Protest war nicht angemeldet

Verstöße nicht geahndet? Polizei verteidigt Vorgehen bei "Querdenker"-Demo in Franken

16.12.2021, 21:37 Uhr
Eine Versammlung von "Querdenkern" in Würzburg und der Umgang der Polizei damit sorgen in der Stadt für Diskussionen.

© NEWS5 / Höfig, NEWS5 Eine Versammlung von "Querdenkern" in Würzburg und der Umgang der Polizei damit sorgen in der Stadt für Diskussionen.

Ein Mittwochabend im Dezember, Vorweihnachtszeit, es ist bereits dunkel. In der Würzburger Innenstadt hat sich am 8. Dezember die Grüne Jugend zu einer Kundgebung versammelt, Parolen hallen über den Marktplatz. Zur gleichen Zeit treffen sich Anhänger der Initiative "Bürger stehen auf" am Unteren Markt. Kurz darauf wird die Situation unübersichtlich. Mehrere Mannschaftswägen der Polizei rücken an, Beamte versuchen, per Megafon auf die Demonstranten einzuwirken. Immer wieder stehen sich die Gruppen direkt gegenüber, diskutieren, werden laut.

Grüne kritisieren Vorgehen der Polizei

Das Zusammentreffen der Demonstranten, das zwar für Aufsehen sorgte, aber friedlich blieb, hat nun ein Nachspiel. Die Stadtratsfraktion der Grünen in Würzburg hat einen Offenen Brief aufgesetzt. Der Inhalt: massive Kritik am Vorgehen der Polizei.

Die Demo von "Bürger stehen auf", die laut den Unterzeichnern dem "Querdenken"-Milieu zuzuordnen seien, sie nicht ordnungsgemäß angemeldet gewesen. Trotzdem ließ die Polizei die Demonstranten gewähren.

Zwar hatte die Initiative eine Versammlung auf den Mainwiesen angemeldet - "über den ganzen Tag hinweg" hätten die Initiatoren aber "in öffentlich einsehbaren Telegram-Gruppen dazu aufgerufen, sich um 18 Uhr am Unteren Markt zu versammeln", heißt es in dem Brief. Es habe sich also nicht um eine spontane Versammlung gehandelt. Die wäre nach bayerischen Versammlungsrecht auch ohne Anmeldung erlaubt.

Statt Personalien aufzunehmen oder die Demo aufzulösen, habe die Polizei ausschließlich Gegendemonstranten der Grünen mit entsprechenden Maßnahmen gedroht. Man sei "zutiefst befremdet", teilweise "entsetzt" über das Vorgehen, schreiben die Grünen. "Bei diesen Demonstrationen werden die Corona- Maßnahmen aus Prinzip nicht eingehalten", die "Nicht-Einhaltung" sei sogar Teil des "Zwecks der Versammlung". Darüber hinaus radikalisiere sich das "Querdenken"-Milieu immer weiter. Die Unterzeichner fordern, 'Verstöße der "Querdenker:innen' gegen Versammlungsgesetz und Infektionsschutzmaßnahmenverordnung mit maximalem Nachdruck zu ahnden."

"Auflösung kommt nicht in Frage"

Nun hat die Polizei reagiert - und verteidigt das Vorgehen. In einer gemeinsamen Pressemitteilung von Stadt und Polizeipräsidium heißt es: "Eine Auflösung einer Versammlung mit friedlichem Verlauf kommt aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht in Frage" - auch dann nicht, wenn Teilnehmer Ordnungswidrigkeiten begehen. Die "Nicht-Anzeige einer Versammlung" rechtfertige eine Auflösung rechtlich ebenfalls nicht, und auch die reine Teilnahme sei keine Ordnungswidrigkeit. Trotzdem drohe bei Nicht-Anzeige "eine Geldbuße bis zu dreitausend Euro".

Für die Grünen ist der Einsatz trotz allem nicht nachvollziehbar. Hier werde offenbar "mit zweierlei Maß" gemessen, heißt es in dem Offenen Brief. Gegen einen Umweltschützer sei etwa wenige Tage zuvor ein Bußgeld wegen einer nicht ordnungsgemäß angezeigten Versammlung verhängt worden.

Zahlreiche Einsatzkräfte waren am 8. Dezember vor Ort.

Zahlreiche Einsatzkräfte waren am 8. Dezember vor Ort. © NEWS5 / Höfig, NEWS5

Tatsächlich sind die Regeln für Versammlungen im öffentlichen Raum aktuell nicht besonders streng. Eine Maskenpflicht gibt es meistens nicht, die Demonstrierenden müssen lediglich einen Abstand von 1,50 Meter einhalten. Auch Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte, die sich sonst maximal mit zwei Personen aus einem anderen Haushalt treffen dürfen, entfallen bei Versammlungen.

Trotzdem appelliert die Polizei an die Vernunft der Teilnehmer. "Distanzieren Sie sich von Krawallmachern und Straftätern", heißt es in der Pressemitteilung, "lassen Sie sich nicht von Rechtsextremisten, Reichsbürgern oder Antisemiten vereinnahmen". Dass die sogenannten "Querdenker" in Würzburg per se rechtsextrem eingestellt wären, sei aus polizeilicher Sicht aber "nicht seriös belegbar."

Eine Woche nach der umstrittenen Demo kam es erneut zu einem Zusammentreffen von "Querdenkern" und Grünen. Beide Parteien lieferten sich auf dem Unteren Markt laut Polizei "lebhafte Diskussionen". Ein Gegendemonstrant der Grünen stellte außerdem Anzeige wegen Körperverletzung, weil er geschubst worden sei. Trotz allem zog die Polizei ein "positives Fazit" - und bittet darum, zukünftige Versammlungen weiterhin "rechtzeitig" anzuzeigen.