Kolumne: "Wahre Liebe tut weh"

29.4.2017, 11:20 Uhr
Kolumne:

© Klaus-Dieter Schreiter

Man könnte sich in die Küche schleichen und Frühstück machen, mit Eiern und Kaffee. Man könnte zum Briefkasten gehen und Zeitung lesen, bevor die drei Kleinkinder sie wieder zerpflücken und dem OB lustige Bärte malen. Man könnte (auch das gab es schon!) das immens wichtige siebte Playoff-Match auf der Playstation spielen. Oder aber man ist vernünftig und tut das, was jeder normale Mensch um diese Zeit tut, wenn er nicht gerade in Frühschicht arbeitet: schlafen. Einfach tief schlafen.

Ich weiß auch nicht genau, was mich geritten hat. Jedenfalls stelle ich mir neuerdings den Wecker zwei Mal in der Woche auf 4.50 Uhr. Ich schleiche dann ins Bad, packe meine Sporttasche und fahre auf leergefegten Straßen nach Erlangen-Bruck. Ich betrete eine Industriehalle und beginne, mich mit anderen zu quälen. Und wenn ich schreibe quälen, dann meine ich auch quälen: Vollgas auf dem Rudergerät, bis das Laktat aus den Ohren tropft. Klimmzüge, bis die Hände aufplatzen, Liegestütz im Handstand, bis Sternchen durch die Luft fliegen, Kniebeugen mit Langhantelstange, bis die Oberschenkel zittern. Ich springe, ich renne, ich werfe neun Kilo schwere Medizinbälle in die Höhe, ich klettere ein Tau bis zur Decke hinauf. So oft, bis dunkles Blut meine Socken tränkt.

Warum um Himmels Willen ich das mache, fragen Sie? Ob ich sie noch alle habe? Nunja, Sie wissen doch, wie das ist, wenn man verliebt ist; wenn man süchtig ist nach Adrenalin, nach diesem einzigartigen Gefühl, es diesem kleinen Mistkerl im Kopf richtig gegeben zu haben, der um 4.50 Uhr so gerne liegen geblieben wäre.

Ich liebe meine Frau und meine Kinder über alles. Und ich liebe Crossfit. Zusammen funktioniert es aber nur, wenn man so früh aufsteht. Denn, wissen Sie was? Auf dem Nachhauseweg, da kaufe ich immer frische Brötchen. Warm sind die dann meist noch. Dann mache ich leise Frühstück, mit Eiern und Kaffee. Und manchmal, da bleibt sogar noch Zeit, in Ruhe Zeitung zu lesen.

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