Verkraftbarer Kompromiss: Das bedeutet der Tarifdeal im öffentlichen Dienst

25.10.2020, 13:52 Uhr
Proteste und Streiks gab es auch in der Region - hier am Klinikum Neumarkt. 

© Roland Fengler, NNZ Proteste und Streiks gab es auch in der Region - hier am Klinikum Neumarkt. 

1,4 Prozent mehr ab April 2021, nochmal 1,8 Prozent Plus im Jahr 2022, dazu ein Extra-Zuschlag für die Pflegeberufe: Das ist, ganz knapp gebündelt, das Ergebnis der Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst. Es lässt sich durchaus sehen - und sollte Nachahmer finden: Dass es an diesem Montag wieder Streiks im Nahverkehr in Nürnberg und Fürth gibt, weil dort andere Tarifpartner noch verhandeln, das ist schwer zu vermitteln angesichts der Kompromissfähigkeit, den Arbeitgeber und Gewerkschaften nun für weite Teile des öffentlichen Dienstes gezeigt haben.

Deutlich über der Inflationsrate

Der Abschluss steht in mehrfacher Hinsicht ganz im Zeichen von Corona: Er fällt nicht üppig aus. Auch wenn die ersten Schlagzeilen anders klangen: Ein Plus von 3,2 Prozent, wie es da verkündet wurde, ergibt sich nämlich nur, wenn die beiden Steigerungen für 2021 und 2022 zusammengezählt werden. Doch angesichts kaum steigender Preise - aktuell ist die Inflationsrate mit minus 0,2 Prozent sogar negativ - ist ein Lohnzuschlag von gut einem beziehungsweise. knapp zwei Prozent durchaus ordentlich. Zumal in einer nach wie vor etwas anderen Branche, die ihren Beschäftigten deutlich mehr Arbeitsplatz-Sicherheit bietet als der große Rest der freien Wirtschaft.

Der Abschluss belastet die öffentliche Hand durchaus, aktuell gehen die Steuereinnahmen als Folge der Pandemie drastisch zurück. Die Auswirkungen werden erst in den kommenden Jahren voll durchschlagen und den Stadtkämmerern schlaflose Nächte einbringen. Da ist der nun erzielte Kompromiss gerade noch verkraftbar.

Extra-Plus für die Pflege

Eine Lehre der Corona-Krise - die ja längst noch nicht ausgestanden ist - war die keineswegs neue, aber in der Ära des Markt-Radikalismus gern verdrängte Einsicht, dass ein leistungs- und handlungsfähiger Staat zentrale Bedeutung für das Funktionieren einer Gesellschaft hat, gerade und erst recht in Krisenzeiten. Nun bekommen die besonders gefragten Beschäftigten im Bereich der Pflege tatsächlich ein Extra-Plus und nicht nur wohlfeilen Applaus, wie sie ihn zu Beginn der Pandemie spendiert bekamen. Das macht diese immer wichtigere Branche attraktiver - endlich.


Einigung bei Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst


Allerdings hat dieses Pflege-Plus auch eine Schattenseite: Es muss von vielen anderen ebenfalls systemrelevanten Beschäftigten etwa im Einzelhandel oder der Gastronomie erst einmal erwirtschaftet werden - eine Herausforderung gerade für Branchen, die in der Pandemie massive Einbußen erleiden und oft nur mit Kurzarbeit durch die Krise kommen.

Härtere Fronten in den anstehenden Tarifrunden

Da dürften die Tarifauseinandersetzungen, die nun anstehen, deutlich härter ausfallen als im öffentlichen Dienst. Der designierte Chef der Metall-Arbeitgeber, Stefan Wolf, hat am Wochenende schon mal die Tonlage vorgegeben: Er fordert Mehrarbeit ohne vollen Lohnausgleich und will Spätzuschläge ebenso auf den Prüfstand stellen wie das Weihnachtsgeld. Lauter Reizworte für die IG Metall.

Doch die deutsche Tarifautonomie fand bisher stets passende, zusehends flexible Antworten auf Herausforderungen. Corona und die drastischen Folgen für die Wirtschaft sind eine ganz gewaltige Herausforderung. Da ist Fantasie gefragt und Mut zu pragmatischen Lösungen - wie sie viele Betriebe längst praktizieren.

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