EhrenWert-Preis

So wollen drei Freunde der Gastronomie mit einer neuen App helfen

Timo Schickler

Lokalredaktion Nürnberg

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3.3.2022, 12:00 Uhr
Christoph Löslein hat während Corona Gastronomen mit einer kostenlosen Registrierungs-App geholfen.

© Hendrik Schmahl, DATEV eG, NNZ Christoph Löslein hat während Corona Gastronomen mit einer kostenlosen Registrierungs-App geholfen.

Als Christoph Löslein vor ziemlich genau zwei Jahren aus einem Kurzurlaub kommt, erhält er einen Anruf aus dem Büro. Er müsse gar nicht erst wiederkommen, teilen ihm die Kollegen mit. Löslein ist nicht entlassen, sondern künftig im Homeoffice. Seit dem Beginn der Pandemie hat der junge Mann nur drei Tage an seinem richtigen Arbeitsplatz verbracht, längst ist seine Wohnung in Schoppershof auch sein Büro.

Ärger wegen Zettel-Wirtschaft

Wie vielen anderen droht Löslein die Decke bald auf den Kopf zu fallen. "Ich habe ja nicht mal einen Balkon." Außerdem ist das in Heßdorf aufgewachsene Dorfkind gerne unterwegs, vor allem draußen. Als nach einiger Zeit die Gastronomie wieder ihre Türen öffnet, "waren wir drei Mal in der Woche essen". Wir, das ist auch Christoph Lösleins Zwilling Steffen, der direkt gegenüber von ihm wohnt und, wie sein Bruder, bei der Datev in Nürnberg angestellt ist.

Mit ihm reiht sich Löslein damals in die Schlange vor dem Biergarten eines italienischen Lokals ein. Sie warten dort, um ihre Kontaktdaten auf einem Zettel zu hinterlassen, damit der Wirt sich bei ihnen melden kann, falls ein Gast positiv auf Corona getestet wird. Die Zwillinge sehen zu, wie ein Gast nach dem anderen ein Stückchen Papier in einen Karton wirft. "Für einen ITler ist das wie Steinzeit", sagt der Wirtschaftsinformatiker.

Die Brüder sind sich schnell einig: Dafür muss es eine praktischere Lösung geben. Zumal es die Gastronomen viel Zeit und noch mehr Nerven kostet, die Daten zu erfassen. "Das war nicht nur Papierverschwendung, sondern so viel unnötiger Aufwand", sagt Christoph Löslein. Der nicht beim Einsammeln der Kontakte endet. "Man musste ja ein System haben, um das abzulegen, um die Leute im Ernstfall schnell zu kontaktieren, aber die Daten auch wie vorgeschrieben nach zwei Wochen wegzuschmeißen."

Statt sich über die Wartezeit zu ärgern, überlegen die beiden Lösleins, wie das besser laufen könnte. "Und zwar für den Gastronom und die Gäste", ergänzt Christoph Löslein. Für die wäre es beispielsweise angenehmer, sich bequem am Tisch zu registrieren. Online.

Als die beiden Lösleins am Tisch angekommen sind, erfasst ein Windstoß den kleinen Karton mit den Zetteln. Und die Kontaktdaten werden vier Meter hoch durch die Luft gewirbelt. "Also ist jeder rumgelaufen, hat die Notizen aufgesammelt und seine Registrierung gesucht." In dem Moment sind die Zwillinge sicher: Sie wollen etwas entwickeln. Die Brüder sind sich auch einig, dass sie etwas entwickeln müssen, das möglichst einfach zu nutzen ist - und möglichst leicht umzusetzen. "Solche Projekte werden schnell komplex, deshalb muss man möglichst einfach anfangen."


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Nach Lösungen sucht Löslein schon sein ganzes Leben. Er ist Pragmatiker, Probleme bremsen ihn nicht, sie spornen ihn an. Schon als 14-Jähriger programmiert er ein Forum, auf dem sich Schüler austauschen können. Irgendwann merkt er aber, dass zu wenige seine Seite finden. Statt das Projekt einzustampfen, startet er eine Homepage für Online-Marketing, auf der sich andere Entwickler von Webseiten austauschen und sich gegenseitig unterstützen. "Die Seite gibt's heute noch", sagt Löslein und grinst sein gewinnendes breites Lächeln.

Sein Job in der IT ist für Christoph Löslein eher Berufung als Beruf. Er denkt schon immer lieber in Prozessen. Er hat Ideen und setzt sie um. Wie damals im Mai 2020. "Das System musste einfach sein und jeder sollte es nutzen können", sind sich die Löslein-Brüder und Dmitry Gorelenkov einig. Den Software-Entwickler holen sie noch im Biergarten mit ins Boot.

Zwei Wochen lang sitzen sie nach der Arbeit und am Wochenende an ihrer Web-App. Weil die über einen Browser funktioniert, ist keine Installation auf dem Smartphone erforderlich. Deshalb ist auch das Modell egal. "Es sollte mit jedem Smartphone möglich sein." Denn den Dreien ist auch klar: Irgendwann wird die Registrierung jeder benötigen. "Also haben wir uns entschieden, alles in einer Cloud zu sammeln. Natürlich nur, bis die Daten nach zwei Wochen automatisch gelöscht werden."

Über Zehn Millionen Nutzer

Ein schlauer Zug. Denn was folgt, hätte sich auch Christoph Löslein nicht träumen lassen. Ihre Seite mit dem schlichten Namen "Corona-Anmeldung" geht als eine der ersten solcher Registrierungssysteme online. Und durch die Decke. Das zeigen auch die Zahlen, die heute auf der Webseite zu sehen sind: Knapp 16.000 Betriebe nutzen die Software der drei Franken. Über zehn Millionen Menschen haben sich über ihren Zugang schon mal registriert.

"Hätte ich vorher gewusst, was da auf uns zukommt, hätte ich es mich vielleicht nicht getraut." Geld aber würde er wieder nicht verlangen. Für die drei Freunde steht von Anfang an fest, dass ihr Angebot nichts kosten soll. Sie wollen von Anfang an vor allem eines: helfen. "Wir haben alle ein festes Einkommen in einem krisenfesten Unternehmen, da können wir uns glücklich schätzen – im Gegensatz zur Gastro." Und weil die Drei sich lieber im Biergarten als daheim treffen wollen, leisten sie ihren Beitrag, dass dieser auch öffnen kann.

Außerdem, sagt Christoph Löslein, sind die vielen Stunden freiwilliger Einsatz zwar kostenlos. aber nicht umsonst. "Wenn es den Leuten was bringt, freut uns das", sagt Löslein. Außerdem habe er sich persönlich enorm weiterentwickelt. "Wir hatten mit so vielen Menschen zu tun, mit zig Betrieben." Viele von denen laden die Freunde später auch ein, die schlagen die Angebote aber aus. "Die brauchen den Umsatz, da hätte ich ein schlechtes Gewissen."

Löslein ist froh, mit der Web-App so viel ausprobieren zu können. Das sei wahnsinnig interessant gewesen. Und lehrreich. Auch den vierstelligen Betrag, den sie inzwischen investiert haben, sieht er als Lehrgeld. Das wird fällig, weil mit der Zahl der Nutzer auch die Anforderungen steigen. Datenschutz und IT-Sicherheit sind plötzlich Thema, auch die Vermarktung. Überall fuchsen sich die Freunde hinein. Sie lernen täglich dazu.

Nächste App soll wieder helfen

Die Löslein-Zwillinge und ihr Freund Dmitry sind sich dabei immer gewiss, dass ihre Seite irgendwann nicht mehr benötigt wird. "Wir dachten, wir schalten sie nach sechs Monaten ab." Inzwischen sind es zwei Jahre. Christoph Löslein freut sich, wenn diese Zeit endet. "Weil dann Corona bald vorbei ist." Und weil sie ihre Energie dann in die nächste Idee stecken können, die seit kurzem online ist. Und auch mit der Pandemie zu tun hat.

Wir haben gesehen, dass viele online bestellen, egal ob Essen oder Klamotten", sagt Löslein. Ziel muss nun aber sein, die Gäste und Kunden zurückzuholen. Er und seine Mitstreiter haben sich deshalb ein Coupon-Konzept überlegt. "Große Ketten haben so etwas längst - kleinere Unternehmen können sich das aber nicht leisten." Bis jetzt. PunkteBonus.com soll das ändern. Warum sich Löslein und die anderen keine Pause gönnen? "Weil man so etwas lieber gleich machen soll, statt es aufschieben – sonst macht man es vielleicht nie."

Auf der neuen Seite können den jungen Leuten auch Vorschläge gemacht werden, wer das Preisgeld erhalten soll, dass sie für ihren EhrenWert-Engagement bekommen haben. Zumindest einmal können die Freunde davon aber auch: essen gehen. Ganz ohne Registrierung.

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