Herzinfarkt vorbeugen - Telefonsprechstunde am Freitag

25.11.2020, 08:19 Uhr
Herzinfarkt vorbeugen - Telefonsprechstunde am Freitag

© Foto: Shuterstock/NN

In einer kleinen Serie begleitet unsere Zeitung eine Informationsreihe der Rother Kreisklinik mit Priv.-Doz. Dr. med. habil. Thomas Anger. Im zweiwöchigen Abstand steht der Kardiologe (Facharzt für Herz- und Kreislauferkrankungen) in den nächsten Wochen Rede und Antwort zu verschiedenen Schwerpunktthemen.

Das Thema "Herzinfarkt" steht im Mittelpunkt des folgenden Interviews. Telefonisch steht Anger am Freitag, 27. November, 14 bis 15 Uhr, bei einer Telefonsprechstunde in der Kreisklinik Rede und Antwort (s. Infoteil).

Im Interview beleuchtet er ein paar grundsätzliche Aspekte.

Herr Dr. Anger, gängigen Vorstellungen zufolge bekommen Männer im Alter um die 50, bevorzugt Manager, etwas übergewichtig, vielleicht noch Raucher, am ehesten einen Herzinfarkt. Ist das ein Klischee oder ist da auch etwas Wahres dran?

Thomas Anger: Es ist leider kein Klischee – männliche Manager, beruflich oft ,unter Strom‘, etwas übergewichtig, rauchend, um Stress abzubauen und womöglich noch familiär vorbelastet erfüllen alle Voraussetzungen, um irgendwann einmal einen Herzinfarkt zu erleiden.

Medizinische Risikofaktoren sind: Bluthochdruck, hohe Cholesterinwerte (LDL-Cholesterin), Gicht, Depression, jede Art von psychischem Stress, Zuckererkrankung (Diabetes mellitus) und fehlende Bewegung sowie Rauchen. Dazu kommen vererbte Risiken; dann sind Männer stärker betroffen als Frauen und schlichtweg das Alter. Die drei letztgenannten Risikofaktoren muss man tatsächlich so hinnehmen. Bei allem anderen aber lässt sich medizinisch oder durch persönliche Vorsorge gut gegensteuern.

Herzinfarkt vorbeugen - Telefonsprechstunde am Freitag

© Foto: Kreisklinik

Nun gibt es Lebensphasen, in denen einfach zu wenig Zeit oder auch eigene Energie bleibt, um wirklich gesund zu leben und oben genannte Risikofaktoren zu vermeiden. Wenn Sie nun ein Patient fragt, was die drei wichtigsten Punkte sind, um einen Herzinfarkt zu vermeiden. Was sagen Sie?

Anger: Risikofaktoren, die man selbst beeinflussen kann, müssen als erste angegangen werden: Damit steht für mich das Rauchen an erster Stelle. Auf Platz zwei kommt für mich das Thema Bewegung – man hält sich auch dann fit, wenn man z. B. Aufzüge meidet und stattdessen Treppen benützt. Gegen psychischen Stress und vermeintliche Depressionen kann jeder täglich etwas tun, in dem man etwas unternimmt, was einen glücklich macht; und wenn es nur ist, dass man Musik zur Entspannung hört oder ein gutes Gespräch mit jemandem führt, den man mag.

Dass sich ein Infarkt mit Brustschmerzen ankündigt, wissen zwar viele. Aber was genau sind typische Anzeichen für einen Infarkt. Oder noch besser: gibt es Anzeichen, wenn sich ein Infarkt ankündigt, auf die ich achten kann, um es nicht zum Worst Case kommen zu lassen?

Anger: Die klinischen Symptome des Herzinfarktes ist der gürtelförmige Brustschmerz, der die Brust des Patienten einschnürt. Dieser Schmerz strahlt in den linken Arm aus.

Patienten mit einem Herzinfarkt fühlen oft sogar Todesangst. Begleitend fühlt sich der Patient einfach wirklich schlecht, hat Übelkeit, schwitzt, hat Atemnot und ist womöglich kurze Zeit bewusstlos.


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Natürlich gibt es da auch Ausnahmen. Manche Herzinfarkt-Patienten spüren einfach nichts, wenn sie z.B. zuckerkrank sind, oder haben ,einfache‘ Bauchschmerzen; oder der rechte Arm tut weh – nicht der linke. Entscheidend ist letztlich immer eine klinische Diagnose mithilfe eines EKG und Laboruntersuchungen.

Was tun, wenn man solche oder ähnliche Beschwerden bei sich spürt?

Anger: Jeder und jede, die solche Anzeichen spürt und vielleicht irgendwie so gar nicht weiß, was gerade im eigenen Körper passiert; man eventuell wirklich Angst bekommt – immer dann sollte man zum Hausarzt gehen und zumindest ein EKG schreiben lassen – die ersten Veränderungen sind im EKG zu sehen.

Herzinfarkt vorbeugen - Telefonsprechstunde am Freitag

© Archivfoto: B. Huck

Die Statistik weist aus, dass deutlich weniger Frauen als Männer einen Herzinfarkt bekommen. An was liegt das und unterscheiden sich "männliche" Symptome von denen der Frauen?

Anger: Frauen sind bis zur Menopause hormonell geschützt vor der Erkrankung, die schließlich zum Herzinfarkt führt: die Gefäßverkalkung. Da der Herzinfarkt-Patient eher jünger ist, trifft es daher mehr Männer als Frauen. Im Alter ab etwa Mitte 50 ist die Verteilung ziemlich gleich und das Risiko einen Herzinfarkt zu erleiden zwischen Männern und Frauen mindestens gleich. Auch durch Hormongaben lässt sich das leider nicht ausgleichen.

Und: In unseren Bevölkerung gibt es in den älteren Generationen immer noch mehr Männer als Frauen in festen Berufsanstellungen. Die allermeisten auch in Vollzeit. Das heißt, der negative Stress-Faktor spielt hier ganz klar gegen die Männer. Wir werden sehen, dass sich mit einem wachsenden Anteil an Frauen in Vollzeitstellen bis ins Rentenalter hinein diese weibliche Überlegenheit in Sachen "Herzinfarktrisiko" ausgleichen wird. Aus medizinischer Sicht muss ich sagen: leider.

Wenn es einen nun doch erwischt hat – was ja selbst einem regelmäßigen Freizeitsportler, von denen es in unserer Region ja wirklich viele gibt, passieren kann – wie stehen die Chancen, danach wieder so leistungsfähig sein zu können wie vorher?

Anger: Der entscheidende Faktor, wie leistungsstark man nach einem Herzinfarkt wieder sein kann, ist leider auch abhängig davon, wie schnell man medizinisch behandelt wurde. Das ist ähnlich zu einem Schlaganfall, nach dem ebenfalls jede Minute für eine gute Rekonvaleszenz zählt. Um wirklich den menschlichen Motor ,Herz‘ vollständig erhalten zu können, hat man vom Eintritt des Infarktes bis hin zur Therapie im Herzkathederlabor gerade einmal 90 Minuten Zeit. Danach stirbt unweigerlich und irreversibel menschliche Herzmuskelmasse ab und kann nicht mehr ersetzt werden.


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Darum ist es auch so wichtig, schnell Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn man glaubt, einen Herzinfarkt zu haben. Medikamente verhindern im Nachhinein immerhin eine weitere Verschlechterung der Herzmuskelfunktion und erhalten die Pumpleitung des menschlichen Herzens – besonders nach einem Herzinfarkt.

Und wie lange dauert es, wieder fit zu werden?

Anger: Die körperliche Fitness stellt sich gleich unmittelbar nach der Akut-Therapie – dem Wiedereröffnen des arteriellen Infarktgefäßes ("Herzkatheder") am Herzen ein. Man fühlt sich fast postwendend wieder gesund, obwohl man gerade wirklich schwer erkrankt ist/ war.

Dieses Bewusstsein, nämlich tatsächlich eine wirklich schwere Erkrankung nur im ersten Moment überwunden zu haben, muss ein Patient verinnerlichen. Er muss auf sich hören lernen, ein Bewusstsein bekommen für seine Herzschmerzen, seinen Herzschlag. Das erlernt der Patient nach der einwöchigen Krankenphase im Akutkrankenhaus meist in der Anschlussheilbehandlung, der kardiologischen Rehabilitation.

Das ist die medizinische Seite. Was kann man selbst zu Hause tun?

Anger: Der Patient kann nach einem Herzinfarkt viel für sich selbst tun: körperliche Aktivität vorantreiben, also unter kontrollierten Bedingungen sportlich aktiv sein – in einer Koronarsportgruppe beispielsweise. Zudem wird der Patient oder die Patientin sinnvollerweise das eigene Leben umstellen müssen, nachdem die Umstände ja in den allermeisten Fällen der Auslöser für den Infarkt waren. Welche Risikofaktoren das sind, die vermieden werden sollten und was sich dagegen tun lässt, habe ich ja anfangs schon ausgeführt.

Ich kann mich nur wiederholen und darauf hinweisen, dass so eine effektive Prophylaxe gelingen kann. Außerdem sollten sich Infarktpatienten halbjährlich durch den Hausarzt oder den kardiologischen Facharzt untersuchen lassen. Sämtliche Medikamente sollen nur ärztlich abgesetzt oder verändert werden – sie dienen schließlich alle der Vermeidung eines erneuten weiteren Herzinfarktes. Denn: die Grunderkrankung des Herzinfarktes, die Gefäßverkalkung, schreitet dennoch voran – auch nach dem Herzinfarkt. Also heißt es nun das Voranschreiten der Gefäßverkalkung zu verhindern – das ist tatsächlich eine Herausforderung für Arzt und Patient.


INFO: Rede und Antwort zum Thema "Herzinfarkt" steht Dr. Thomas Anger auf individuelle Fragen in einer Telefonsprechstunde in der Kreisklinik Roth am Freitag, 27. November, 14 bis 15 Uhr, unter der Telefonnummer (09171) 80 22 25.

Patienten mit Herzinfarkt fühlen oft sogar Todesangst

In Deutschland gehören Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu den sogenannten Volkskrankheiten. Obwohl laut Statistik die Todesfälle in den vergangenen zehn Jahren durch Fortschritte in Diagnostik und Therapie fast um die Hälfte abgenommen haben, ist der Herzinfarkt bundesweit noch immer die häufigste Todesursache überhaupt. Rund 220 000 Menschen erleiden pro Jahr in Deutschland einen Herzinfarkt; zwei Drittel davon sind Männer. Etwa 50 000 Männer und Frauen sterben am Infarkt (Stand: 2019). Ein Herzinfarkt entsteht, wenn der Herzmuskel nicht mehr ausreichend mit Blut und Sauerstoff versorgt wird. Wird die Durchblutung nicht innerhalb weniger Stunden wiederhergestellt, stirbt ein Teil des Herzmuskelgewebes ab. Noch Jahre nach einem Herzinfarkt ist das Risiko für lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen einschließlich eines plötzlichen Herztods deutlich erhöht. Weitere Infos zum Thema u.a. unter www.herzstiftung.de

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