Lehrgang: So können Herdenhunde vor Wölfen schützen

20.10.2020, 05:56 Uhr
Lehrgang: So können Herdenhunde vor Wölfen schützen

Es ist ein bitteres Lehrgeld, das Swen Keller aus Sachsen-Anhalt vor einigen Jahren zahlen musste. Als seine frisch geborenen Kälber einem Wolfsangriff zum Opfer fielen, suchte er nach Wegen, seine Tiere künftig vor solchen Attacken zu bewahren. Heute ist der Landwirt Experte für Herdenschutzhunde, wovon bei einem zweitägigen Lehrgang (dem ersten seiner Art in Bayern) in Enkering und Kleinnottersdorf 24 Teilnehmer profitierten.

Bis aus Hessen und Baden Württemberg kamen sie angereist. Veranstaltet wurde die Fortbildungsmaßnahme vom "Verband Herdenschutz e.V.", der im süd- und mitteldeutschen Raum als Beratungsstelle für Weidetierhalter und deren Sprachrohr in Richtung Politik und Gesellschaft agiert. Mit insgesamt 25 Mitgliedern steckt der Verein dabei aber noch etwas in den Kinderschuhen.


Zweites Wolfsrudel im Bayerischen Wald nachgewiesen


Die Aufgabenbereiche sind jedoch schon verteilt. Michael Sinke heißt der Vorsitzende und Sprecher für Thüringen, Stellvertreter und Bayernsprecher ist Robert Eberler aus dem Hilpoltsteiner Ortsteil Holzi. Er hat seine Herde mit 700 Merino-Landschafen und einigen Burenziegen bei Kleinnottersdorf stehen.

Lehrgang: So können Herdenhunde vor Wölfen schützen

© Foto: Jürgen Leykamm

Kombination aus Schutzmaßnahmen

Ein Elektrozaun und vier Herdenschutzhunde sorgen dort dafür, dass Isegrim keine Chance hat. "Eine gute Nervenberuhigung", sagt der Schäfermeister, als sich die Lehrgangsteilnehmer beim praktischen Teil auf dem Areal einfinden. Immerhin sei erst vor Kurzem ein Wolf in der Region gesichtet worden. Es ist auch die Kombination an Schutzmaßnahmen, die Keller empfiehlt. Und damit auf immer größere Resonanz stößt.

Eberler selbst begann 2017 mit dem Einsatz von Herdenschutzhunden. Für den Kauf dreier Tiere fuhr er eigens nach Nordspanien in die Nähe von León. Damals sei er von vielen Kollegen noch belächelt worden, erklärt er.

Doch das Blatt drehe sich mehr und mehr – heutzutage werde eher befürchtet, dass der Schutz seiner Schafe den Appetit des Raubtiers auf andere, ungeschützte Herden umso größer mache. Derzeit sind es vier Hunde, die bei Kleinnottersdorf wachen: Anni, Arko, Perla und Sama lassen hier nichts anbrennen.

Sie sind Vertreter der Rasse "Mastín Español" und bringen je um die 100 Kilogramm auf die Waage. Wer da meint, er müsse auf die Schafweide stürmen und dann hinfällt, "der wird dort erst einmal festgenagelt", warnt Keller, seines Zeichens auch Vorsitzender der Interessensgemeinschaft (IG) "Herdenschutz plus Hund e.V.". Auch die Teilnehmer mahnt der Fachmann, "die Tiere nicht einfach anzufassen!"

Es gilt Vertrauen aufzubauen. Und so läuft Eberler mit einem Hund nach dem anderen im Slalom um einige ausgewählte Zweibeinern herum. Ein Schauspiel, das sich die Schafe nicht entgehen lassen, die sich wie auf einer Zuschauertribüne im Pulk versammeln.

 

 

Dann dürfen die vier Mastíni, die mit der Herde aufgewachsen sind und damit quasi zur Familie gehören, auch mal zeigen, was sie können und eine Attacke starten.

Da geht es teils recht stürmisch zu. Es müsse aber noch gefeilt werden, meint Keller: "Selbst Herdenschutzhunde brauchen ein Arbeitskonzept", betont der Fachmann. Und ganz wichtig: "Ein Hund, der herangerufen wird, muss sofort kommen – alles andere können wir der Gesellschaft nicht verkaufen!"

Herdenschutz ungefährdet

Den Bewertungsbogen füllt der Experte gleich noch vor Ort aus. Dass einer der Hunde die Menschen ins Visier nimmt, als sie sich der Weide nähern, während sich die anderen drei des Quartetts um die Herde kümmern, kommt gut an. Allen Vieren bescheinigt er "eine gute Energie". Nachzubessern gibt es zwar noch einiges, aber "der Herdenschutz ist hier nicht gefährdet", so Kellers Gesamturteil.

Vor wenigen Monaten wachten hier noch acht Hunde – vier hat Eberler seither verkauft. Die entsprechenden Einnahmen wiegen dabei gerade einmal die während der Aufzucht entstandenen Kosten auf.

 

Nun ist bald die nächste Generation am Start: Anni ist nämlich trächtig. Wie Arko und Perla ist auch sie zwei Jahre alt, Sama als eine Herdenschutzhündin der ersten Stunde bei Eberlers, bringt es bereits auf drei. Alle vier bleiben bei den Schafen, als die Kursteilnehmer schließlich wieder die Fahrt nach Enkering antreten.

Dort haben sie vor der Exkursion eifrig Theorie gepaukt, am Abend wird in gemütlicher Runde gefachsimpelt. Und am nächsten Tag wird es nochmal ernst: Die Prüfung zum Erhalt des Sachkundenachweises für Halter von Herdenschutzhunden steht an. So ist man nun also noch besser gerüstet für ein Miteinander zwischen Mensch und den verschiedenen Tierarten. Denn solche Erfahrungen, wie sie Keller einst machen musste, will keiner der Tierhalter selbst durchleiden.

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