Söder und die NN: "Es gab schon Zeiten, in denen es knisterte"

9.10.2020, 10:45 Uhr
Ministerpräsident Markus Söder war einst selbst als Journalist tätig.

© Britta Pedersen, dpa Ministerpräsident Markus Söder war einst selbst als Journalist tätig.

Sind Sie mit einer Zeitung aufgewachsen, Herr Ministerpräsident?

Markus Söder: Bei meinen Eltern gab es nur die NZ, weil sie damals sehr viel über den Amateurfußball berichtet hat. Das hat meinen Vater sehr interessiert. Das ging auf mich über und ich habe vor allem am Montag die Spielergebnisse der A-, B- und C-Klassen verschlungen. Über den Fußball kommt man dann zur Politik und später zum Lokalteil. Als ich mit 16 in der Jungen Union aktiv wurde, war mir sehr schnell klar, dass ich mich auch mit der großen Zeitung in Nürnberg beschäftigen muss - und das sind die Nürnberger Nachrichten.

War das dann ein Schockerlebnis für Sie?

Söder: Nein, wenn man ganz jung ist, ist man interessiert an allem Neuem. Ich habe die Zeitung immer von vorne bis hinten durchgelesen. Und wenn man wissen will, was in der Stadt los ist, dann ist eine Lokalzeitung ein unverzichtbarer Bestandteil. Wenn man sich für Politik interessiert und Informationen über die regionale Politik haben will, dann ist klar: Da muss man eomfach Zeitung lesen.


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Sie haben unsere Zeitung auch mit Infos beliefert: Sie waren häufig zu Besuch bei meinem Ex-Kollegen Reinhard Schmolzi im "Stadtanzeiger", dem Extra-Lokalteil für Nürnbergs Stadtteile. Ihm lieferten Sie Tipps für Berichte. Wie kam das zustande?

Söder: Als ich in der Jungen Union begonnen habe, da war ich sehr im Stadtteil engagiert und habe mich um den Bereich Leonhard/Schweinau/Großreuth gekümmert. Da war der Anzeiger eine sehr gute Plattform. Dort gab es alles an Informationen – Straßensperrungen, Parkbegrünungen und besonders wichtig: alle Termine vor Ort. Da war der Anzeiger mit seinen vier Ausgaben informativer als der Lokalteil. Für mich war er daher als Ortsvorsitzender der erste Ansprechpartner.

Dennoch tauchten Sie in den NN zunächst kaum auf – und wenn, dann, wie in vielen anderen Medien auch, vor allem als Ziel von Spott und Häme. Wie fühlte sich das denn an?

Söder: Einfach war das nicht. Es gab viele Jahre keine Fotos von der CSU - geschweige denn von mir im Blatt – höchstens mal einen kleinen Ausschnitt von einer Hand oder einem Fuß (lacht). Und es wurde in den Kommentaren eifrig und stetig kritisiert. Das lag aber - um der Wahrheit die Ehre zu geben – nicht nur an der Redaktion. In den Lokalteil in Niederbayern kam man als Junge Union leichter als in den Lokalteil der NN. Damals war auch alles noch viel ideologischer geprägt. Daher war manche Forderung vielleicht auch etwas überspitzt. Allerdings ließ die Redaktion auch wenig aus, um darauf hinzuweisen.


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Beschreiben Sie doch mal das Verhältnis zwischen den NN und Ihnen...

Söder: Spannend. Heute ganz anders als vor vielen Jahren. Es gab schon Zeiten, in denen es knisterte. Da gab es eine Kolumne, die hieß "Rund ums Rathaus". Im Endeffekt drehte sie sich nur um die CSU und oft um meine Person. An besonders freundliches kann ich mich spontan nicht wirklich erinnern. Unterm Strich würde ich sagen: Es hat aber nicht geschadet, sondern einen angespornt, es besser zu machen. Spannend war in jener Zeit auch die Atmosphäre bei Besuchen in der Redaktion. Die empfand ich in jenen Jahren eher als distanziert, um es höflich zu sagen.

Das hat sich aber entspannt...

Söder: Ich glaube, dass die NN heute viel offener und leserfreundlicher geworden sind. Natürlich hat eine Zeitung eine politische Ausrichtung und ihre Tendenz, aber sie muss auch ein breiteres Spektrum für alle Leser bieten und sich um die Leser Bemühen bemühen. Neue Veranstaltungen wie der NN-Talk sind hochinteressante Formate. Das ist wichtig für die Bindung der Leser an die Zeitung. Und was ich auch interessant finde: Die NN haben sich als Lokalzeitung neu aufgestellt. Unabhängig von der Person unterstützt die Zeitung alles, was der Region gut tut. Es gab Jahre, da war nicht entscheidend, was gut ist, sondern wer es vorschlägt. Dieser objektive Heimatbezug macht die NN spannender.


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Wie sieht Ihr Medienkonsum heute aus? Lassen Sie lesen oder lesen Sie selbst?

Söder: Die NN lese ich jeden Tag. Sie ist in der Regel sogar die erste Zeitung, die ich am Morgen lese, jedoch nur digital als E-Paper. Ich starte mit dem Politikteil, dann Lokal und Bayern, beachte immer den Sport mit den Nachrichten über den Club und mittlerweile bleibe ich auch ab und zu im Kulturteil hängen.

Wo bleiben Sie da hängen?

Söder: Da sind heute immer wieder hintergründige Berichte über die Kultur hier in der Stadt zu finden. Insgesamt sind die NN deutlich lokaler geworden, und das macht sie interessanter. Die Titelseite hatte früher meistens nichts mit Nürnberg zu tun. Heute wird immer wieder versucht, Nürnberg-Bezüge zu knüpfen. Das heißt: Die NN sind heute viel verankerter in der Region. Sie versuchen immer wieder, zu hinterfragen, was dies und jenes konkret hier für uns bedeutet. Das macht die Kernkompetenz einer Regionalzeitung aus.


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Wie wichtig für Politiker sind klassische Medien überhaupt noch im Vergleich zu sozialen Medien? Wäre es nicht einfacher ohne den kritischen Filter, direkt aus der CSU-Zentrale?

Söder: Beides ist wichtig. Natürlich sind die sozialen Medien Bestandteil der Kommunikation – mit vielen Möglichkeiten, aber auch Risiken. Sie werden von manchen Gruppen missbraucht und instrumentalisiert. Die klassischen Medien wie die Zeitung sind da ein unverzichtbares Korrektiv und eine Glaubwürdigkeitsmarke für Wahrheit und Objektivität. Deswegen werde ich mich auch politisch immer einsetzen, die klassischen Medien zu erhalten. Wir brauchen sie dringend und müssen sie sogar stärken. Gerade in Zeiten von Corona hat man gemerkt, welche Bedeutung und Systemrelevanz für das gesamte Land die klassischen Medien haben.

Sie haben selbst eine Zeitlang als Journalist gearbeitet für den Bayerischen Rundfunk. Was haben Sie da gelernt?

Söder: Mein Volontariat beim BR hat mich geprägt. Ich habe ja eine doppelte Ausbildung – als Jurist und als Journalist. Der Jurist hat die Fähigkeit, Akten gründlich zu lesen. Und der Journalist die Begabung, zu erkennen, worauf es ankommt. Journalisten können zwischen den Zeilen lesen. Wichtig ist das journalistische Handwerk: die Trennung zwischen Bericht und Meinung. Haltung ist wichtig, aber solides Handwerk gehört dazu.

Können Journalisten nur negative Schlagzeilen schreiben?

Söder: Kritik gehört zum Berufsethos. Man muss den vermeintlich Mächtigen auf die Finger schauen. Daher ist das in Ordnung. Ich glaube aber, dass es Medien gut tut, wenn sie neben schlechten Nachrichten auch gute verbreiten. Das sehen oder lesen die Menschen sehr gern.


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Sie haben alles getan, um in die Medien zu kommen. Sie kämpften für die Mainzelmännchen, saßen in einer venezianischen Gondel, fuhren mit meiner Kollegin Anette Röckl im Tretboot über den Wöhrder See... Lassen Sie eigentlich irgendetwas aus oder machen Sie alles mit?

Söder: Also, Frau Röckl hatte mich gebeten, mit ihr zu fahren... Abgesehen davon gebe ich zu, dass man als junger Politiker mehr unternimmt, um in die Medien zu kommen – gerade, wenn man von der eigenen Lokalzeitung den Eindruck hat, dass sie nicht jede Idee entsprechend würdigt. Dann mag das dazu führen, dass man vielleicht auch mal übertreibt. Aber mit den Jahren wird man reifer und sieht die Dinge gelassener. Und mit mehr Verantwortung verhält man sich auch entsprechend. Meine Familie habe ich allerdings immer herausgelassen. Wir haben nie Homestorys gemacht und dabei bleibt es auch.

Es gab aber eine Phase, wo Sie nach dem Motto handelten: Besser irgendwie in den Schlagzeilen als gar nicht...

Söder: Das muss aber schon sehr lange her sein.

Welche Schlagzeile würden Sie denn gern 2021 bei uns über sich lesen?

Söder: "Söder gibt Staatsempfang zum Club-Aufstieg."

Nicht "Söder wird Kanzlerkandidat"?

Söder: Nein. Lieber: Der Club ist wieder erstklassig.

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