Baerbock oder Habeck? Das sagt die grüne Basis in Schwabach und Roth

9.4.2021, 11:00 Uhr
Baerbock oder Habeck? Das sagt die grüne Basis in Schwabach und Roth

© Foto: John MACDOUGALL / AFP

Das Führungsduo der Grünen hat die alten Flügelkämpfe zwischen Fundis und Realos scheinbar lässig überwunden und die Grünen zur nach Umfragen zweitstärksten Kraft gemacht. Was noch vor Kurzem völlig undenkbar war, scheint nun zumindest eine realistische Außenseiterchance zu sein: eine Kanzlerin oder ein Kanzler der Grünen.

Offiziell gekürt wird der/die Kandidat/in auf einem Parteitag im Juni. Was sagt die Basis? Wer soll die Grünen in die Bundestagswahl am 26. September führen? Ein Stimmungsbild.

Landkreis Roth:

Felix Erbe, der Direktkandidat der Grünen für den Bundestag aus Hilpoltstein, ist sich "ziemlich sicher", dass Annalena Baerbock und Robert Habeck die Doppelspitze bilden werden: "Bei beiden sehe ich viel Potenzial und super Vorteile. Für mich wird das sehr spannend, wer die Kanzlerkandidatur bekommt. Sie sprechen unterschiedliche Personen an. Bei Robert Habeck merkt man, dass er Philosoph ist, er kann viele Menschen erreichen. Annalena Baerbock ist eine sehr analytische und klare Person. Sie bringt Sachverhalte immer gut auf den Punkt. Für mich ist das Entscheidende, beide sind gute Zugpferde."

Sich auf einen Favoriten festzulegen, tut sich nicht nur Erbe schwer: "Wir haben uns gestern in einer Hilpoltsteiner Runde besprochen und waren uns einig, dass keiner einen Tipp wegen der Kanzlerkandidatur abzugeben wagt." In Sachen Regierungsbeteiligung sieht Felix Erbe die Grünen heuer als Mitspieler in einer entscheidenden Liga: "An uns wird keiner vorbeikommen. Es wird verschiedene Möglichkeiten geben, egal ob Schwarz-Grün, Grün-Schwarz oder Ampel – für uns ist wichtig, im Wahlkampf und danach unsere Themen kraftvoll zu vertreten und dann geschickt zu verhandeln."


Baerbock oder Habeck? Grüne klären K-Frage noch im April


Für die Spalterin Dr. Ursula Burkhardt, Sprecherin des Kreisverbandes der Grünen, ist die Entscheidung über die Doppelspitze vorgestanzt: "Es ist klar, wer das sein wird." Auch für sie sind das Robert Habeck und Annalena Baerbock. Bei der Frage, wem die Kanzlerkandidatur übertragen wird, ist sie "ganz froh, dass das nicht so basisdemokratisch abläuft". Sie ist regelrecht erleichtert, dass sie nicht darüber entscheiden muss: "Beide sind gut, ich wäre hin- und hergerissen. Daher ist es mir recht, wie die Entscheidung ausfällt."

Da liebäugelt sie auch nur ein wenig mit einem feministischen Ansatz als Zünglein an der Waage: "Dass Annalena Baerbock eine Frau ist, soll nicht der einzige Grund sein." Bei der künftigen Regierung wünscht sich Dr. Ursula Burkhardt einen "deutlichen Wechsel": "Vom Gefühl her wäre mir Rot-Rot-Grün am liebsten." Doch ihr ist klar, dass eine Regierungsbildung kein Wunschkonzert ist: "Eine Koalition steht und fällt am Verhandlungstisch."

Jutta Scheffler, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Rother Stadtrat, hat vor allem in Sachen Koalition ähnliche Gedanken: "Ich gehe davon aus, dass Annalena Barbock und Robert Habeck die Doppelspitze sein werden. Leider gibt es bei der Kanzlerkandidatur keine Doppelspitze. Als Frau favorisiere ich logischerweise die Frau. Aber ich sehe größere Chancen mit Robert Habeck, ob ich damit glücklich bin oder nicht, sei dahingestellt. Ich glaube, dass er deutlichere Positionen vertritt. So etwas kann bei einem Kanzler nicht schaden."

Durch eine "linke" Regierungskoalition unter der Regie der Grünen wäre für Jutta Scheffler ein politischer Herzenswunsch erfüllt: "Ich rede seit Jahren davon, dass ich auf Grün-Rot-Rot setze. Aber das wird an der SPD scheitern, weil sie zu wenig Stimmen bekommt. Ein soziales Gewissen würde in der Regierung gut tun. An den Linken gefällt mir nicht alles, aber als Junior-Partner kann man sie schon akzeptieren."

Stadt Schwabach:

Sascha Müller ist Bundestags-Direktkandidat für den Wahlkreis Nürnberg-Süd, zu dem auch Schwabach gehört. Als Mitglied des Landesvorstands kennt er das Führungsduo persönlich. "Egal, wie die beiden sich entscheiden, wer es machen soll: Es wird auf keinen Fall falsch", sagt er. Ja, er wisse schon, das klinge nun so diplomatisch, als wolle er nur nichts Verkehrtes sagen: "Aber das ist tatsächlich die Antwort. Beide kriegen das hin. Beide haben das Zeug, Menschen mitzunehmen. Deshalb habe ich keine Präferenz", betont Sascha Müller, der in Nürnberg wohnt, aber Mitglied im Kreisverband Schwabach ist.

Es sei doch beeindruckend, wie Baerbock und Habeck mit dieser Situation umgingen. "Ganz ohne Showkämpfe wie bei der Konkurrenz", spielt er schmunzelnd auf Söder und Laschet an. "Das harmonische Bild, das die beiden vermitteln, stimmt wirklich." Entsprechend geschlossen würden die Grünen in den Wahlkampf ziehen. Geschlossen und selbstbewusst: "Das Ziel ist die Kanzlerschaft. Sonst bräuchten wir ja keine Kandidatin oder Kandidaten aufstellen."


Die Grünen und die K-Frage: Sanfter Weg zur Kanzlerkandidatur


Wer ihr lieber wäre? Sabine Weigand, die Schwabacher Landtagsabgeordnete, antwortet ganz ehrlich: "Das werde ich nicht sagen", sagt sie und lacht, ehe sie ernst fortfährt: "Ganz ehrlich: Zeigen Sie mir doch eine andere Partei, die zwei so gute Kandidaten hat, unter denen sie wählen kann. Es ist doch grandios, dass wir die Qual der Wahl haben. Ein echtes Luxusproblem."

Wer der/die bessere Kanzler/in wäre? "Können tun das beide", ist Sabine Weigand überzeugt. Und wer hätte die besseren Chancen? Die Abgeordnete nimmt sich einen Moment zum Nachdenken: "Bei der nicht-grünen Wählerschaft, also bei denen, die überlegen, vielleicht zum ersten Mal die Grünen zu wählen, hätte Robert Habeck vielleicht die besseren Karten. Bei der grünen Basis vielleicht einen Tick eher Annalena Baerbock."

Aber das sei ganz schwer zu sagen: "Denn beide sind ja sehr beliebt. Da gibt es keine feindlichen Lager. Das war auch sehr spürbar, als der Robert Habeck bei uns in Schwabach war." Der Bundestagswahl sieht Sabine Weigand sehr optimistisch entgegen. "Die Entwicklung zeigt doch: Die alten Volksparteien haben ihren Zenit überschritten. Die Grünen erleben dagegen einen Riesenaufschwung." Ob deshalb gleich Platz eins, selbst vor der Union, ein wirklich realistisches Ziel sei? Darauf reagiert Sabine Weigand wieder ganz spontan: "Na selbstverständlich."

Dritte Bürgermeisterin Petra Novoty betont: "Für mich zählt Kompetenz." Und die hätten beide. "Sonst wären sie gar nicht in dieser Position." Auf wen es wohl hinauslaufe? "Mein Bauchgefühl sagt, dass Annalena einen Tick die Nase vorne hat." Bei ihrem Schwabach-Besuch im vergangenen Jahr habe sei einen so kompetenten wie sympathischen Eindruck hinterlassen.

"Und ich denke, dass sich der eine oder andere denkt, dass wir zuletzt mit einer Frau im Kanzleramt gar nicht so schlecht gefahren sind. Und wir haben eine geeignete Frau als mögliche Kandidatin. Welche Partei kann das sonst von sich sagen?"

Vorsitzende des Kreisverbandes Schwabach ist Katrin Greiner: "Egal, wer es macht, es wird gut. Das sind zwei Topleute. Deshalb bin ich hin- und hergerissen." Am liebsten, sagt sie launig, wäre ihr eine Doppelspitze auch im Kanzleramt. "Aber das geht ja nun nicht." So müsse es eine/r von beiden versuchen. Die Chancen seien gar nicht so schlecht, findet Katrin Greiner. "Wir leben in bewegten Zeiten. Und wenn die anderen so weiter machen..."

Roland Oeser, Stadtrat und ehemaliger zweiter Bürgermeister: "Ich war ja lange ein absoluter Habeck-Fan", sagt er und macht eine kurze Pause. "Und das bin ich immer noch. Aber inzwischen bin ich auch Annalena-Fan." Aber mit solchen Sorgen könne man ja gut leben.

"Eine junge sympathische Frau, die dynamisch ist und neuen Schwung in den Laden reinbringt": Das wäre doch gar nicht verkehrt. Und Robert Habeck sei doch "ein Gegenbeispiel" gegenüber all den typischen Politikern, die viel reden, aber wenig sagen. Oesers Fazit: "Ich bin mit beiden glücklich."

Euphorie predigen will er aber nicht: "Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass wir stärkste Kraft werden. Aber Merkel kandidiert nicht mehr, da ist vieles möglich." Eine gute Position sieht er für die Grünen in jedem Fall. Ohne die Grünen werde es kaum eine Koalition geben. Ob Ampel oder Schwarz-Grün: "Eigentlich brauchen uns beide Seiten."

Christine Krieg, Fraktionsvorsitzende im Stadtrat: "Beide wären hervorragend geeignet. Annalena Bearbock habe ich bei meinem OB-Wahlkampf kennengelernt und eine Stunde mit ihr gesprochen", erinnert sie sich an den Besuch in Schwabach im vergangenen Jahr.

"Das war schon beeindruckend, wie sie zunächst mit Ursula von der Leyen telefoniert und dann doch ganz präsent bei meinem popeligen Wahlkampf ist. Da hat man gespürt: Sie ist total geerdet und hat viele Dinge gleichzeitig im Blick. Das ist eine Begabung, die man für ein so wichtiges Amt haben muss." Baerbock vereine fachliche Kompetenz mit einer großen Portion Pragmatismus.

"Sicher wäre Robert Habeck auch ein sehr guter Kandidat. Annalena kann ich aber, weil ich sie kennengelernt habe, besser einschätzen", sagt Christine Krieg. "Wichtig ist: Beide haben die volle Unterstützung des anderen und der Partei. Hauptsache einer von beiden wird Kanzler."

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