf zehn Meter an ihn zur Betäubung herangekommen. Kurz darauf starb das Tier. “Das sind Unfälle, die in Zoos passieren”, sagt Encke.

"Wir wollen wieder einen Kater bekommen"

An der Luchshaltung festhalten will Encke trotzdem: “Wir wollen wieder einen Kater aus dem Programm bekommen.” Denn Zoos seien wichtig für die Arterhaltung der Rasse: So basiere etwa die Luchs-Population im Harz rein auf aus Zoos ausgewilderten Tieren.

Ohnehin will der Tiergarten sich den Artenschutz weiter stark auf die Fahnen schreiben. Man merke, dass man da auch ein immer wichtigerer Partner werde. “Wir haben keine Vorstellung davon, wie zerstört unser Planet schon ist.” Oft sei kein Platz mehr für Wildtiere, gerade für migrierende Arten. Und so gebe es immer mehr Tierarten, für deren Überleben die Zoos allein verantwortlich seien. Manchmal müssten da auch unangenehme Fragen diskutiert werden.

Wie bei Subali: Der Löwe zeugt keine Nachkommen, dabei ist auch er Teil von Erhaltungsprogrammen. Encke hatte als ultima ratio eine Tötung des Tieres ins Spiel gebracht. Wie es nun mit ihm weitergeht? Man habe aktuell eine entsprechende Anfrage beim Europäischen Erhaltungszuchtprogramm laufen, sagt Encke. Dass das Tier sterben muss, sei aber recht unwahrscheinlich. Und doch betont er: “Wir kommen an fiesen Entscheidungen nicht vorbei.” Im Prinzip komme es permanent zur Triage. Doch wenn der Mensch nicht eingreife, seien diverse Tierarten für immer verloren.

Kaum mehr Tiere in freier Wildbahn

So wie der Somali-Wildesel, eines der seltensten Tiere der Welt. In freier Wildbahn wurde schon länger kein Tier mehr gesichtet (es ist aber auch in einer nur sehr schwer zugänglichen Region zu Hause), der Bestand wird auf 20 bis 200 Exemplare geschätzt. Im Tiergarten kamen allein in diesem Jahr zwei Fohlen zur Welt. Ebenso die Prinz-Alfred-Hirsche oder die Pinselohrschweine - auch sie wurden an den Rand des Aussterbens gebracht, sind nun im Nürnberger Tiergarten heimisch und werden gezüchtet.

Immer gefährdeter ist der Feuersalamander, ein Pilz bedroht die Population. In Nordrhein-Westfalen, Luxemburg und Belgien komme er bereits nicht mehr vor, so Encke, der Tiergarten habe fünf Tiere aufgenommen, die nach einer Behandlung gegen Pilze den Fortbestand der Art sichern sollen.

Doch nicht nur in Tierschutzprogramme muss investiert werden, auch in Infrastruktur. Einiges ist zu tun im 75 Hektar großen Tiergarten. “Wir haben einen riesigen Pflegerückstand”, sagt Encke. Besonders zu sehen ist das im mittleren, doch heruntergekommenen Bereich. “Wir müssen da Neues aufziehen.” Daher soll die mittlere Spange des Tiergartens (dort wo jetzt Wisente oder Schneeleoparden leben) aufgehübscht werden. Unter dem Titel “Reichswald von morgen, Tiere von gestern” soll eine neue Umgebung geschaffen werden.

Asiatischer Wald mit bedrohten Tieren

Ein asiatisch anmutender Wald, nicht heimisch in diesen Breiten, aber für den Klimawandel gut gerüstet - der aber ohne Bambus auskommt: Bäume, die im Januar blühen. Sträucher mit tellergroßen Blättern. Schabrackentapire, Hirscheber, Prinz-Alfred-Hirsche sollen hier angesiedelt werden. Tiere, die vom Aussterben bedroht sind. Und das in einer schönen Umgebung: “Es sollen bezaubernde Plätze werden”, sagt Encke.

Neu angelegt werden soll bis 2025 auch der Baumwipfelpfad: Dort wird ein Leopardenpaar angesiedelt - wohl aber erst nach Fertigstellung des Areals. Insgesamt soll der Tiergarten “weniger urban” werden, mehr Grün bieten, sagt Encke. Auch manche Wege sollen entsiegelt und vom Asphalt befreit werden. Eine ganz große Umgestaltung plant der Tiergarten aber nicht. “Ich werde kein Großprojekt mehr stemmen”, sagt Encke, der 2032 in Pension geht.

Der digitalste Zoo, aber analoges Erlebnis

Mit der Zeit geht der Tiergarten aber trotzdem: “Wir wollen der digitalste Zoo werden”, sagt Enke, “aber die analoge Umgebung bleibt”. Sprich: Das ganze Areal wird mit Wlan versorgt, aus den Bruthöhlen wird per Video übertragen. Letzteres aber nur in bestimmte Räume, an den Anlagen selbst wird es keine Bewegtbilder geben. Die Besucher sollen sich auf die Umgebung einlassen und nicht von Videos abgelenkt werden.

All das kostet Geld, hinzu kommt die Pandemie, die dem Tiergarten Millionenausfälle beschert hat. Der Tiergarten plant aber nicht, zu expandieren und mehr Besucher anzulocken (wofür große, sehr populäre Projekte nötig wären). Vielmehr wird der Eintrittspreis wohl erhöht werden - bis zu 20 Euro, stellt Encke in Aussicht. Bis wann das realisiert wird, ist aber nicht klar.

Sanierung der Lagune wird teuer

Ganz sicher teuer wird die Sanierung der Lagune. In diesem oder nächsten Jahr soll sie begonnen werden, sagt Encke optimistisch, je nach dem Verlauf der Ausschreibungen, die noch anstehen. Drei Jahre Arbeit in drei Bauabschnitten sind veranschlagt. Das hat auch Auswirkungen auf die Zucht - aber ohnehin gibt es aktuell keinen Bullen.

Die Kosten der Sanierung sind schwer zu kalkulieren: Ursprünglich rechnete man mit 6,5 Millionen, dann mit etwa der Hälfte - weil die Lagune doch nicht so baufällig war wie befürchtet. Nun schenkt Encke Wasser in den Wein: Das Projekt wird wohl doch wieder kostspieliger als gedacht: Die sich rasant verteuernden Baustoffkosten wird auch der Tiergarten zu spüren bekommen. Allein die Überdachung von zwei Becken, in die die Delfine während der Bauphase umgesiedelt werden, wird wohl doppelt so teuer wie gedacht.

Verwandte Themen


Keine Kommentare