Nach Bombardierung von Kiew

FCN-Fans holen Kriegsflüchtlinge nach Burgthann: Wer hat eine Unterkunft?

8.3.2022, 15:01 Uhr
FCN-Fans holen Kriegsflüchtlinge nach Burgthann: Wer hat eine Unterkunft?

© Johannes Gurguta

Es ist der siebte Tag des Krieges. Natalja Konstantynova und ihre beiden Kinder Waldemar und Katharina wohnen in Kiew - dem Ziel der russischen Invasoren. In den vergangenen Tagen heulen die Sirenen immer öfter. "Sie läuten alle zwei Stunden, die ganze Zeit", sagt die 42-jährige in gebrochenem Englisch.

Die ukrainische Hauptstadt ist in Bewegung. Alle suchen Schutz in der nächstgelegenen U-Bahnstation, dort Metro genannt. Konstantynova beschreibt die Situation als große Panik. Für sie und ihre Familie ist die Metro zu weit entfernt. Auch zum nächsten Luftschutzbunker brauchen sie zu Fuß 25 Minuten - im Ernstfall ein viel zu langer Weg. Anfangs seien sie noch in ihrer Wohnung im achten Stock geblieben. Ein paar Nächte haben sie aber auch im Luftschutzbunker und bei ihrer 69 Jahre alten Mutter Tatjana verbracht, die nicht weit entfernt in einer Wohnung im zweiten Stock lebt. Da ist bei einer Bedrohung durch Beschuss der Weg in den Keller kürzer.

Sie haben alle in einem Zimmer geschlafen, wo die Wände am dicksten sind. "Meine Tochter hat in der robusten Metall-Badewanne geschlafen, in Embryonalstellung", erinnert sich Natalja Konstantynova. Auf die Straße gehen sie nur selten, wenn sie Essensvorräte brauchen. Jeden Tag liest sie die News auf dem Messengerdienst Telegram - keine guten Nachrichten. Die tägliche Unsicherheit ist kaum auszuhalten. Am Abend des siebten Tages trifft sie eine Entscheidung. Sie will mit ihren Kindern aus der umkämpften Hauptstadt fliehen.

Ein Land flüchtet

Für den Exodus nimmt die Familie nur Rucksäcke mit Essen und Verpflegung mit. Niemand habe gewusst wie lange man unterwegs ist. "Wir haben gehört, dass manche einen ganzen Tag auf den Zug gewartet haben", erzählt sie. Sonst haben sie nur dabei, was sie am Körper tragen. Koffer seien in den Zügen aus der Stadt ohnehin nicht gestattet, um mehr Platz für Menschen zu haben. "Wir haben drei Stunden zu Fuß zum Bahnhof gebraucht", sagt sie. Er sei etwa zwölf Kilometer von ihrer Wohnung entfernt. Dort angekommen merken sie erst, wie viele Menschen sich für die Flucht entschieden haben.

Noch während sie auf den nächsten Zug warten, hören sie laute Explosionen. Russische Raketen schlagen in den nicht weit entfernten Kiewer Fernsehturm ein. "Die Leute standen wie angewurzelt da. Es war so voll. Keine Chance wegzukommen", erklärt sie. Entweder warten oder sterben, beschreibt sie die Situation: "Die Menschen waren verrückt vor Angst." Dann kommt endlich ein Zug. Dieser fährt nach Lwiw, im Deutschen Lemberg genannt. Die Stadt liegt etwa 80 Kilometer östlich der polnischen Grenze. "Die Fahrt hat elf oder zwölf Stunden gedauert, weil der Zug Geheimwege fahren musste", erklärt Konstantynova. Normalerweise brauche er für die Strecke nur etwa fünf Stunden. Von dort aus geht es weiter in die Nähe der polnischen Grenzstadt Medyka.

Rettung aus Burgthann

Etwa zum gleichen Zeitpunkt, am späten Mittwochabend in der vergangenen Woche, kommt ein Burgthanner Hilfskonvoi bei Medyka an. Im Gepäck haben Thomas Spörlein und Dave E. Hufer Hilfsgüter und Geld für die Ukraine. Die beiden Vollblut-Clubberer haben zuvor über ihre humorvolle 1. FC Nürnberg Sendung "Der Gnoddzn" einen Spendenaufruf gestartet. Ein voller Erfolg, ihre zahlreichen Fans haben innerhalb von kürzester Zeit mehrere Tausend Euro gespendet. "Dafür bin ich unglaublich dankbar", erzählt Spörlein. Kurz danach haben sie sich einen Kleinbus ausgeliehen, mit Hilfsgütern vollgepackt und sind in Richtung ukrainische Grenze gefahren. "Immerhin konnte ich so meinen Urlaub für etwas Sinnvolles nutzen", sagt der Burgthanner. Das Vorhaben hat er mit seiner Frau Anna besprochen und sie waren sich einig, dass sie auch eine ukrainische Flüchtlingsfamilie in ihr Haus aufnehmen wollen.

Die Fahrt an die Grenze hat Spörlein fotografisch festgehalten und auf der Facebook-Seite des Komikerduos gepostet, auch um zu dokumentieren, dass das Geld an der richtigen Stelle ankommt. Die Ankunft an der polnischen Grenze gestaltet sich dann schwieriger als erwartet. "Es war ein Chaos und die Organisation schwierig, weil nichts beschildert ist", erzählt er. Die Flüchtlinge kommen schubweise mit den Zügen und Bussen an, Polizei und Presse sind überall. "Es war wie auf einem Ameisenhaufen." Nachdem sie das Auto endlich an der richtigen Stelle entladen können, suchen sie jemanden, den sie auf der Rückfahrt mit nach Burgthann nehmen können. "Ein Vermittler vor Ort hat mir dann gesagt, dass es eine Familie gibt, die Hilfe braucht", erinnert er sich. So kommt es zum ersten Treffen zwischen Thomas Spörlein und Familie Konstantynova.

Bevor die Familie in den VW-Bus der Burgthanner steigt, habe man sich aber kennenlernen müssen. Es gibt unter den Flüchtlingen nämlich Gerüchte, dass Menschen Ukrainer mitnehmen und dann plötzlich horrende Summen für die Fahrt verlangen und die Bedürftigen irgendwo auf dem Weg wieder aussteigen lassen, wenn sie nicht bezahlen können. Ein Telefonat mit einer Dolmetscherin aus Nürnberg aber gibt Natalja Konstantynova Sicherheit. Früh am nächsten Morgen fahren die sechs in Richtung Burgthann, wo sie am Donnerstagabend schließlich ankommen.

Zum ersten Mal beim Club

An den darauffolgenden Tagen waren die Spörleins erst einmal mit den Konstantynovas einkaufen. "Kleidung, Schuhe, eben das Nötigste was man braucht", sagt er. Außerdem meldeten sie sich bei der Erstanlaufstelle für ukrainische Flüchtlinge im Heilig Geist Spital in Nürnberg. Das sei dank Dolmetschern und Helfern bestens organisiert. Thomas Spörlein hat Waldemar am Samstag sogar zum Club-Spiel mitgenommen. Behängt waren sie beide mit einem FCN-Schal und einem in blau und gelb, den ukrainischen Nationalfarben. "Da haben wir gleich Flagge gezeigt", betont Spörlein.

Besonders stolz ist er auf seinen Sohn Mark, der nicht nur kurzerhand sein Zimmer für die geflüchtete Familie geräumt hat, sondern sich auch sofort blendend mit dem 15-jährigen Waldemar verstanden hat. "Manchmal braucht es eben keine Worte, um sich zu verstehen", erzählt er.

Derzeit suchen die Spörleins nach einer passenden Bleibe für die Familie. "Wir haben aber überhaupt kein Problem damit, dass sie hier bei uns sind", versichert der Familienvater. Er könne aber auch vollkommen verstehen, dass die Konstantynovas ihre Privatsphäre brauchen, vor allem nach dieser turbulenten Flucht. Eine große Sorge der ukrainischen Familie sei zudem, dass ihre Anwesenheit als störend empfunden werden könnte. Da widersprechen Thomas und Anna Spörlein im Kanon.

Die Familie hofft auf Rückkehr

Natalja Konstantynova ist glücklich, erst mal in Sicherheit zu sein. Es seien noch einige ihrer Cousins und Cousinen in der Ukraine. Mit ihnen versucht sie, über Telegram Kontakt zu halten, was sich aber schwierig gestaltet, weil es immer öfter Internetprobleme gibt. Sie ist sich bewusst, dass sie großes Glück hatte, Thomas Spörlein an der polnischen Grenze zu treffen. "Ich danke Thomas und seiner Familie von ganzem Herzen, es sind gute Menschen", sagt sie sichtlich gerührt. Ihr größter Wunsch ist aber, dass der Krieg bald endet und sie und ihre Familie wieder in die Heimat zurückkehren können. "Ich vermisse meine Arbeit, meine Freunde, meine Wohnung. Ich vermisse einfach alles."