"Bucket List" von Patrick Lange

"Mehr wie Sterben": Anne Haug über ihren Sieg beim Challenge Roth

5.9.2021, 19:52 Uhr
Brach nach ihrem Zieleinlauf erst einmal erschöpf zusammen: Anne Haug, hier mit Challenge-Chef Felix Walchshöfer.

© Sportfoto Zink / Oliver Gold, Sportfoto Zink / Oliver Gold Brach nach ihrem Zieleinlauf erst einmal erschöpf zusammen: Anne Haug, hier mit Challenge-Chef Felix Walchshöfer.

Triathlon ist unerbittlich. Nicht nur auf der Strecke, auch danach müssen sich die Athleten quälen. Anne Haug ist während ihres abschließenden Marathons "fast gestorben", wie sie selbst sagt. Trotzdem musste sie nach einer kurzen Pause, in der sich scheinbar leblos im Schatten des Triathlon-Parks gesessen hatte, wieder aufstehen, zehn Stufen erklimmen und sich vor eine Fernsehkamera stellen. Die beste Triathletin der Welt taumelte auf ihren dünnen Beinen die Treppen hinauf, jeder Schritt tat schon beim Zuschauen weh.

Am Mikrofon angekommen, mussten zwei Betreuer sie von hinten stützen. Zu groß war die Angst, dass sie umkippt – vor laufender Kamera. Anne Haug zitterte so sehr, dass BR-Moderatorin Julia Büchler der Athletin nach dem Interview fürsorglich ihre Jacke anbot. Anne Haug war 3,8 Kilometer geschwommen, 170 Kilometer Fahrrad gefahren und 42 Kilometer gelaufen – in einer fabelhaften Zeit von 7:53:48 Stunden.

Sie hatte ihre Konkurrentinnen, allen voran die beiden Britinnen Laura Siddall (8:25:24 Stunden) und Fenella Langridge (8:27:04), bei ihrer Premiere beim Challenge Roth deklassiert. Sie ist Weltmeisterin und seit ihrem Hawaii-Sieg 2019 die beste Triathletin des Planeten. Dennoch musste sie kämpfen.

Lange läuft allen davon

"Während des Rennens schaue ich nie auf die Zeit", sagt Haug, nachdem sie sich wieder etwas erholt hatte. "Ich hatte auf dem Rad richtig gute Beine. Erst in der zweiten Wechselzone habe ich gesehen, dass ich ganz vorne bin. Dann ist es immer besser, agieren zu können statt zu reagieren." Das Laufen aber war "hart". Ab Kilometer zehn war es "mehr Sterben". Doch es hatte sich gelohnt.

Anne Haug hat sich am Sonntag in Roth einen Traum erfüllt, denn für die Bayreutherin ist der Challenge ihr "Heimrennen", zu dem sie es in diesem Jahr endlich geschafft hat. "Das war etwas Besonderes", sagt die 38-Jährige. "So viele Menschen an der Strecke haben meinen Namen gerufen. Das war toll." Auch wenn nicht so viele Zuschauer dabei waren wie in den Jahren zuvor –, "in Zeiten von Covid-19 war es ein mega Rennen", sagt Haug. Ihre Zielzeit hätte ein neuer Rekord sein können, doch da die Radstrecke wegen diverser Baustellen zehn Kilometer kürzer war, dürften dennoch die 8:18:13 Stunden von Chrissie Wellington aus dem Jahr 2011 Bestand haben.

Zeigte ein starkes Marathon-Rennen, auch wenn es für ihn hart war: Patrick Lange.

Zeigte ein starkes Marathon-Rennen, auch wenn es für ihn hart war: Patrick Lange. © Daniel Karmann, dpa

Gleiches gilt auch für die 7:35:39 Stunden von Jan Frodeno aus 2016. Am Start war der Weltmeister am Sonntag nicht, dafür aber alle anderen deutschen Spitzen-Athleten – und die lieferten sich beim Schwimmen und auf dem Fahrrad einen harten Kampf. Ruben Zepuntke führte das Feld vor dem Laufen an, Patrick Lange attackierte den Führenden schon nach sechs Kilometern. Der Weltmeister von 2017 und 2018 zog unnachahmlich davon.

Die Sonne brannte mittlerweile unerbittlich vom Himmel, Zepuntke konnte nicht folgen. Nach elf Kilometern zog auch Nils Frommhold vorbei. Titelverteidiger Andreas Dreitz bekam auf Rang vier ebenfalls Probleme, ins Ziel kam der gebürtige Lichtenfelser nach 7:51:32 Stunden auf Rang acht. Lange war da längst im Ziel, Er finishte in 7:19:19 Stunden, dahinter folgten Frommhold (7:30:31) und Felix Hentschel (7:31:12) auf Rang zwei und drei. Und das war die eigentlich Überraschung des Tages.

An Patrick Lange aber kam der Bamberger trotz Marathon-Rekordzeit nicht heran, dafür war der 35-Jährige schlichtweg zu stark. "Das Schwimmen war sehr gut, beim Radfahren musste ich ganz schön feste treten, das Tempo war enorm hoch. Beim Laufen, als ich die Führung übernommen habe, wusste ich nicht genau, wie es ausgeht", gibt Lange zu. "Ich musste doch sehr kämpfen." Erst vor zwei Wochen und nach der Absage des Ironman Hawaii Anfang Oktober hatte Lange entschieden, den Challenge Roth endlich von seiner "Bucket List" streichen zu wollen. Es hatte sich gelohnt.

"Dieser Empfang, diese Stimmung, das ist etwas Besonderes", sagte der Sieger noch im Triathlon-Stadion, ehe er mit seiner Frau Julia Richtung Verpflegungsstelle ging. Weit nach Hause hatten sie es nicht. Wie viele Athleten waren auch die Langes bei Helfern aus Roth untergebracht. "Das Homestay ist wirklich etwas Besonderes", sagt der in Österreich lebende Profi. "Wir werden mit der Familie Schlenk feiern, die haben das Bier schon kalt gestellt."

"Man merkt, dass der Triathlon hier allen sehr viel bedeutet"

Über den Tag, der um 7 Uhr morgens mit dem Schwimmstart begonnen hatte, habe er bei seiner Roth-Premiere viele tolle Erlebnisse gesammelt. "Man merkt, dass es die Leuten leben, dass der Triathlon hier allen sehr viel bedeutet." Im Frühjahr hat Lange den Ironman in Tulsa gewonnen. "Doch hier in Roth war die Stimmung trotz Corona deutlich besser." Nicht nur Patrick Lange hat das bis ins Ziel getragen.

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