Wo Frauen sich in Nürnberg nicht sicher fühlen

27.9.2016, 05:58 Uhr
Wo Frauen sich in Nürnberg nicht sicher fühlen

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Frauen, die alleine unterwegs sind, fühlen sich im öffentlichen Raum nicht sicher. Das ist das wenig überraschende Ergebnis eines offenen Gesprächs im Ziegelsteiner Kulturladen. Elisabeth Benzing, seit Jahren in der feministischen Frauenarbeit aktiv, hatte die Veranstaltung im Zuge der Reihe "FrauenRaum" initiiert. Die Idee dazu sei nicht zuletzt nach den Übergriffen in Köln entstanden. Benzing wollte wissen, ob sich dadurch am Sicherheitsgefühl von Frauen etwas verändert habe.

Der einhellige Tenor: Das ist nicht der Fall gewesen, weil es kein Gefühl der Sicherheit gibt: "Die Angst war vorher da und hat sich auch danach nicht verändert." Die Angst vor Vergewaltigung, vor Übergriffen, das Bewusstsein, es könnte jederzeit etwas passieren, sei einfach präsent, egal ob in jungen Jahren oder im Alter. Der Unterschied hier: Mit dem Alter werde die Angst eher größer.

Was nach Köln anders war: "Der Aufschrei, der da durch die Medien ging, als ob sexuelle Gewalt vorher nicht passiert wäre, als ob die alltäglichen Belästigungen, die Übergriffe und die sexuelle Gewalt von weißen Männern kein Thema sind."

Beispiel Wöhrder See

Ist frau bei Dunkelheit alleine unterwegs, ist die Unsicherheit ihre zweite "Begleiterin", wird die Umgebung offenbar schon ganz automatisch auf eventuell Bedrohliches hin "abgescannt". Aber nicht nur nachts, auch tagsüber will sich das Gefühl von alleine "sicher unterwegs" nicht zwingend einstellen. Beispielhaft nennt eine der Teilnehmerinnen die Vorfälle am Wöhrder See.

Die Frau wohnt in der Nähe, frequentiert die Örtlichkeit zwangsläufig häufiger. Seit die sexuellen Übergriffe dort bekanntgeworden sind, "habe ich Angst, wenn ich in dem Bereich unterwegs bin und frage mich ständig, ob ich wohl die Nächste sein werde".

Eine andere angstbesetzte Örtlichkeit ist das Parkhaus, ein Gefühl, das ebenfalls viele Frauen kennen dürften: "Da steht ein Auto neben dem anderen, es ist niemand zu sehen, ich muss da durchlaufen, das macht mir Angst." Auf der anderen Seite vermittelt das eigene Auto ein sehr großes Gefühl von Sicherheit, im Gegensatz zum öffentlichen Nahverkehr, der aus genau diesem Grund für viele Frauen überhaupt keine Alternative ist.

Die Liste von möglichen "Angst-Orten" dürfte eine lange sein. Angst ist für Frauen aber auch ein Teil ihrer Sozialisation, sie wachsen damit auf: "'Pass auf, wenn du draußen unterwegs bist', haben meine Eltern immer zu mir gesagt, nicht aber zu meinem Bruder." Andere elterliche Ratschläge/Warnungen: "Lass dein Getränk niemals unbeaufsichtigt, und wenn doch, kauf dir sofort ein neues." "Trampen? Auf keinen Fall, weißt du nicht, was dir da alles passieren kann?"

Nie allein unterwegs

Nachhaltig ins Bewusstsein eingebrannt haben sich offenbar auch Sendungen wie "Aktenzeichen XY": "All die Fälle, in denen Frauen überfallen wurden, immer schwang da auch der unterschwellige Tenor, ,was hatte sie da auch zu suchen’, mit", hält eine Teilnehmerin fest. Als hätten Frauen kein Recht, sich jederzeit überall aufzuhalten.

Das Recht will sich auch keine nehmen lassen. Aber Frauen nutzen Strategien, sich sicherer zu fühlen. Das eigene Auto ist eine davon, eine andere: "Ich schaue immer, dass ich in der Gruppe oder mit einem Freund unterwegs bin." Die jüngste Teilnehmerin rät allen Mädchen und Frauen zu einem Selbstverteidigungskurs. Den hat eine andere Teilnehmerin zusammen mit ihrer Tochter bereits absolviert. Ist sie alleine unterwegs, baut sie auf "festes Schuhwerk".

Laut Sicherheitsbericht der Polizei von 2015 gilt Nürnberg nach München als "sicherste Großstadt über 500.000 Einwohner". In der Statistik klingt das gut. Doch bei Frauen kommt das Gefühl von Sicherheit dadurch nicht auf.

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