"Die Menschen sind aufs Buch zurückgekommen"

15.10.2020, 12:36 Uhr

© Foto: Elke Bodendörfer

Die Frankfurter Buchmesse 2020 startet in diesem Jahr mit einem Corona-bedingten Ersatzprogramm. "Wer liest denn noch Bücher?", gähnen die einen, während andere wöchentlich den Buchladen ihres Vertrauens durchstöbern. Das ST hat im Landkreis und in Schwabach nachgefragt, wie die Situation nach über einem halben Jahr Pandemie aussieht.

Es ist schon erstaunlich, wie diese auf so gut wie jeden Bereich des menschlichen Lebens Auswirkungen hat. Da ist auch der Buchhandel nicht ausgenommen – ganz im Gegenteil.

Zunächst Einbruch

Passend zum Beginn der Buchmesse sind neue Zahlen zum Buchverkauf veröffentlicht worden. Zwischen Januar und September büßten lokale Buchhändler nach den jüngsten Zahlen des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels im Vorjahresvergleich fast ein Zehntel ihrer Umsätze ein. Insgesamt schrumpfte der Buchmarkt in den ersten drei Quartalen laut Börsenverein um 4,3 Prozent.

Von diesen Zahlen ist Marktführer Thalia Mayersche ausgenommen. Insgesamt seien die Umsätze der Kette in Deutschland und Österreich im Ende September abgelaufenen Geschäftsjahr 2019/2020 um rund sechs Prozent auf etwas über eine Milliarde Euro gestiegen, berichtete Firmenchef Michael Busch. Vor allem das Online-Geschäft kam dem Buchhandel-Riesen zu Gute.

Im September nahm der Lesehunger der Bundesbürger plötzlich massiv zu. Die Umsätze am Buchmarkt lagen um satte acht Prozent über dem Vorjahresniveau. Für Nora Bechler vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels ist das ein wichtiges Signal: "Die coronabedingte Umsatzlücke ist zwar noch nicht geschlossen, aber die Aufholjagd nimmt Fahrt auf." Davon merken aber nicht alle Händler etwas. Insbesondere die, die einen kleinen Laden inne haben.

Der unsichtbare Riese

Kleine Händler, das sind zum Beispiel Jürgen Loos und sein Mann Axel Feuerlein, die im kleinen Familienunternehmen am Kugelbühlplatz in Roth Bücher und Zeitungen verkaufen. "Meiner Meinung nach hat sich am Buchkauf nichts verändert. Die Menschen kauften vorher bei Amazon und sie kaufen jetzt bei Amazon."

Damit spricht Jürgen Loos den unsichtbaren Riesen am Horizont an, der sich wie eine Wolke über dem Einzelhandel hängt. Der Onlinehändler konnte seinen zweiten Quartalsgewinn 2020 sogar mehr als verdoppeln. Der Umsatz stieg laut Handelsblatt auf 88,9 Milliarden Euro. Damit hat Amazon so rein gar nichts mehr mit kleinen Buchhändlern gemein.

Der Faktor Internet

Beim Buchladen Feuerlein, wo im Schaufenster der Spruch steht: "Sollen’s Bücher sein, geh zu Feuerlein," gehen Krimis und Romane noch gut. "Für die Themen Kochen, Gesundheit oder Hund-Katze-Maus gehen die Menschen ins Internet," so Jürgen Loos. Groll gegenüber den großen Händlern wie Thalia hegt er nicht: "Da kommt man rein und hat eine Buch-Erlebniswelt. Der Kauf in Buchhandlungen ist meiner Meinung nach vorbei."

Ein paar hundert Meter weiter, bei Genniges Bücher am Marktplatz ist Inhaberin Sonja Freyberger zufrieden mit der Lage ihres Geschäfts. "Es ist bei uns so, wie es der Börsenverein bekannt gegeben hat. Wir sind nahezu wieder auf dem Niveau von 2019." Die Reiseabteilung habe natürlich gelitten, so Sonja Freyberger, was ihr für die Reisebuchverlage sehr leid täte. Nicht aber die heimischen Reiseführer: "Wanderkarten für Deutschland oder die aus dem Landratsamt wurden gekauft. Auch Bücher wie ,Radfahren in Franken‘ waren bei den Touristen sehr beliebt." Belletristik sei außerdem nach wie vor heiß begehrt. Sonja Freyberger fasst es so zusammen: "Es wird viel gelesen."

Der Alltag ist zurück

Das kann man in der traditionsreichen Buchhandlung Kreutzer in Schwabach bestätigen. Während der Zwangsschließung hat man auch hier vermehrt auf den Onlineverkauf gesetzt – die Bücher wurden zeitweise persönlich oder per Post ausgeliefert. Das sei auch von den Kunden so gewünscht gewesen. Mittlerweile herrscht wieder Alltag in der Handlung im Herzen Schwabachs. "Das Geschäft läuft wieder normal und gut," sagt Stefanie Urmoneit. Dadurch, dass wieder viele Leute in der Stadt unterwegs sind, wäre auch das Treiben bei Kreutzer wieder aufgeflammt. "Die Menschen haben sich gefreut, als wir wieder offen hatten."

Auch wenn Stefanie Urmoneit wegen Reisebeschränkungen und Risikogebieten ebenfalls eher fränkische Wanderführer als Reise-Tipps nach Fernost verkaufen konnte, spürt sie eine Lust aufs Lesen: "Die Menschen sind aufs Buch zurück gekommen. Sie sind aufs Lesen zurückgekommen."

Aufholjagd beginnt

Die Zwangspause, die Amazon und den Marktriesen einen Aufschwung gab und die kleinen Händler gefährdete, scheint nun also fast überwunden. Bei der Frankfurter Buchmesse setzt man in diesem Jahr mit dem Motto "All together now" auf ein umfassendes Digitalangebot. Live-Konferenzen via Internet-Streaming oder virtuelle Kulturshow: die Veranstalter zeigen, dass das Buch lebt – wenn auch nur mit einer großen Portion Digitalisierung.

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