Restaurants dicht: So steht es um den fränkischen Karpfen

30.3.2021, 13:42 Uhr
Besonders gebacken ist der halbe Karpfen in Mittelfranken beliebt. 

© Hans-Joachim Winckler Besonders gebacken ist der halbe Karpfen in Mittelfranken beliebt. 

Die Pandemie hat viel aufgewirbelt. Ängste, Sorgen, Existenznot. In den Karpfenteichen, und das ist eine gute Nachricht, herrscht aber Gleichgewicht. "Es sieht nach einer Punktlandung aus", sagt Walter Jakob, der sich seit Jahrzehnten dem beliebtesten Fisch der Franken verschrieben hat. "Es sieht so aus, als würden wir mit einem blauen Auge davonkommen." Trotz seit Monaten geschlossener Restaurants wird wohl kaum Karpfen übrig bleiben, erklärt der Vorsitzende der Teichgenossenschaft Aischgrund. "Vernichtet wird ohnehin nichts, aber es werden wohl auch kaum Fische in die Teiche zurückgesetzt werden müssen."

Auch in Franken haben viele alteingesessene Gaststätten auf "ToGo"-oder Lieferservice umgeschwenkt. Das hat die Saison, die mit dem Karfreitag an Ostern ihren Höhepunkt findet, wohl gerettet. "Es gibt Betriebe, in denen lief es besser als vor dem Lockdown", sagt Jakob. Aber es gebe auch genügend Restaurants, in denen das Mitnahme-Geschäft überhaupt nicht angenommen wurde. "Das hat nichts mit der Qualität zu tun." Dort, wo das Karpfenessen ein Event mit Ausflug war, herrscht Flaute. "Niemand fährt eine Stunde für 'ToGo'."

Die Sorgen im Winter, als der Lockdown in der Gastronomie begann, waren groß, sagt auch Martin Oberle. Er ist Leiter der Karpfenteichwirtschaft bei der Landesanstalt für Landwirtschaft, ein Aischgründer, der den Fisch kennt und liebt. "Aber das Geschäft war trotz der Ängste, gerade über 'ToGo', sehr gut", sagt Oberle. Schon im Januar haben die Teichwirte in der Oberpfalz etwa einen Großteil ihrer Karpfen verkauft.

Teichwirte sind in Not

Das ist bemerkenswert, denn: Gerade Aischgründer Karpfen bleibt häufig in der Region. "Das ist weltweit schon fast einzigartig", sagt Oberle. Während in der Oberpfalz relativ viel exportiert wird, wird der in Franken produzierte Fisch auch in den heimischen Gaststätten angeboten. Trotz der seit Monaten geschlossenen Restaurants aber ist der Großteil jetzt gegessen.

Der Karpfen folgt strikten Traditionen, wird nur in Monaten mit einem "r" im Namen verkauft - und der Mittelfranke isst ihn fast nur außerhalb, selten selbstgekocht. "Aber das hat sich geändert", sagt Oberle. Während der Pandemie haben viele den Fisch ganz neu entdeckt, Fachgeschäfte sprechen von einer großen Nachfrage. "Sie können den Fisch als Filet in der Pfanne braten wie jeden anderen auch. Oder man isst ihn blau." Gerade in Ostdeutschland ist es selbstverständlich, Karpfen in der heimischen Küche etwa in Essigsud zu kochen - auch der Franke legt jetzt in der Küche immer häufiger selbst Hand an.

Aber rettet das die Teichwirtschaft in Franken und der Oberpfalz, einer Branche, die mehr Leidenschaft als Geschäft ist? Der Großteil der Züchter im Aischgrund arbeitet im Nebenerwerb - es sind etwa 1200 Kleinstbetriebe, die um jeden Euro kämpfen. Die Zeiten sind rau. "Die Teichwirte sind wie geprügelt", sagt auch Oberle von der Landesanstalt für Landwirtschaft. Auch Jakob von der Teichgenossenschaft Aischgrund bestätigt das. "Viele sind frustriert", sagt er. "Wie sich das auswirkt, wird man erst im September sagen können." Dann, wenn die neue Karpfensaison beginnt.

Verschwinden die Teiche, verschwindet auch Leben

Er selbst sei erst in Vietnam gewesen, wo ein Großteil des in Deutschland beliebten Pangasius produziert wird. "Da hat der Teichwirt pro Hektar rund 40.000 Euro Gewinn." Davon können die Erzeuger in Bayern nur träumen. Bei ihnen bleibt, wenn alles gut läuft, ein Stundenlohn von drei bis vier Euro hängen. "Verrückt" sei das in Zeiten, in denen Regionalität als Zeitgeist propagiert wird, in der die CO2-Bilanz über jedem Lebensmittel schwebt.

Nicht nur wegen Corona wollen gerade viele ältere Teichwirte hinschmeißen. Der Kormoran und der Fischotter, die sich auch in Franken weiter ausbreiten, gefährden die Bestände. "Jeder Fisch der gefressen wird, bedeutet Geld", sagt Oberle. Auch in der Region wurden die ersten Teiche zugeschüttet - und Mais angepflanzt. Das könnte Bayerns Landschaft für immer verändern, warnen Experten. Die Ufer seien einzigartige Biotope, eine der letzten Bastionen der Artenvielfalt.

Eigentlich hätten auch Bayerns Teichwirte Grund zum Jubeln. Erst vor wenigen Tagen erklärte die Unesco die Teichwirtschaft im Freistaat zum immateriellen Kulturerbe. Der Karpfen ist mehr als ein Fisch, er ist Tradition, formt die Landschaft. "Trotz der Pandemie macht die Natur einfach weiter", sagt Oberle. "Die Fische wachsen, als ob nichts wäre." Doch ob das auch in Zukunft so bleibt, entscheidet sich am Konsumverhalten. "All das lässt sich nur erhalten, wenn das heimische Produkt auch zu fairen Preisen gekauft wird."

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