Private Bäume dürfen meist ersatzlos gefällt werden

5.8.2019, 07:03 Uhr
Nur wenige Kommunen in Bayern schützen alte Bäume mit besonders dickem Stammumfang durch eine Baumschutzverordnung. Und selbst dort fallen Obstbäume, anders als etwa Walnussbäume oder Esskastanien, meist nicht unter diesen Schutz.

© Raffalo/Fotolia.com Nur wenige Kommunen in Bayern schützen alte Bäume mit besonders dickem Stammumfang durch eine Baumschutzverordnung. Und selbst dort fallen Obstbäume, anders als etwa Walnussbäume oder Esskastanien, meist nicht unter diesen Schutz.

"Das war ein erschreckendes, ernüchterndes Ergebnis. Vor der Abfrage hatten wir zumindest mit 200 oder 300 Gemeinden gerechnet", sagt Kai Frobel, beim Bund Naturschutz (BN) verantwortlich für den Bereich Natur und Landschaft in Nordbayern, zum Ergebnis der jüngsten BN-Kommunalbefragung. Dabei kam heraus: Nur 94 von 2056 bayerischen Gemeinden haben eine Baumschutzverordnung.

"Eigentlich sollten alle Kommunen eine Baumschutzverordnung haben, auch die ländlichen", fordert Frobel. Tatsächlich sieht es aber ganz anders aus. Schweinfurt etwa hat seine Baumschutzverordnung im vergangenen Jahr abgeschafft. Und die unterfränkische Stadt ist beileibe nicht allein. Die Liste der Städte ohne Baumschutzverordnung, ist lang: Rothenburg, Feuchtwangen, Dinkelsbühl, Roth, Lauf, Weißenburg, Herzogenaurach, Neustadt/Aisch, Heroldsberg, Treuchtlingen, Wunsiedel und Höchstadt/Aisch, aber auch Aschaffenburg, Passau, Deggendorf oder Neu-Ulm zählen laut BN dazu.

 

Auch Ansbach hat schon viele Jahre keine solche Verordnung mehr. Gerade erst ist ein Antrag mehrerer Fraktionen zur erneuten Einführung im Umweltausschuss der Stadt abgeschmettert worden. „Wir wollen einen Beleg dafür, dass es seit der Abschaffung der Verordnung in Ansbach tatsächlich weniger Bäume geworden sind. Den gibt es aber nicht, nur subjektive Empfindungen“, meint Andreas Schalk, Fraktionsvorsitzender der CSU im Ansbacher Stadtrat und zugleich Landtagsabgeordneter.

"Wir sind für Freiwilligkeit und gegen Gängelung"

Man wolle nicht einfach auf einen populären Umweltschutzzug aufspringen, obwohl die Verordnung außer bürokratischem Aufwand nichts bringe. „Wir sind für das Freiwilligkeitsprinzip und gegen Gängelung. Muss der Staat wirklich alles kontrollieren und sanktionieren?“, fragt Schalk.

Eine Baumschutzverordnung sorge nur dafür, dass die Bäume gar nicht mehr so dick werden würden, dass sie unter den Schutz der Verordnung fallen, weil sie schon vorher gefällt werden, um Ersatzleistungen zu umgehen, ist Schalk überzeugt.


Kommentar: Der Schutz von Bäumen ist keine reine Privatangelegenheit


Der Bund Naturschutz kennt dieses Argument, das in Ansbach sogar ÖDP-Stadträte vorbrachten. Doch bei der BN-Umfrage gaben nur zwei Prozent der Kommunen an, dass solche Fällungen häufig vorkommen. Bei einem Drittel der Kommunen passiert dies "immer wieder". 65 Prozent hingegen gaben an, dass solche Fällungen nur selten vorkommen. 83 Prozent der Kommunen, die selbst eine Baumschutzverordnung haben, schätzen ihre Bedeutung für den Baumschutz überdies als "sehr wichtig" oder "eher wichtig" ein.

"Ich gehe davon aus, dass bei uns ohne Baumschutzverordnung wesentlich weniger Bäume gepflanzt worden wären", meint Reiner Lennemann, Leiter des Erlanger Amtes für Umweltschutz und Energiefragen. Bei Bauvorhaben habe man durch die Verordnung enormen Einfluss und könne Nachpflanzungen mit hoher Qualität fordern.

700 bis 800 Anträge für Baumfällungen gibt es in der Hugenottenstadt pro Jahr, etwa 1000 Bäume sind betroffen. Etwas mehr als eine Personalstelle braucht es, um das alles zu bearbeiten und später stichprobenartig zu kontrollieren. Rund 75 Prozent aller Anträge werden bewilligt.

Bis zu zwölf Nachpflanzungen pro gefälltem Baum

In Fürth sind es sogar etwa 90 Prozent. "Seit die Fürther Baumschutzverordnung im Jahr 2015 geändert wurde und der Mindestumfang für den Schutz von 60 auf 80 Zentimeter angehoben wurde, sind wir angehalten, verstärkt im Interesse der Antragsteller zu entscheiden", sagt Jürgen Tölk, Leiter des Umweltamtes.

Zwar wird fast jeder Antrag genehmigt. Jedoch bleibt die Baumschutzverordnung dennoch nicht ohne Effekt. Für jeden gefällten Baum sind Ersatzpflanzungen fällig. Bis zu zwölf Stück können es in Fürth sein. Dies allerdings nur bei Baumriesen mit einem Stammumfang von mehr als 310 Zentimetern. In der Regel sind es eher einer bis vier.

"Ersatzpflanzungen werden den ökologischen Verlust zwar erst in Jahrzehnten ausgleichen können – aber jeder kleine Baum wird irgendwann groß", meint Tölk. Trotzdem sollten möglichst viele große, alte Bäume erhalten bleiben. "Sie haben eine sehr viel größere Blattmasse und erzeugen dadurch sehr viel mehr Sauerstoff. Außerdem setzen sie viel Wasserdampf frei, der sich positiv auf das Kleinklima auswirkt", erläutert Tölk.

Wer nicht pflanzen kann, muss zahlen

Der Leiter des Fürther Umweltamtes hält Baumschutzverordnungen für ein wichtiges umweltpolitisches Signal, das den Bürgern die enorme Bedeutung der alten Bäume klarmacht und dafür sorgt, dass trotz Baubooms und Nachverdichtung das Grün nicht weniger wird.
Sind Ersatzpflanzungen an Ort und Stelle nicht möglich, müssen die Grundstückseigentümer Ausgleichszahlungen leisten, die die Stadt wiederum in neues Grün steckt.

Dem Bund Naturschutz schwebt für die Zukunft eine gesetzliche Verankerung des Baumschutzes für ganz Bayern und ein zoniertes Konzept vor. Das heißt: In schon stark verdichteten Räumen sind die Regelungen strenger, in ländlichen Gebieten mit viel Grün und einem hohen Baumbestand greift die Verordnung erst etwas später.
Daniel Mühlleitner, beim BN als Projektkoordinator für Stadtbäume zuständig, betont, dass auch kleinere Orte ihre Bäume schützen müssen.

"Es reicht nicht, wenn viel Wald drum herum ist. Das bringt dem Anwohner in der Ortsmitte nicht viel. Was wir vor allem brauchen, sind viele einzelne Bäume in jeder einzelnen Straße", fordert er. "Baumschutz ist keine Privatangelegenheit. Wer einen Baum fällt, schadet der Kommune und den Mitmenschen. Deshalb braucht es gesetzliche Hürden", betont Mühlleitner.
 

 

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