Handball-WM: Gemischte Gefühle in Buckenhofen

14.1.2021, 17:23 Uhr
Handball-WM: Gemischte Gefühle in Buckenhofen

© Foto: Tom Weller (dpa)

Unter denkwürdigen Vorzeichen starten die deutschen Handballmänner am Freitag mit dem Spiel gegen den krassen Außenseiter Uruguay (18 Uhr) in die Weltmeisterschaft in Ägypten. Im eigenen Team haben einige Leistungsträger wegen Bedenken angesichts der Entwicklung der Pandemie abgesagt, andere wurden durch das Coronavirus so gebeutelt, dass sie nicht zur Verfügung stehen.

Die qualifizierten Teams aus Tschechien und den USA mussten wegen einer Flut von positiven Fällen ganz absagen, Nordmazedonien und die Schweiz rücken ins Turnier nach. Aber auch die brasilianische Auswahl steht auf der Kippe, der deutsche Gegner Kapverden ist ebenfalls betroffen. Erst nach Protesten europäischer Delegationen ließen sich die Organisatoren auf den geforderten Zuschauer-Ausschluss ein.

Das Spannungsfeld erstreckt sich bis in die heimische Amateurszene, die im Moment kaum mit einer schnellen Rückkehr in die Hallen rechnen darf, im "Entzug" aber immerhin durch die Fernsehübertragungen passiv am Ball bleiben kann. Über ihre Gefühlslage aus der Distanz sprachen wir mit Johannes Gumbmann, Abteilungsleiter beim SV Buckenhofen.

Handball-WM: Gemischte Gefühle in Buckenhofen

© Foto: hgum

Seine Sicht auf die WM bezeichnet er als "ein wenig zwiegespalten. Auf der einen Seite werden überall die Türen geschlossen, dass sich das Virus nicht weiter ausbreitet, auf der anderen Seite treffen sich – nicht allzu viele – Handballer aus der ganzen Welt an einem Ort." Es sei aber klar gewesen, dass die WM stattfinden wird, weil eben IHF-Präsident Mustafa Ägypter ist und in "seinem" Land das Turnier auf jeden Fall durchgezogen werden musste.

Mehrere Favoriten

In sportlicher Hinsicht seien Prognosen schwierig, denn er habe nicht den Überblick, welche Mannschaften in Vollbesetzung spielen und wo einige Leistungsträger fehlen. Problematisch ist es natürlich schon, wenn jetzt noch Nachrichten über die Absagen ganzer Teams hinzukamen.

Gumbmann nennt gleich ein Bündel von Favoriten: "Wir haben bei den Buckenhofener Handballern auch ein Tippspiel zur Handball-WM (wie schon in den vergangenen Jahren bei WM oder EM). Meine Favoriten sind die üblichen Handball-Großmächte. Mir haben zuletzt die Norweger imponiert. Christian Berge macht da offensichtlich einen glänzenden Job als Trainer. Sie sehe ich ziemlich weit vorne, man muss aber eben auch mit den üblichen Verdächtigen rechnen."


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Frankreich, wenn die Alt-Stars Fabregas, Abalo und Guigou (Karabatic, Gérrad sind ja nicht dabei) Leistung bringen, aber auch Junge nachrücken (Dika Mem ist ja schon Star bei Barca), Spanien müsse den Generationenwechsel schaffen, aber auch die Iberer seien immer für ein Halbfinale gut. Dänemark als Olympiasieger, Kroatien und andere Balkannationen können immer mal für eine Überraschung sorgen, und auch der Gastgeber werde alles daran setzen, möglichst weit zu kommen.

Die Chancen der deutschen Mannschaft kann der Buckenhofener Handballchef nur schwer einschätzen. Gumbmann: "Zwar ist Alfred Gislason seit knapp einem Jahr Bundestrainer, hat aber in der Funktion noch sehr wenige Spiele absolviert. Er ist einer der erfolgreichsten Vereinstrainer, klar und ein akribischer Arbeiter." Doch in der Mannschaft fehlen einige Stützen, vor allem der gewohnte Abwehr-Innenblock aus Kiel (Henrik Pekeler und Patrick Wienczek), wobei vor allem im zweiten Spiel gegen Österreich die neue Variante mit Golla und Firnhaber vom HC Erlangen für Gumbmann schon überraschend gut spielte.

Gut aufgestellt sieht er das Team bei den Torhütern und den Außen. Insgesamt glaubt er schon, dass die deutsche Mannschaft in die Hauptrunde kommt und gute Chancen auf ein Viertelfinale hat. Für das Halbfinale schätzt er andere Nationen allerdings stärker ein, fügt aber an: "Ich freue mich aber umso mehr, wenn ich nicht Recht habe."


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Gedanken über die Sinnhaftigkeit der Veranstaltung an sich und die eigene Gefühlslage hat sich der Funktionär auch gemacht: "Berechtigt fand ich den Einwand eines Kieler Spielers, der sich vor einer Auswärtsfahrt zu einer Champions-League-Partie fragte, wie er seinem Kind klar machen solle, dass er jetzt zum Handball in eine andere Stadt fliegt, das Kind aber nicht zu irgendeinem Sport in eine Halle darf."

Er denkt, dass es dem Marketing und dem vielen Geld, das auch schon hier fließt, geschuldet sei, dass die WM stattfinden darf – wobei ja sogar die Olympischen Spiele 2020 abgesagt worden waren. Grundsätzlich sei es so, "dass wir unsere und auch die Gesundheit unserer Mitmenschen schützen sollen, ja müssen". Gumbmann fällt da ein Satz aus einer Dokumentation über Intensivstationen ein: "Es ist überhaupt nicht schön, ja grausam, jemandem beim Ersticken zusehen zu müssen!‘ Ich denke, das sagt alles."

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