FCN: Die Hintergründe zur Trainer-Entlassung

8.10.2013, 06:58 Uhr
Mit ihrem Latein am Ende: Michael Wiesinger (links) und Armin Reutershahn wurden Opfer der jüngsten Negativserie.

© Sportfoto Zink / cp24 Mit ihrem Latein am Ende: Michael Wiesinger (links) und Armin Reutershahn wurden Opfer der jüngsten Negativserie.

„Kaputt gemacht“ worden, so formulierte es Michael Wiesinger noch selbst, sei der 1. FC Nürnberg. Vom Hamburger SV. Kaputt, das hörte man auch am Montag wieder. Man müsse „schauen, ob etwas kaputt gegangen ist, was sich nicht mehr kitten lässt“, sagte Sportvorstand Martin Bader – aber dafür hatte man eigentlich nur ins Stadionrund blicken müssen am Sonntagabend nach dem 0:5 gegen den HSV. Die meisten Zuschauer waren lange vor dem Schlusspfiff gegangen, wer geblieben war, pfiff auf die Mannschaft. Es tat weh, „eine tiefe Wunde“, sagte Bader, werde bleiben.

„Kaputt gemacht“ habe der Sonntag am Ende auch die Überlegung, an den sportlich Verantwortlichen festzuhalten – Bader wiederholte es am Montag um kurz nach halb neun Uhr am Abend, als er den am Funktionsgebäude am Valznerweiher wartenden Journalisten die Beurlaubung von Michael Wiesinger und Armin Reutershahn bekannt gab. Es ist – nach der Beurlaubung von Bruno Labbadia in Stuttgart und Thorsten Fink beim HSV – die dritte Scheidung der laufenden Bundesligasaison. Beide Cheftrainer, die am Montag noch zur Bundesliga-Trainertagung in Frankfurt am Main weilten, müssen mit sofortiger Wirkung gehen, das Bundesligateam wird vorübergehend von Roger Prinzen, Coach des U23-Regionalligateams, betreut.

"Kein Aufwärtstrend"

Über die Nachfolge von Wiesinger/Reutershahn soll „in den nächsten Tagen“ (Bader) eine Entscheidung fallen. Namen von Kandidaten, darunter womöglich der langjährige Bremer Thomas Schaaf, der Schweizer Christian Gross, Bruno Labbadia und, Gerüchten zufolge, auch Felix Magath, wollte der Sportvorstand nicht kommentieren – mit einer Neubesetzung der Stelle ist spätestens am Wochenende zu rechnen; am kommenden Montag steht die vermutlich ohnehin turbulente Jahresmitgliederversammlung an.

Bader dankte den beurlaubten Trainern für ihre „mit Leib und Seele“ verrichtete Arbeit, aber „die Ergebniskrise“ habe nun die Scheidung bedingt. „Leider“, so Bader, hätten „die letzten Spiele gezeigt, dass kein kontinuierlicher Aufwärtstrend erkennbar ist“. Das frühe Aus im DFB-Pokal, die ersten acht Bundesligaspiele ohne Sieg (das gab es zuletzt vor 27 Jahren) und besonders das 0:5 gegen den HSV – es war die höchste Heimniederlage seit einem 1:6 ebenfalls gegen den HSV im April 1984 – hatten auch Bader zugesetzt. Noch am Sonntagabend führte er ein längeres Gespräch mit Wiesinger und deutete ihm wohl die sich bereits anbahnende Entwicklung an. Zweifel daran, ob Wiesinger – faktisch der Cheftrainer im Duo – noch der richtige Mann auf dem richtigen Platz sei, teile er, sagte auch Klaus Schramm, der Vorsitzende des Aufsichtsrates, bereits am Vormittag.

Am späten Nachmittag stand eine schon lange anberaumte routinemäßige Sitzung des Gremiums mit Martin Bader an. Dass es nicht um Routinefragen gehen würde, war seit der Havarie vom Sonntag klar und unübersehbar, die Veranstaltung fand vor der zu solchen Anlässen bekannten Kulisse statt. Die Deutsche Presseagentur schickte schöne Fotos: die Geschäftsstelle des Clubs am Valznerweiher in der Nachmittagssonne, davor Herbstlaub. Mit den Blättern fallen die ersten Trainer, das gehört zur Symbolik des Spiels, und als die Medienschar größer wurde, schloss der Club die Tore. Auch davon gab es Bilder – Ü-Wagen von Fernsehteams vor Stahlgittern, Bundesligakrisen gleichen dann Regierungskrisen und werden überfrachtet mit vermeintlicher Bedeutung.

Es dämmerte schon, als Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly, Mitglied des Aufsichtsrates, mit Verspätung eintraf, und als es dunkel wurde, war über die Pressestelle zunächst zu erfahren, dass ein Ergebnis der Sitzung erst anderntags mitgeteilt werde – dass ein solches Procedere angesichts der ausharrenden Medienvertreter unmöglich durchführbar sein würde, erschloss sich der Runde indes. Bader und Schramm teilten nach über dreieinhalb Stunden das erwartete Votum mit.

Die Trainer, die sich in der Nacht nicht mehr äußern wollten, erfuhren es telefonisch. Reutershahn, der seinen Dienst in Nürnberg im Sommer 2009 als Assistent für Michael Oenning antrat, war am 24. Dezember 2012 zum nominell gleichberechtigten Cheftrainer des vom U23-Coach zum Bundesliga-Frontmann beförderten Wiesinger berufen worden. Das Duo, ausgestattet mit Verträgen bis Juni 2015, meisterte die Nachfolge des in der Winterpause überraschend zum VfL Wolfsburg gewechselten Dieter Hecking in der Rückrunde der abgelaufenen Saison zur allgemeinen Zufriedenheit und führte Nürnberg auf Bundesliga-Rang zehn.

Mit dem Fehlstart in die laufende Spielzeit bröckelte der Kredit Woche für Woche, am Sonntag war er ganz verbraucht.

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