Stromautobahn: Die Angst vor den 75-Meter-Masten

16.1.2014, 07:00 Uhr
Stromautobahn: Die Angst vor den 75-Meter-Masten

© Edgar Pfrogner

Das Telefon steht nicht mehr still, Joëlle Bouillon hat arbeitsreiche Stunden hinter sich: Alle rufen an, Bürgermeister, Gemeinderäte, Landräte. Sie bitten um Datenschnipsel, sammeln jede Information zu den Trassenkorridoren, die Netzbetreiber Amprion als mögliche Routen für die geplante Höchstspannungsleitung vorgestellt hat. Und sie suchen Argumente, warum die so genannte „Gleichstrompassage Süd-Ost“ nicht durch ihr Gemeindegebiet laufen soll.

Es ist das altbekannte Floriansprinzip, das jetzt greift: Energiewende ja, Strommasten auch, aber bitte nicht vor meiner Tür. Und bei dem „Strauß von Korridoren“, wie es bei Amprion heißt, gibt es genug Möglichkeiten, sich in Stellung zu bringen.

Der Landkreis Fürth, so sagt etwa Veitsbronns Bürgermeister Peter Lerch, sei nicht nur der flächenkleinste Bayerns, sondern auch sehr dicht besiedelt. Selbst wenn Amprion eine mögliche Variante der Stromautobahn mitten durch diese Region sehe, sie sei dafür nicht gut geeignet.

Argumente für andere Varianten

Dass es eine bessere Route gibt, sieht Amprion ebenfalls so: Der vom Netzbetreiber favorisierte Korridor läuft durch den Kreis Bayreuth. Dort will man sich damit nicht abfinden. Man sammele bereits Argumente, warum die Trasse eben nicht durch die Region führen solle, sagt Daniel Frieß vom Landratsamt. Und gleichzeitig sucht man auch Argumente, die für Varianten sprechen, die einen großen Bogen um Bayreuth machen.

Der Landrat des Nürnberger Lands - auch hier geht der favorisierte Korridor direkt durch - wählt einen dritten Weg. Er will überhaupt keine Höchstspannungsleitungen. „Die Stromautobahn ist unnötig“, sagt Armin Kroder. Man müsse nur die Energiewende vor Ort schaffen. Bei regional erzeugten regenerativen Energien reiche das bestehende Netz aus.

Es ist nicht wahrscheinlich, dass Kroders Argumentation Gehör findet, immerhin ist der Bau der Leitung bereits gesetzlich verankert. Doch es ist Wahlkampf, Kroder stellt sich im März wieder dem Votum der Bürger. Auch Willibald Gailler will dann im Kreis Neumarkt Landrat werden und entsprechend positioniert er sich: Ein Landrat, sagt er, müsse die Interessen der eigenen Bürger gegenüber dem Netzbetreiber wahren. Es plage ihn die Sorge, ob ordentlicher Abstand zu Orten gewahrt werden könne.

Einen rechtlichen Rahmen für diesen Abstand gibt es übrigens nicht. Es ist allein festgelegt, dass Häuser nicht direkt mit Masten überbaut werden dürfen. Ansonsten gilt lediglich ein sogenannter Schutzstreifen von maximal 70 Metern: 35 Meter links und rechts von einem Strommasten dürfen keine hohen Sträucher oder Bäume stehen. Das ist aber mehr ein Sicherheitsabstand für die Leitung, denn die kann bei starkem Wind in Schwingung geraten.

Kein Wunder, dass viele Kommunal-Politiker beunruhigt sind. Viele plädieren nun für eine Erdverkabelung. Doch die werde es nicht geben, heißt es bei Amprion. Es gebe dafür keine gesetzliche Grundlage — außerdem würde es sehr teuer werden. Stattdessen werden die Masten 65 bis 75 Meter in die Luft ragen. Das ist, nur so zum Vergleich, fast so hoch wie die Nürnberger Lorenzkirche. Ihre Türme messen rund 81 Meter.

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