Marschall verlängert

Stolze Verlierer: Der HCE ärgert sich nicht

25.6.2021, 06:00 Uhr
Es bricht aus ihm heraus: Hampus Olsson überragte am Mittwoch, auch emotional.

© Sportfoto Zink / Oliver Gold, Sportfoto Zink / OGo Es bricht aus ihm heraus: Hampus Olsson überragte am Mittwoch, auch emotional.

Für einen kurzen Moment sah es so aus, als sollte dieses turbulente Handballspiel seine letzte Pointe erst nach dem Ertönen der Schlusssirene erhalten. Das Publikum stand schon seit Minuten, es klatschte und jubelte in freudiger Erwartung eines letzten kollektiven Torschreis in diesem Spiel, in dieser Saison. Simon Jeppsson hatte sich den Ball bereits geschnappt und tigerte über das Spielfeld, gedanklich versunken in den Siebenmeter, auf den alles, was es am Mittwochabend mit dem HC Erlangen hielt, wartete. Währenddessen beriet sich das Schiedsrichterduo - um kurz darauf der stimmungsvollen Arena Nürnberger Versicherung den Stecker zu ziehen.

Nein, es gibt keinen Siebenmeter. Obwohl Magnus Rod, der Flensburger, den Wurfversuch von Jan Schäffer in allerletzter Sekunde blockte und zwar mit weniger als drei Metern Abstand - und damit eigentlich regelwidrig. "Aus unserer Sicht war das ein klarer Siebenmeter", sagte Michael Haaß danach. "Anscheinend gab es aber doch noch irgendwas zu diskutieren." Was genau, das wusste Haaß nicht und im Grunde war es ihm auch egal. "Den Siebenmeter hätten wir auch erstmal treffen müssen", sagte der Trainer des HC Erlangen, der diese letzte Szene nicht hernehmen wollte, um den Auftritt seiner Mannschaft zu bewerten.

Das tat auch das Publikum nicht. Wenige Sekunden lang empörten sich die Zuschauer über die Entscheidung der Unparteiischen, dann aber siegten auch bei ihnen die positiven Gedanken. Mit tosendem Applaus bedankten sie sich bei der Erlanger Mannschaft, die den Meisterschaftskandidaten, den Tabellenzweiten am Rande einer Niederlage hatte.

Zunächst hatte es danach nicht unbedingt ausgesehen, denn die Flensburger hatten sich früh ein Vier-Tore-Polster erarbeitet, mit dem sie auch in die Pause gingen. Das bizarre Bild ihrer Ersatzbank mit gerade einmal vier Feldspielern und jeder Menge Platz ließ aber vermuten, dass die zweite Hälfte für den personell ziemlich gebeutelten Topklub aus dem Norden alles andere als ein Selbstläufer werden würde. Und so kam es dann auch.

Der HC Erlangen hatte große Lust auf dieses Handballspiel und zeigte das, die Spieler wuchsen von Minute zu Minute mehr in den Glauben hinein, das letzte Heimspiel der Saison zu einem Fest werden lassen zu können. Als die beiden überragenden Erlanger Akteure des Abends, Martin Ziemer und Hampus Olsson, einen Kempatrick über das ganze Feld spielten, war die Haaß-Mannschaft nicht nur auf zwei Tore herangekommen, sie hatte auch endgültig das Publikum für sich gewonnen. Olsson strahlte nach diesem Treffer über das ganze Gesicht, er sog die Atmosphäre in der Arena sichtlich auf, und man erahnte in diesem Moment, wie schwer diese Spielzeit für ihn und seine Kollegen gewesen sein muss.

Marschall verlängert

Nur ganz wenige Spieler waren verletzungsfrei durch diese Saison gekommen, fast alle steckten sich mit dem Corona-Virus an. Nach der zweiwöchigen Zwangspause stieg die Belastung, gespielt wurde fast nur noch im Drei-Tage-Rhythmus. Und natürlich verletzten sich dann weitere Spieler. Auch beim letzten Heimauftritt der Saison fehlten neun Profis, das Spiel am Mittwoch lenkte wieder ein 20-Jähriger, Tarek Marschall. Und wie: Vier Tore erzielte der Youngster, der nach Informationen unserer Zeitung schon vor dem Spiel seinen Vertrag bis 2023 verlängert hat. Als er dreieinhalb Minuten vor Schluss den HCE erstmals wieder in Führung brachte, glaubten 1700 Menschen an ein kleines Wunder.

Das blieb am Ende aus, den letzten Siebenmeter gab es nicht mehr. "Das Schiedsrichterduo gab an, die Szene nicht richtig gesehen zu haben", erklärt René Selke, der Erlanger Geschäftsführer, der sich mit dem Schiedsgericht unterhalten hatte. "Wir hätten einen Punkt verdient gehabt", sagte ein sichtlich stolzer Trainer Haaß im Nachgang. "Das war ein Spiel, wie wir es uns alle gewünscht haben." Dass es verloren ging, störte ihn kaum: "Wir werten das als absoluten Gewinn. Es macht einfach nur Spaß, mit der Mannschaft zu arbeiten."

Ein paar Tage werden sie noch gemeinsam Spaß haben, denn am Sonntag steht das letzte Saisonspiel bei der HSG Nordhorn an. Auch wenn sich am Mittwoch alles nach einem Finale anfühlte.

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