Fall 13 von "Freude für alle"

Ungewöhnliche WG in Nürnberg: Zwei Väter leben mit ihren Söhnen, aber ohne fließend Warmwasser

Max Söllner

Redaktion Neumarkt

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25.11.2023, 11:00 Uhr
Detlef P. und sein Mitbewohner machen sich Sorgen, weil sie aus finanziellen  Gründen kein Öl für die Heizung nachbestellen können (Symbolfoto).

© IMAGO/Kantaruk Agnieszka, IMAGO/Petra Schneider-Schmelzer, imago images/Michael Bihlmayer Detlef P. und sein Mitbewohner machen sich Sorgen, weil sie aus finanziellen Gründen kein Öl für die Heizung nachbestellen können (Symbolfoto).

Detlef P. (alle Namen geändert) sitzt in seinem Reihenhaus an einem Tisch. Draußen ist es schon dunkel und kalt. "Der Winter ist da, wir müssen es jetzt auf die Reihe bekommen", sagt der knapp 60 Jahre alte Mann. Er ist gerade von seiner Schicht als Lkw-Fahrer zurück gekommen. Mit seinem 40-Tonner transportiert er Lebensmittel in Franken und der Oberpfalz, seit über 30 Jahren macht er diesen Job.

Seine größte Sorge: Der leere Heizöltank im Keller. 3.500 Euro hat das Auffüllen vor einem Jahr gekostet. Geld, das P. in diesem Jahr nicht hat - trotz monatelangem Sparen konnte er nur 500 Euro beiseite legen. Also waschen sich P., seine zwei Söhne, der Arbeitskollege und Freund Hannes F., mit dem er zusammen wohnt, sowie dessen kleiner Sohn seit Monaten mit im Wasserkocher aufgewärmten Wasser. Immerhin geheizt werden kann dank eines Kachelofens.

Alles fing 2021 mit einer Entdeckung an. Als ihn seine damalige Frau verließ, bemerkte P., dass sie jahrelang keine Rechnungen bezahlt hatte. Wegen seiner anstrengenden Schichtarbeit hatte er ihr es überlassen, sich um die Finanzen zu kümmern. Nun waren allein für Strom und Wasser rund 13.000 Euro überfällig. Um eine Stromsperre zu verhindern, vereinbarte der Vater eine Ratenzahlung. Die Schulden hat er inzwischen vollständig beglichen.

Es gelang ihm auch deshalb, weil P. eine ungewöhnliche Wohnidee hatte. Lange schon war er mit seinem Kollegen Hannes F. befreundet, die beiden hatten sich im Englandverkehr während einer Fährenüberfahrt kennengelernt. F. ereilte 2021 dasselbe Schicksal, auch seine Frau war plötzlich auf und davon.

So entstand die WG

P. wollte seine Söhne im Schulalter keinesfalls aus deren sozialen Umfeld reißen, hätte sich das Reihenhaus mit seinem Verdienst von unter 2000 Euro netto aber nicht länger leisten können. "Wir haben gekämpft, wir haben jeden Cent 30 mal umdrehen müssen." Also bot er seinem Kollegen an, mit seinem Sohn einzuziehen: Die Männer-WG war geboren und teilt sich seitdem die Miete.

Trotzdem blieben Sorgen und Stress, denn nach und nach tauchten immer mehr unbezahlte Rechnungen auf. "Wir waren mal kurz oben, dann sind wir wieder runtergestürzt", sagt der Alleinerziehende. Seine Ex-Frau habe nicht nur sein Konto, sondern auch das Ersparte für seine Söhne geplündert. 100 Euro habe er seit deren Geburt monatlich auf separate Konten eingezahlt, um ihnen einen guten Start in die Volljährigkeit zu ermöglichen - es waren nur noch 12 und 14 Cent übrig. "Es ist einfach nur drunter und drüber gegangen. Ich habe nicht gewusst, wie ich die Kinder ernähren soll."

Im vergangenen Jahr setzte dem Vater das alles samt Schichtbeginn um 3 Uhr nachts so zu, dass sein Körper streikte: Herzinfarkt. "Meine Jungs haben gemeint, sie verlieren mich auch noch", sagt der Vater. Bereits beim Weggang ihrer Mutter hätten sie "Rotz und Wasser geweint". Temporär hatte er sich auf 60 Kilo runtergehungert, inzwischen ist der große Mann wieder bei über 80.

"Dass es so klappt, haben sie selten erlebt"

Nach dem Herzinfarkt bat P. über das Jugendamt um Unterstützung. Er bekam sie von der Arbeiterwohlfahrt (Awo), die sich auch bei der Weihnachtsaktion "Freude für alle" für ihn eingesetzt hat. Dort sei man, heißt es, positiv überrascht, wie gut es um den WG-Haushalt und die Sauberkeit bestellt ist: "Dass es mit zwei Männern so klappt, haben sie wohl selten erlebt", sagt der Vater.

P. und sein Kollege F. haben denselben Arbeitgeber, sie bekommen ihre Schichten dank eines verständnisvollen Chefs stets so zugeteilt, dass immer jemand zu Hause ist. Seit seinem Infarkt muss P. auch nicht mehr mitten in der Nacht anfangen, bekam aber über längere Zeit nur Krankengeld, unter anderem weil sich in seiner Lunge Wasser angesammelt hatte.

Ein Grund mehr, warum die Heizölbestellung bislang finanziell nicht drin war. Zu allem Überfluss tauchte jüngst noch eine offene Amazon-Rechnung der Ex-Frau auf, vereinbart wurde eine weitere Ratenzahlung - und der Familienvater wartet, wie Hunderte Haushalte, seit längerer Zeit auf sein Wohngeld.

Die Weihnachtsaktion "Freude für alle" will indes schnell helfen und bittet - am Beispiel der Väter- und Söhne-WG - um Spenden für Haushalte in Not.

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