Ausdauersport

Facebook-Gruppe will Geschlechter-Balance auf dem Rad

10.5.2021, 06:00 Uhr
Jörg Saatmann (re.) und Jennifer Meyerhoff sind nicht nur auf Facebook „fränkische Bergziegen“, sondern auch in Muro auf Mallorca, wo sie zuletzt 2019 ihr Trainingslager abhielten.  

© Horst Tischer Jörg Saatmann (re.) und Jennifer Meyerhoff sind nicht nur auf Facebook „fränkische Bergziegen“, sondern auch in Muro auf Mallorca, wo sie zuletzt 2019 ihr Trainingslager abhielten.  

Der Name ist schon mal genial: „Fränkische Bergziegen“. So benannten die Gründer Jörg Saatmann und Jennifer Meyerhoff ihre Facebook-Gruppe vor vier Jahren. Doch hinter ihrem Sinn für Selbstironie steckt ein ernster Hintergrund: Frauen, die Lust aufs Rennradfahren haben, suchen oft vergeblich Anschluss an andere Fahrer.


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Und das liegt laut Meyerhoff nicht an mangelndem Willen. „Als ich vor fünf Jahren mit dem Rennradfahren angefangen habe, war ich unsicher, ob ich mit der Geschwindigkeit einer Gruppe mithalten kann. Ich will niemanden aufhalten und kein schlechtes Erlebnis haben.“

Und ihre ersten Ausfahrten rund um den Wohnort Fürth in reinen Männercliquen bestätigten ihre Skepsis: „Da passen oft die Geschwindigkeiten nicht. Fünf km/h im Schnitt schneller ist schon eklatant.“ Während sich der eine locker unterhalten konnte, war der andere schon außer Puste. Und das, so Meyerhoffs, Beobachtung, sei oft durchaus gewollt: „Ich kenne Männergruppen, die schießen sich gegenseitig jedes Wochenende ab.“ Von zehn Leuten bleibe einer konditionell übrig, die anderen fallen zurück.

„Testosterongebolze nenne ich das. Deshalb fahren viele Frauen nicht mehr bei Männern mit.“ Sie selbst zog nach ein paar Ausfahrten mit mehreren Männern die Konsequenz: „Da fahre ich lieber alleine.“

Radmarathons in den Alpen

Und damit ist die 28-jährige Fremdsprachenkorrespondentin anscheinend nicht alleine, obwohl sie ihr Hobby durchaus ambitioniert betreibt. Jörg Saatmann ist auf den Radmarathons in den Alpen, an denen er seit 2015 teilnimmt, die geringe Frauenquote aufgefallen. „Unter 3000 Startern waren im Schnitt fünf Prozent Frauen.

Wenn du aber bei uns in der Gegend Rennrad fährst und siehst, wie viele Frauen alleine fahren, passt das Bild nicht ganz“, beschreibt der 42-jährige Heroldsberger die Szene im Städtedreieck Nürnberg-Fürth-Erlangen.

„Gefühlt sind 40 bis 50 Prozent der Rennradfahrer Frauen“, ist auch Meyerhoffs Eindruck. Tendenz sogar steigend, und das Niveau „richtig gut“, findet Saatmann, doch auffallend oft allein auf der Straße.

Und hier kommen die „Fränkischen Bergziegen“ ins Spiel. „Unser Anspruch ist nicht Tempobolzen, damit niemand hinterherkommt“, sagt Meyerhoff. Deshalb steht in der Beschreibung ihrer geschlossenen Facebook-Gruppe: „Mehr Mädels, die den Kerlen am Berg nur noch ihre strammen Waden zeigen – das ist die Motivation dieser Rennrad-Gruppe.“

Wer aufgenommen werden möchte, muss drei Fragen zu seiner Motivation beantworten. Und das dürfen ausdrücklich auch Männer. 70 Prozent der 256 Mitglieder seien zwar Frauen, doch die meisten wollen gar nicht in reinen Frauengruppen fahren – die Mischung macht’s.

Keine Dating-Plattform

Die Grundregeln sind: Das Tempo macht immer der oder die Schwächste. Männer stehen aber besonders unter Beobachtung, müssen sich ordentlich verhalten „und das nicht mit einer Dating-Plattform verwechseln“, so Saatmann.

Die wenigen gemeldeten Verstöße haben die beiden sofort geahndet: „Wer sich daneben benimmt, fliegt raus.“ Die konstant hohe Mitgliederzahl der Facebook-Gruppe spricht für das Konzept. Bei schönem Wetter verabreden sich fast täglich Radler zur Ausfahrt im Städtedreieck bis in die Fränkische Schweiz. Einer oder eine legt Startort, Distanz und Niveau fest – und Interessierte erscheinen zum ausgemachten Zeitpunkt.


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Die Erfahrung von Männern ist ausdrücklich erwünscht. „Ich möchte in keiner reinen Frauengruppe fahren“, sagt Meyerhoff und sieht das in keinem Widerspruch zum Motto der Fränkischen Bergziegen.

Saatmann nennt lachend ein Beispiel, wie unterschiedlich die Geschlechter auf dem Sattel ticken: „Eine Frau fährt nur 100 Kilometer, wenn sie weiß, dass sie es schaffen kann. Ein Mann versucht sich an den 100, obwohl er vorher nur maximal 50 Kilometer weit gekommen ist.“

Und weil in gemischten Gruppen auch weniger gelästert werde, hat sich das Konzept bislang bewährt. Einige Mitglieder verabreden sich sogar zu Urlaubsreisen, Saatmann und Meyerhoff waren schon zum Trainingslager auf Mallorca.
Neulingen in der Gruppe wird schnell klar, woher der Name rührt: Fränkische Bergziegen – egal ob männlich oder weiblich – scheuen keine Steigung.

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