Kleeblatt: Zwischen Pressath und Barcelona

18.4.2012, 15:30 Uhr
Kleeblatt: Zwischen Pressath und Barcelona

© Schmidtpeter/Fengler

Am 28. April 1963 blies Schiedsrichter Betz aus Regensburg gegen 16.50 Uhr beherzt in seine Pfeife und beendete die Partie Bayern München gegen SpVgg Fürth. Es war das letzte Spiel des Kleeblatts in der Erstklassigkeit, der Abgesang auf die süddeutsche Oberliga, in deren Schoß sich die Fürther jahrelang wohlgefühlt hatten. Oki Ohlhauser hatte nach vier Minuten das 1:0-Siegtor der Bayern geschossen.

Ein paar Wochen später ging es weiter in der Regionalliga Süd, der damals zweithöchsten Klasse. Weder Bayern noch Spielvereinigung durften mitmachen in der neuen Bundesliga — die Diskussion über die merkwürdigen Qualifikationskriterien hallt heute aus der Ferne der Zeit wider, doch bedeutete die — überfällige – Einführung der eingleisigen Top-Liga das Ende des Spitzenfußballs in vielen Städten Deutschlands.

Während Fürths letzter Gegner Bayern in zwei Jahren Regionalliga, in denen sich ein junges Team mit Sepp Maier und Franz Beckenbauer plus Routiniers wie dem aus Fürth gekommenen Kleeblatt-Idol Ertl Erhardt einspielen konnte, den Grundstein späterer Größe legte, rannte die SpVgg Fürth bis in die 80er Jahre der Vision Bundesliga hinterher. Dabei wurde die Substanz aufgebraucht, der Spielbetrieb war in der Zweitklassigkeit kaum zu finanzieren. 1983 folgten mit wenigen Wochen Abstand der Verkauf des Ronhofs und der Abstieg aus der Zweiten Liga.

Zum ersten Mal war Fürth drittklassig — einer der großen Vereine aus den Anfängen der deutschen Fußballgeschichte versank just in dem Moment in der Bedeutungslosigkeit, als sich der Fußball aufmachte, dank immer stärkerer Medienpräsenz zu einem noch umfassenderen gesellschaftlichen Phänomen zu werden, als er es ohnehin schon war.



Vor dem Zweiten Weltkrieg galt die Fürther Fußballkunst als Maßstab für das schöne Spiel. Der legendäre „Fürther Flachpass“ wurde seit April 1911 gelehrt von dem Engländer William Townley. 1914 war die rasant aufgestiegene Spielvereinigung im elften Jahr ihres Bestehens Deutscher Meister: Das 3:2 nach Verlängerung gegen den VfB Leipzig, erzielt von Karl Franz in der 154. (!) Minute, machte die Fürther zum ersten Titelträger aus Bayern.

Meister in Nürnberg

Als die Spielvereinigung im Jahr 1926 durch einen Finalsieg über Hertha BSC zum zweiten Mal Meister wurde und einige Wochen später als erster deutscher Verein beim FC Barcelona 1:0 gewinnen konnte, war der Höhepunkt erreicht. Europa schwärmte von der Fürther Fußballkunst. Der Ronhof, seit 1910 Heimat und Basis der Erfolge, fasste fast 30000 Menschen. Und voll war er oft, als Deutschlands beste Kicker drüben, überm Wiesengrund, hinter dem Zusammenfluss von Rednitz und Pegnitz, anfangs noch außerhalb der Grenzen Fürths – Ronhof wurde erst 1927 eingemeindet – antraten, um das schöne Spiel zu zelebrieren.

Kein Fußballexperte hätte erwartet, dass die dritte Meisterschaft 1929, im Nürnberger Stadion mit einem 3:2-Erfolg erneut über Hertha erzielt (und auch von den Nürnberger Zuschauern bejubelt), der letzte Titel sein sollte. Zu viel Respekt hatte man vor der Spielvereinigung, die zusammen mit dem Club, Hertha und dem HSV die ersten Jahrzehnte der deutschen Fußballkultur geprägt hatte. Noch bis zum Zweiten Weltkrieg, so eine Statistik des Fachmagazins Der Fußball, kamen aus dem Reservoir ehemaliger SpVgg-Fußballer so viele Trainer wie aus keinem anderen Verein: Die Konkurrenz wollte auf diesem Weg ihren Teil der Fürther Fußball-Ästhetik abhaben.



Durch die Vorkriegsjahre und den Zweiten Weltkrieg kam die Spielvereinigung aber nicht unbeschadet. Trotzdem gab es 1950 noch eine Renaissance. 1948 zum ersten Mal abgestiegen, kehrte sie sogleich zurück und errang die süddeutsche Meisterschaft. Ein junges Team, in dem die späteren Weltmeister Ertl Erhardt und Charly Mai ihre ersten Einsätze hatten, sorgte für Furore, der Wundersturm Nöthe — Appis — Schade — Brenzke — Hoffmann war die beste deutsche Sturmreihe – und scheiterte erst im Halbfinale am VfB Stuttgart.

Doch das alles war nur Erinnerung, als es 1983 in die Bayernliga ging. Vier Jahre lang, dann folgte der nächste Nackenschlag 1987: Die viertklassige Landesliga Mitte, mit Partien unter anderem gegen Pressath. Mühsam kämpfte sich Fürth zurück, erreichte die neue drittklassige Regionalliga Süd – bis zu jenem schicksalhaften Gründonnerstag 1995, als Edgar Burkart und Helmut Hack erstmals, zaghaft, eine Annäherung ihrer Vereine andachten. Doch die Eigendynamik der seit Juli 1996 in den Spielbetrieb eingreifenden SpVgg Greuther Fürth führte sofort in die Zweite Liga – und nach 15 Jahren des Hoffens, aber auch systematischen Aufbaus eines gut strukturierten Fußballunternehmens, in die Bundesliga.

Was im April 1963 endete, hat im April 2012 wieder einen Anfang gefunden.

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