Kommentar: Löws Abschied im Sommer ist mindestens überfällig

9.3.2021, 14:51 Uhr
Hat seinen Abschied verkündet: Joachim Löw.

© Christian Charisius, dpa Hat seinen Abschied verkündet: Joachim Löw.

Wenn's am schönsten ist, soll man aufhören, heißt es. Schöner und vor allem erfolgreicher als am 13. Juli 2014 im Maracana konnte es für Joachim Löw eigentlich nicht mehr werden. Fußball-Weltmeister ist er da geworden, als umschwärmter Trainer der deutschen Nationalmannschaft. Aber Löw wollte mehr. Wollte eine Ära prägen.


Bundestrainer Löw hört nach der EM im Sommer auf


Das hat er auch, obwohl ihm nach der magischen Nacht von Rio nicht mehr viel gelingen sollte und auch davor nicht alles super war; das EM-Halbfinale 2012 ging hauptsächlich schief, weil er ausgerechnet gegen Italien einen Catenaccio befohlen hatte. Vercoacht, urteilten viele Experten, passiert eben auch den Besten. Schuld waren trotzdem immer die anderen. Beim WM-Turnier in Russland 2018 hielt Löw lieber an einigen seiner nicht mehr taufrischen WM-Helden fest anstatt den fälligen Neuaufbau voranzutreiben.

Das Aus nach der Vorrunde mit krachenden Niederlagen gegen Mexiko und Südkorea musste er somit auf seine Kappe nehmen; der Unantastbare hörte plötzlich laute Kritik, auch an seiner Person, lächelte sämtliche Vorwürfe aber einfach weg. Noch strahlte der vierte Stern hell genug. Und seinen Vertrag hatten sie ja auch rechtzeitig verlängert. Vor dem Desaster in Moskau, Sotschi und Kasan.

112 Debütanten in knapp 15 Jahren

Löws Reputation hatte erstmals seit seiner Beförderung 2006 richtig Schaden genommen. Persönliche Konsequenzen ziehen wollte er trotzdem nicht, auch die DFB-Spitze hielt in offenbar unerschütterliche Treue zu ihm. Womöglich, weil sich einfach kein geeigneter Nachfolger auftreiben ließ, vielleicht aber auch, weil sie nach wie vor seinen Fähigkeiten vertrauten. Zudem deutete Löw mit der öffentlichen Demontage von Mats Hummels, Thomas Müller und Jerome Boateng ja zumindest an, aus seinen Fehlern gelernt zu haben.

Den nächsten Zyklus bis zur EM 2020, die wegen Corona erst heuer stattfindet, nutzte er vor allem für zum Teil abenteuerliche Experimente; 112 Debütanten in knapp 15 Amtsjahren sind doch bemerkenswert viele, Ridle Baku und Martin Max heißen die vorerst letzten. Löws generalüberholte Auswahl fiel im Vergleich mit internationalen Top-Nationen aber gewaltig ab; Letzter in der Nations-League-Saison 2019, immerhin Zweiter in der National-League-Saison 2020, nach zwei Siegen in sechs Spielen. Und dem epischen 0:6 von Sevilla.

Radikale, einschneidende Veränderungen ließen aber selbst nach dem 17. November des vergangenen Jahres auf sich warten. Löw, immer noch zu stolz für einen Rücktritt, gab lieber den Beleidigten, weil wiederholt Internas aus DFB-Sitzungen ausgeplaudert worden waren.

Ob Löw jetzt auf sanften Druck hin oder doch freiwillig nach der EM im Sommer aufhört, ist wohl von der jeweiligen Sichtweise abhängig. Seinen bevorstehenden Abschied als überfällig zu bezeichnen, wäre aber noch untertrieben. Nachdem er die eine oder andere Steilvorlage ungenutzt hat verstreichen lassen.

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