Soldaten in der Quarantäne: Vor dem Einsatz ins Hotel

8.5.2020, 06:00 Uhr
Um die Ansteckung mit dem Coronavirus zu vermeiden, werden derzeit Soldaten in Hotels untergebracht. Für die Betreiber ist es ein erster Testlauf nach dem Lockdown, für die Bundeswehr zuweilen eine sehr teure Maßnahme.

© Reinhard Jäger/Bundeswehr Um die Ansteckung mit dem Coronavirus zu vermeiden, werden derzeit Soldaten in Hotels untergebracht. Für die Betreiber ist es ein erster Testlauf nach dem Lockdown, für die Bundeswehr zuweilen eine sehr teure Maßnahme.

Hintergrund sind die Vorgaben des Sanitätsdienstes der Bundeswehr. Nachdem sich in Litauen Mitte März gleich acht Soldaten des von Deutschland geführten Nato-Bataillons infiziert hatten und auch Mitglieder der KFOR-Schutztruppe im Kosovo erkrankten, ist man im Verteidigungsministerium darauf bedacht, vor allem bei Auslandseinsätzen die Ausbreitung des Coronavirus zu unterbinden.

Weil es in der Kaserne nicht möglich wäre, im Vorfeld die Isolierung sicher zu stellen, und die Soldaten unter anderem keine Gemeinschaftsduschen benutzen dürfen, sieht der Alltag im Bayerischen Wald nun so aus: Einzelzimmer mit Fernseher und WLAN-Zugang, Vollpension und Zimmerservice. "Wir versuchen aus Gründen der Fürsorge den Aufenthalt für die Soldaten so angenehm wie möglich zu gestalten", heißt es bei der Bundeswehr in Cham, die genauso verfährt wie andere Truppenteile, die in Hannover, Köln und Bonn vier weitere Hotels angemietet haben, um die Soldaten vor ihren Einsätzen in Afghanistan oder im Kosovo zu isolieren.

Die Bild-Zeitung griff das Vorgehen in bewährter Manier und ohne Zwischentöne auf: "Teure Soldaten-Quarantäne im Maritim" lautete die Überschrift des Artikels, weshalb man beim Verteidigungsministerium wohl noch ein wenig zurückhaltender über das Thema Auskunft gibt. Über genaue Zahlen mache man keine Angaben, sagt ein Sprecher der Streitkräftebasis, auch weil die Kontingente nahezu täglich wechseln würden. Wie viele Soldaten aktuell in Deutschland in Hotels untergebracht sind, lässt sich nicht herausfinden – dass die Maßnahme viel Geld kostet, liegt auf der Hand. Wenn auch nicht so viel, wie der ein oder andere Medienbericht zu suggerieren versucht. Für das Hotel in Hannover errechnete die Bild bei zwei Wochen Quarantäne einen Betrag von 2500 Euro pro Kopf.

Mit einem komfortablen All-Inclusive-Urlaub hat der Aufenthalt im Hotel wenig gemein. Die vom Hotelpersonal unter strengen Hygieneauflagen gekochten Mahlzeiten nehmen die Soldaten einzeln auf ihren Zimmern ein, speziell für die Situation geschultes Betreuungspersonal der Bundeswehr stellt das Essen vor die Zimmertür. Abwechslung bietet nur der "Hofgang", bei der Bundeswehr ist man darauf eingestellt, dass es in dieser besonderen Situation durchaus auch mal einen Psychologen oder Militärseelsorger braucht.


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Die Hotelbetreiber, die wochenlang keine Gäste empfangen durften, freuen sich über die Gäste. Eine "positive Erscheinung" nennt es Markus Fischer, einer von zwei Geschäftsführern des Predigtstuhl Resorts.

Der Umsatzeinbruch der vergangenen zwei Monate war heftig, nun kann er mit dem Personal zumindest ein bisschen proben für den Ernstfall, wenn demnächst die Lockerungen anstehen. Zwar sind im Moment nur fünf Mitarbeiter in der Küche im Einsatz – "wir könnten aber", sagt er, "von heute auf morgen wieder alles hochfahren." Das dazugehörige Konzept hat er schon längst in der Schublade, vier Restaurants und erweiterte Essenszeiten würden es ermöglichen, dass die Gäste mehr Abstand als nötig halten könnten.

Am Ende der Nahrungskette hat er sich als Hotelier zuletzt gesehen, die Verhandlungsposition in den Gesprächen mit der Bundeswehr dürfte entsprechend schwach gewesen sein. Knapp Hundert Euro zahlt ein Erwachsener für drei Tage Vollpension bei ihm normalerweise. Die Gäste in den Kleidungen mit den Tarnfarben dürften weniger für ihren Aufenthalt zahlen. "Wie jeder Großabnehmer bekommt auch die Bundeswehr eventuell besondere Konditionen", heißt es dazu vielsagend von einem Sprecher in Cham. Hotelbetreiber Fischer drückt sich noch etwas vielsagender aus: "Wir nehmen in dieser Situation alles mit."

Dass die Bundeswehr überhaupt auf Hotels zurückgreifen muss, dürfte – auch wenn das kein Sprecher offiziell bestätigen will – neben den außergewöhnlichen Umständen vor allem auf einen Grund zurückzuführen sein: Nach zahlreichen Haushaltskürzungen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten hat die Bundeswehr selbst keine Kapazitäten und Räumlichkeiten mehr, um die Soldaten isoliert unterzubringen.


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