Nebeneinander und miteinander

Zurück zur Quelle: Das Schwabacher Tagblatt und die RHV

10.11.2020, 09:26 Uhr
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© Foto: Stefan Hippel

Im Jahr 1856 standen die Namen beider Nachbarstädte erstmals gemeinsam auf einem Zeitungskopf, der den so schönen wie sperrigen Namen "Intelligenzblatt der Königlichen Bayer’schen Städte Schwabach und Roth" trug. Allerdings nur für kurze Zeit. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und damit knapp hundert Jahre später erfolgte der zweite Zusammenschluss. In den Nürnberger Nachrichten wurde damals regelmäßig eine Sonderseite mit Meldungen aus Schwabach und Roth abgedruckt. Als die amerikanische Militärregierung endlich auch grünes Licht für das Wiedererscheinen von Lokalzeitungen gab, erschienen Schwabacher Tagblatt und Roth-Hilpoltsteiner Volkszeitung wieder als selbstständige Ausgaben.


Die Geschichte der Nürnberger Nachrichten


Dass beide Verlage, Karl Müller in Roth und Hermann Millizer in Schwabach, Ende des 20. Jahrhunderts erneut unter das Dach der Nürnberger Nachrichten schlüpfen konnten, ermöglichte die Initiative des inzwischen verstorbenen NN-Verlegers Bruno Schnell. Vor einigen Wochen nun verschmolzen die Medienhäuser aus Schwabach und Roth, die sich schon lange im Besitz des Verlages Nürnberger Presse Druckhaus Nürnberg GmbH & Co. KG befinden, zu einem einzigen Verlag: Der Hermann Millizer GmbH in Schwabach. Eine Maßnahme, die einerseits redaktionelle Kompetenzen bündelt, andererseits die Blattstrukturen der Ausgaben in Schwabach, Roth und Hilpoltstein nicht antastet.

Ein fleißiger Schneider

Zurück zu den Schwabach-Rother Gemeinsamkeiten in grauer Vorzeit. Drei Jahre, nachdem der Nürnberger Buchdrucker Ferdinand Knörr mit dem in der Noris produzierten "Intelligenzblatt der Königlichen Bayer’schen Städte Schwabach und Roth" beziehungsweise mit einem "Amts- und Intelligenzblatt des Königlichen Bezirksamtes Schwabach sowie des Königlichen Landgerichts und der Stadt Roth" sein Glück gesucht und nicht gefunden hatte, wagte der Rother Schneidermeister Johann Carl den Schritt ins Verlagsgeschäft.

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Er hob das "Intelligenzblatt der Stadt Roth" aus der Taufe, das er im Schwabacher Verlag von J. Milizer drucken ließ. Als Redakteure zeichneten Carl und Milizer gemeinsam verantwortlich. Aber wieder nur für kurze Zeit. Der ehrgeizige Schneidermeister entschloss sich zum Alleingang und fungierte dabei gleichzeitig als Verleger, Redakteur, Setzer und Drucker. Die Schwabach-Rother Zeitungswege hatten sich ein zweites Mal getrennt.

Es sollte fast ein ganzes Jahrhundert dauern, bis Schwabach und Roth auf dem Nachrichtensektor wieder gemeinsame Sache machten. Notgedrungen. Nach dem Kreuzzug der Nationalsozialisten gegen die freie Presse, der auch dem Schwabacher Tagblatt und der Rother Volkszeitung in der letzten Phase des Zweiten Weltkrieges die Unabhängigkeit kostete, waren die Zeitungsmacher aus Schwabach und Roth für das Entgegenkommen der Nürnberger Nachrichten (NN) dankbar.

Unter den ersten

Als dritter bayerischer Verlag hatten die NN knapp zwei Jahre nach Kriegsende die Lizenz der amerikanischen Militärregierung zur Herausgabe einer unabhängigen Zeitung erhalten. Die für das Wiederaufleben einer freien Presse zuständigen US-Besatzer wählten unter den über 100 Bewerbern für eine Lizenz den Nürnberger Joseph E. Drexel aus. Was aufgrund der Vita Drexels, der eine aktive Rolle im Widerstandskreis um Ernst Niekisch gespielt hatte und nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 von den NS-Schergen ins KZ Mauthausen und später kurzzeitig ins KZ Flossenbürg gebracht wurde, nicht überrascht.

Während NN-Gründer Drexel zunächst in Zirndorf die Zeitungsrotation zum Laufen brachte, mussten sich Heimatzeitungsverlage zwei Jahre länger gedulden. Die Menschen in der Provinz aber sollten nicht vom Informationsfluss abgeschnitten bleiben. Demzufolge erschienen in den NN regelmäßig die Sonderseiten "Schwabach-Roth. Stadt und Land". Und zwar so lange, bis die Militärregierung am 22. August 1949 endlich auch grünes Licht für die Herausgabe von Heimatzeitungen gab. Aus Schwabach-Roth wurde wieder das Schwabacher Tagblatt und die Rother Volkszeitung. Wobei Roth noch im gleichen Jahr die Stadt und den Landkreis Hilpoltstein in seine Berichterstattung mit einbezog. Infolgedessen lautete der Zeitungsname ab dem 29. Oktober 1949 "Roth-Hilpoltsteiner Volkszeitung". Fast 40 Jahre später widmete der Verlag Karl Müller der Stadt Hilpoltstein und dem südlichen Landkreis Roth mit der Hilpoltsteiner Zeitung einen eigenen Titel.

Ende der 1950er-Jahre machten Schwabach und Roth insofern wieder gemeinsame Sache, als beide Heimatverlage ihre Blätter nun in Gemeinschaft mit den Nürnberger Nachrichten herausbrachten. Bei dieser von Bruno Schnell auf den Weg gebrachten Kooperation stellten die NN den überregionalen Teil der Zeitung. Diesem Mantelteil wurden die zunächst noch in Schwabach und Roth produzierten Heimatteile beigelegt, ehe sie als ein Produkt an den Kiosken und in den Briefkästen der Leser landeten. Ein inzwischen mit moderner Optik aufgefrischtes Konzept, das nach wie vor bestens funktioniert. Genau wie der Wochenanzeiger Roth-Schwabach, den die Verlage bereits seit Jahrzehnten gemeinsam herausgeben.

Das Ende einer Ära

Vor einigen Wochen hat sich nun im Zeitungs-Miteinander von Schwabach und Roth eine Veränderung ergeben, die sich im Prinzip zwar "nur" im Impressum widerspiegelt, für Roth aber das Ende einer Ära bedeutet. Der Verlag Karl Müller, vormals Friedrich Feuerlein, ist seit dem 1. Oktober 2020 Geschichte. Eine (Verlags-)Geschichte, die vor genau 135 Jahren begann. Buchdrucker Friedrich Feuerlein erwarb in der Stadt seiner Vorfahren einen zum Verkauf stehenden Verlag, um dann mit der Fränkischen Volkszeitung ein Blatt herauszugeben, das im Gegensatz zu den vorausgegangenen Rother Intelligenz- und Anzeigenblättern der Aufmachung von etablierten Zeitungen größerer Verlage schon sehr nahe kam.

Wieder Fuß gefasst

Friedrich Feuerleins Nachfolger Karl Müller behielt zunächst die Linie seines Vorgängers bei, bevor ihm die Technik in Form von Rotationsdruck und der Linotype-Setzmaschine ganz neue Möglichkeiten einräumte. Er schaffte es, seinen Verlag durch sehr bewegte Zeiten zu führen. Nach jedem der beiden Weltkriege musste der gelernte Schriftsetzer wieder von ganz vorne beginnen. Dank seines schwäbischen Fleißes und mit der Unterstützung seiner Kinder Linchen und Theo fasste der Verleger sowohl nach dem Ersten als auch dem Zweiten Weltkrieg schnell wieder Fuß. Als zum zweiten Mal der Neubeginn gelungen war, besaß Karl Müller die Weitsicht, im Jahr 1959 als einer der ersten Heimatverlage auf das Kooperationsangebot der Nürnberger Nachrichten einzugehen und so seine Zeitung in eine sichere Zukunft zu führen.

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Der Weg des Schwabacher Tagblatts hatte schon ein halbes Jahrhundert früher begonnen als der des Rother Nachrichtenblattes. Nur wenige Städte können auf eine Zeitungstradition zurückblicken wie gerade Schwabach. 1801 gegründet, wies der Schwabacher Zeitungskopf bereits den 142. (!) Jahrgang auf, als das Blatt der Gewalt der NSDAP weichen und dem Nazi-Produkt "Fränkische Tageszeitung" Platz machen musste.

Fast zwei Jahre sollte in Schwabach und Roth die zeitungslose Zeit dauern. Mitteilungsblätter stellten in dieser Zeit eine behelfsmäßige Verbindung zwischen Behörden und Bevölkerung dar, ehe die alliierten Machtinhaber wieder erste Lizenzen für das Erscheinen von unabhängigen Zeitungen erteilten und dabei die Nürnberger Nachrichten berücksichtigten. "Wir haben uns die Aufgabe gestellt, die Brücke zu den Heimatzeitungen zu schlagen, die im Dritten Reich systematisch ausgelöscht wurden", hieß es in der ersten Ausgabe der NN auf der Sonderseite "Schwabach-Roth. Stadt und Land". Die Bürgermeister der Städte Schwabach und Roth, Hans Hocheder und Heinrich Pürner, sowie der Landrat des Landkreises Schwabach, Eugen Tanhauser, zeigten sich in ihren Grußwörtern sehr erfreut über das Wiedererscheinen einer unabhängigen Zeitung. Major Ralph E. Stinger beglückwünschte im Namen der Alliierten die NN zu ihrer Energie und Umsicht, Schwabach, Roth und dem Landkreis Schwabach eine eigene Seite einzuräumen "und damit einem fühlbaren Mangel abzuhelfen".

Zu wenig Papier für alle

Ein Mangel ganz anderer Art stellte in den ersten Nachkriegsjahren die NN vor ein großes Problem. Der Rohstoff "Papier" war zeitweise so knapp, dass die Auflage auf die Zahl der Abonnenten beschränkt werden musste. Der Einzelverkauf wurde eingestellt. Der Verlag rief seine Leser auf, die Zeitung doch bitte an Nachbarn weiterzugeben, die nicht beliefert werden konnten. Die Zeitung kostete damals monatlich 1,90 Mark plus 30 Pfennig Trägerlohn. Ab April 1949 berücksichtigte die Sonderseite der Nürnberger Nachrichten unter dem Titel "Spiegel der Heimat" neben dem Landkreis Schwabach-Roth auch die Stadt und den Landkreis Hilpoltstein. In die Berichterstattung einbezogen wurde zudem Weißenburg.


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Im August 1949 konnte die Geschichte mit den NN-Sonderseiten abgeschlossen werden. Die Verlage der Heimatzeitungen traten wieder als Herausgeber in Erscheinung. Zehn Jahre später griff dann das Kooperationsmodell der Nürnberger Nachrichten. Zu den ersten fünf Heimatverlagen, die von Bruno Schnells Konzept überzeugt waren, zählten auch das Schwabacher Tagblatt und die Roth-Hilpoltsteiner Volkszeitung.

Im Prinzip ist es dabei geblieben. Mit den Nürnberger Nachrichten haben die Heimatverlage aus Schwabach und Roth einen Partner gefunden, dessen oberstes Ziel es nach wie vor ist, seinen Lesern in Stadt und Land ein unabhängiges verlässliches Produkt zu bieten.

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