Tödliche Waffen aus dem 3D-Drucker: Experten in Sorge

6.12.2019, 08:18 Uhr
Tödliche Waffen aus dem 3D-Drucker: Experten in Sorge

© Foto: Alexander Brock

München. Es sieht aus wie eine Spritzpistole. Weiß und aus Kunststoff. Doch was da im Bayerischen Landeskriminalamt in München an einer Wand hängt, ist alles andere als ein harmloses Spielzeug, mit dem sich Kinder an heißen Sommertagen eine Abkühlung verpassen. Das Gerät ist brandgefährlich, es ist die erste Stufe einer technischen Entwicklung, die Sicherheitsbehörden vor neue Herausforderungen stellt. Entwickler Cody Wilson aus den USA hat der Waffe den zynisch klingenden Namen "Liberator" (Befreier) gegeben. In der Form gleicht sie entfernt einer Pistole.

Das Besondere daran: Der "Liberator" lässt sich per 3D-Drucker herstellen. Wer auf so einen speziellen Drucker Zugriff hat, muss sich nur die Pläne der Waffe aus dem Netz herunterladen und kann damit das Druck-programm laufen lassen. Das LKA hat die Waffe extern herstellen lassen. Ob der "Liberator" in Deutschland schon einmal zum Einsatz kam, ist dem LKA nicht bekannt. Allerdings hat Stephan B., der Attentäter von Halle, ebenfalls Waffen verwendet, die in großen Teilen mit einem 3D-Drucker hergestellt wurden. B. hatte die Absicht, am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, die Besucher der Synagoge in Halle mit seinen selbst gebastelten Waffen zu töten. An der Pforte der Synagoge scheiterte er, erschoss dann aber zwei Menschen vor dem Gotteshaus. Die sogenannten CAD-Dateien für die 3D-Bauteile hatte B. aus dem Netz heruntergeladen.

"Der ,Liberator‘ ist nahezu komplett aus Kunststoff. Nur zwei Elemente sind aus Metall: Der Schlagbolzen, das kann ein herkömmlicher Nagel sein, und eine Patrone", sagt Kriminalhauptkommissar Ludwig Waldinger vom LKA. Allerdings könne man mit dieser Pistole nur einen Schuss abgeben. "Das reicht aber, wenn jemand etwas erzwingen will."

Die Frage ist, ob die Kunststoffwaffe stabil genug ist, so dass der Schuss buchstäblich nicht nach hinten losgeht. "Die Teile sind bei Schussabgabe einem großen Druck ausgesetzt, einer Explosion. Metall hält das aus", sagt der Beamte. Das LKA hat das vor Kurzem mit dem "Liberator" getestet. Ergebnis: Die Schussabgabe war erfolgreich, die Waffe hielt stand. Nach dieser Probe wurde die Kunststoffpistole zersägt und damit unbrauchbar gemacht. Heute hängt sie in dem für die Öffentlichkeit zumeist nicht zugänglichen Waffenmuseum des LKA.

Pläne stehen im Netz

"Der ,Liberator‘ besteht aus 17 Einzelteilen. Das könnte ein Problem an sicherheitsrelevanten Stellen wie Flughäfen sein", sagt Waldinger. Die Frage ist: Lassen sich die Einzelteile in einem Gepäckstück auch tatsächlich als Teile einer schussbereiten Waffe erkennen? "Wir haben die entsprechenden Sicherheitsorgane über den ,Liberator‘ informiert." Sehr präzise schießt die Waffe nicht, so Waldinger. "Aber im Nahbereich kann sie die Wirkung haben, wie eine herkömmliche Pistole."

Cody Wilson, der Erfinder des "Liberator", stellt sich auf den Standpunkt, dass jeder Mensch mit einem 3D-Drucker seine eigene Waffe herstellen können muss. Das Wissen über den Bau von Waffen sei ein Teil der Meinungs- und Informationsfreiheit. Es dürfe seitens des Staates nicht eingeschränkt werden.

Bereits 2013 hatte der Texaner die Pläne für die einschüssige Pistole veröffentlicht. Unter US-Präsident Barack Obama musste Wilson schon nach wenigen Tagen die Pläne wieder aus dem Netz nehmen. Eine Kehrtwende gab es dann Ende Juni 2019: Die Regierung von Donald Trump schloss einen außergerichtlichen Vergleich. Seitdem darf der Texaner wieder Waffenpläne für den 3D-Drucker ins Web stellen.

Experten warnen indes, dass 3D-gedruckte Handfeuerwaffen darauf ausgelegt sind, herkömmliche Waffenerkennungssysteme zu umgehen. Es bestehe Grund zur Sorge, dass derartige "Geisterwaffen" sich weiter verbreiten und die öffentliche Sicherheit in allen Erdteilen gefährden, heißt es. Der "Liberator" kann von Metalldetektoren kaum erkannt werden. Außerdem lässt sich die Herkunft kaum zurückverfolgen, da es auch keine Seriennummer gibt.

In den Landeskriminalämtern und beim Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden ist man alarmiert. Auch dem BKA liegen keine Erkenntnisse über den Einsatz von 3D-gedruckten Handfeuerwaffen in Deutschland vor. "Wir beobachten aber das Phänomen sorgfältig und passen die Sicherheitskonzepte fortlaufend an", sagt BKA-Sprecherin Barbara Hübner.

Die Munition aufspüren

Zuständig für die Sicherheit am Albrecht-Dürer-Flughafen in Nürnberg ist das Luftamt Nordbayern, das der Regierung von Mittelfranken zugeordnet ist. "Unseren Kontrollorganen (der Sicherheitsdienst SGN; Anm. d. Red.) ist die Herausforderung wegen der Herstellung von Waffen aus 3D-Druckern bekannt", sagt Regierungssprecher Klaus Speckner auf Anfrage. "Durch die vorhandene Kontrolltechnik ist das Personal in der Lage, die Wesensbestandteile dieser Waffen, bei Schusswaffen insbesondere auch die zugehörige Munition, aufzuspüren." Speckner erwähnt überdies, dass das Kontrollpersonal regelmäßig mit Blick auf diese neu entwickelten Waffen geschult und fortgebildet werden. "Das Luftsicherheitsgesetz bewertet unabhängig vom Waffengesetz jedes unbefugte Einbringen einer Waffe, auch wenn sie einem 3D-Drucker entstammt, als Straftat."

Mit dem Thema haben sich auch die Polizeigewerkschaften auseinandergesetzt. Bei allem was Peter Schall darüber weiß, ist für ihn fraglich, ob so eine Pistole aus Plastik dem entstehenden Druck bei Schussabgabe überhaupt gewachsen ist. "Die Waffe kann dem Schützen selbst gefährlich werden", sagt der bayerische Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP).

Er habe Zweifel daran, dass Kunststoff heute schon so eine Härte hat. Allerdings schreitet die Forschung voran, in naher Zukunft könne das schon anders aussehen. "Die Entwicklung von gedruckten 3D-Waffen muss man deshalb im Auge behalten."

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