Triathlon

Challenge als Emotions-Maschine? Warum weniger Drama manchmal mehr ist

6.9.2021, 06:49 Uhr
Patrick Lange, der von Anfang an das Rennen dominierte, wurde im Stadion in Roth mit frenetischem Beifall vom begeisterten Publikum im Ziel empfangen.

© Robert Gerner, NN Patrick Lange, der von Anfang an das Rennen dominierte, wurde im Stadion in Roth mit frenetischem Beifall vom begeisterten Publikum im Ziel empfangen.

Eher erinnerten die 3,8 Schwimmkilometer im Kanal, die auf gut 165 Kilometer verkürzte Radstrecke und der abschließende Marathon an die Anfangsjahre des sportlichen Ausdauerdreikampfes. Dass mit dem zweifachen Hawaii-Sieger Patrick Lange und der amtierenden Ironman-Weltmeisterin Anne Haug zwei ganz Große des Sports das Rennen dominierten und mit großem Vorsprung in nie vorher gesehenen Zeiten gewannen, freute den Veranstalter.

Zwei neue Namen in der langen Siegerliste, die bis ins Jahr 1988 zurückreicht, als Axel Koenders und Rita Keitmann triumphiert hatten. Damals waren übrigens nur 706 Frauen und Männer am Start - weniger als halb so viele wie in diesem Jahr.

Es funktioniert

Morgens um 6 Uhr ist klar: Zumindest an der Schwimmstrecke funktioniert das Konzept des Veranstalters. Weitgehend zumindest. Felix Walchshöfer hatte die vielen Triathlon-Fans händeringend gebeten, zu Hause den Triathlon im Fernsehen anzuschauen (was der BR mit einer über achtstündigen Live-Sendung möglich machte). Walchshöfer ließ das Ganze untermauern mit Sichtschutzzäunen an der Staatsstraße über den Kanal und in Höhe des Schwimmstarts.

Roth kann er jetzt von seiner „Bucket List“ streichen. Der zweifache Ironman-Weltmeister Patrick Lange kam nach fast unwirklich anmutenden 7:19:19 Stunden ins Ziel. Allerdings war die Radstrecke baustellen- und coronabedingt fast 15 Kilometer kürzer.  

Roth kann er jetzt von seiner „Bucket List“ streichen. Der zweifache Ironman-Weltmeister Patrick Lange kam nach fast unwirklich anmutenden 7:19:19 Stunden ins Ziel. Allerdings war die Radstrecke baustellen- und coronabedingt fast 15 Kilometer kürzer.   © Salvatore Giurdanella, NN

Manches wirkt fast ein wenig übertrieben in Zeiten, in denen die Fußballstadien allmählich wieder voller werden und in der zumindest in Europa allmählich ein bisschen Normalität nach eineinhalb Corona-Jahren einkehrt.

Doch das Team Challenge wollte lieber einen Ticken mehr Sicherheit als einen zu wenig. Um mit einem ausgefeilten Hygienekonzept zu zeigen, dass Großveranstaltungen in Pandemiezeiten möglich sind.

1000 statt 10000

Nun: Statt der üblichen 8000 oder 10000 Menschen sind vielleicht 1000 zum Schwimmstart gekommen. Die meisten versammeln sich abseits der Zäune. Einige wenige schieben die Werbebanner, die den Blick aufs Geschehen verhindern sollen, nach oben.

Meist sind es Familienangehörige der Starter. Ganz alleine kommt kaum jemand. Man braucht ja zumindest jemanden, der die Luftpumpe mit nach Hause schleppt, mit der die letzten Atü in die Reifen der High-Tech-Maschinen gepresst werden.

Optimale Bedingungen

Ein Triathlon im September mag wettertechnisch ein paar Risiken bergen. Im Falle des Triathlon in Roth hat der Termin aber einen entscheidenden Vorteil. Das Wasser erreicht um diese Jahreszeit keine 24 Grad mehr, ab der die Ausdauer-Dreikämpfer auf ihren beliebten Neoprenanzug verzichten müssten. Es wird auch niemand gebraucht, der schnell nochmal die Schleusen aufmacht, damit das kühlere Wasser aus den unteren Schichten des Kanals nach oben schwappt. Knapp 19 Grad - ideale Bedingungen fürs Schwimmen.

Der stimmungsvolle Auftakt zu einem Sporttag, der die Dreikämpfer in ungewohnter Stimmung ins Wasser schickte: Um 7 Uhr fiel am Kanal bei Heuberg der Startschuss für die 2021er Auflage des Challenge Roth, der von sportlichen Top-Leistungen genauso geprägt war wie von Vorsichtsmaßnahmen, um nicht zum „Superspreader-Event“ zu mutieren. Und anfangs auch vom Nebel.  

Der stimmungsvolle Auftakt zu einem Sporttag, der die Dreikämpfer in ungewohnter Stimmung ins Wasser schickte: Um 7 Uhr fiel am Kanal bei Heuberg der Startschuss für die 2021er Auflage des Challenge Roth, der von sportlichen Top-Leistungen genauso geprägt war wie von Vorsichtsmaßnahmen, um nicht zum „Superspreader-Event“ zu mutieren. Und anfangs auch vom Nebel.   © Salvatore Giurdanella, NN

Auch beim Radfahren - kein Wind! - und beim Laufen - Sonne pur! - passt alles. Der Challenge hat seit vielen Jahren ein Bündnis mit den Azoren-Hochs geschlossen. Es ist fast wie eine Schönwetter-Blase, die sich da alljährlich um den Triathlon herum bildet. Egal, ob der nun im Juli oder im September stattfindet.

Kein Hotspot, nirgends

Auf den aufgrund von Baustellen verkürzten gut 165 Radkilometern und dem brutalen abschließenden Marathon haben die Athletinnen und Athleten die Landschaft mehr oder weniger für sich. Motorräder mit Fotografen und Kameraleuten umschwirren vielleicht die Besten. Die „Agegrouper“ bekommen bloß hin und wieder einen Wettkampfrichter zu Gesicht.

Unterwegs stehen die Menschen in jedem Ort vor der Tür. Aber es gibt nirgends einen der gefürchteten Hotspots. Es gibt keine Sprechertürme, keine Zwischeninformationen, kein Dröhnen aus Boxen. Es ist Sport-Tag, sonst nichts.

Geimpft, genesen oder getestet

Am ausgefeiltesten ist das Hygiene-Konzept rund um das Zielstadion. Nur Geimpfte, Genesene oder aktuell negativ Getestete kommen durch den einzigen Eingang hinein. Drinnen sind nur die ankommenden Athleten, von denen über 90 Prozent gegen Corona geimpft sind, und die drei Stadionsprecher von der Maskenpflicht befreit.

Der Appell an die Fans, möglichst nicht zu kommen, wirkt auch hier. Nicht einmal als Patrick Lange (7:19:19 Stunden) und Anne Haug (7:53:48 Stunden) in unfassbaren Zeiten die Ziellinie passieren, sind die 1500 bestuhlten Plätze im Stadion voll. Wobei der Vergleich mit früheren Rennen natürlich ein wenig hinkt. Es fehlen ja knapp 15 Radkilometer - und damit gut 20 Wettkampfminuten.

Am Abend wird es voller

Erst am Abend, dann wenn der Triathlon am schönsten ist, findet sich kaum noch ein freier Stuhl. Doch selbst die Finishline-Party, die in diesem Jahr nicht Finishline-Party heißen darf, fühlt sich ganz anders an als früher: weniger bombastisch, ein bisschen mehr Moll als zu viel Dur. Bestes Beispiel: Das Abschluss-Feuerwerk. Nicht ganz so üppig und überbordend, kürzer und kleiner. Dem Ausnahme-Challenge 2021 angemessen.

Verwandte Themen


1 Kommentar